Verkürzung der Arbeitszeit

Bevor wir uns mit den Arbeitszeiten befassen, werden wir auf die Zustände eingehen, welche durch die Verlängerung der Arbeitszeiten, das Leben der Arbeitnehmer/Innen beherrschen.

Verfügbarkeit.

Die Verlängerung der gesetzlichen Arbeitszeit verlängert die Befehlsgewalt des Arbeitgebers über die Arbeitskraft. Wobei der Zeitraum in diesem der Arbeitgeber über die Arbeitskraft verfügt, nicht mit der tatsächlichen Arbeitszeit verknüpft ist. Es ist also egal ob ein 6 oder 8 Stundentag vereinbart wurde, denn die Verfügung über die Arbeitskraft ist nicht an die Betriebsvereinbarung, sondern an die gesetzliche Arbeitszeit, dem 12 Stundentag gebunden.

Freizeit.

Von den 24 Stunden sind 12 Stunden der Zeitraum indem der Arbeitgeber über die Arbeitskraft die Verfügungsgewalt hat. Das heißt alle Freizeitstunden, die über 12 Stunden liegen, muss sich der Beschäftigte mit dem Arbeitgeber teilen. Denn selbst wenn der Angestellte einem vereinbarten 8 Stundentag hat, kann der Arbeitgeber innerhalb des 12 Stundentags, und zwar unabhängig der Tagesstunde, den Angestellten über die 8 Stunden hinaus zur Arbeit weiter verpflichten.

Die Regierung beruhigt uns über diesen skandalösen Rechtszustand und verspricht, dass die Verfügbarkeit über die Freizeit, nur auf der Basis der freiwilligen Zustimmung erlaubt ist.

Aber wie gewohnt, Versprechungen, die die Regierung macht, verwandeln sich stets in leere Worthülsen. Denn wie kann man sich anders als „freiwillig“ entscheiden, wenn davon die Existenz des Arbeitsplatzes bzw. die Dienstbeschreibung abhängt. Dieser Zustand entspricht mehr dem Charakter von Repression als einer Entscheidung der Freiwilligkeit.

Insgesamt wirkt sich der 12 Stundentag massiv auf die Freizeit aus. Zieht man von der 12-stündigen Freizeit, die täglichen Aufgaben zum Beispiel Fahrtzeiten, Schlafzeiten, Haushaltsarbeiten usw. ab, dann bleibt keine Zeit für die Freizeit übrig.

Überstunden.

Mit der Verlängerung der normalen Arbeitszeit auf die 60 Stundenwoche, fallen auch alle Überstundenzuschläge durch den Rost der verlängerten Arbeitszeit. Denn die gesetzliche Arbeitszeit gilt als normale Arbeitszeit und innerhalb der normalen Arbeitszeit sind Überstunden nicht möglich. Ausgenommen von normalen Arbeitszeiten sind nur Nacht, Sonn- und Feiertage.

Mit dem Schachzug der Einführung der 60 Stundenwoche sind Überstunden und somit deren Zuschläge nicht mehr möglich. Dies geht auch aus den EU Arbeitszeitrichtlinien hervor, die die „Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf durchschnittlich 48 Stunden“ inklusive der Überstunden auslegt. Österreich liegt mit seiner gesetzlichen 60 Stundenwoche um 12 Stunden darüber.

Weshalb sollten die Arbeitszeiten verkürzt werden?

Die heutige technische Entwicklung, vor allem das Wachstum der Digitalisierung, verkürzt die Produktionszeiten und ersetzt Arbeitskräfte. Diese Entwicklung verwandelt die Vollzeitjobs in Teilzeitarbeit und macht sie immer mehr zur Hauptbeschäftigung der Bevölkerung.

Schon heute arbeitet über ein Drittel der Arbeitnehmer/Innen in dem unterbezahlten Segment der Teilzeitbeschäftigung bzw. in prekäre Arbeitszeitverhältnisse. Selbst der 8 Stundentag ist für den heutigen technischen Stand der Produktivkräfte viel zu lang. Dazu kommt noch der direkte Abbau von Arbeitsplätzen durch die Verlängerung der Arbeitszeit. Zum Beispiel brauchte man für bestimmte Arbeiten bei einem 8 Stundentag 3 Arbeitskräfte, so braucht man bei einem 12 Stundentag für die gleiche Arbeit nur 2 Arbeitskräfte.

Arbeitszeitsenkung

Die einzige und realistische Möglichkeit für Vollbeschäftigung besteht in der Anpassung der Arbeitszeiten an der Leistungsfähigkeit der Produktivkräfte und dies bei vollem Lohnausgleich. Wobei die Arbeitszeit im Verhältnis zum Bedarf an Arbeitsplätzen soweit gesenkt werden muss, bis der Zustand erreicht ist, dass alle, die ihren Lebensunterhalt nur durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft verdienen können, auch Arbeit haben. Dies könnte auch zu gesetzlichen Arbeitszeiten führen, die weit unter einer 30 Stundenwoche liegen. Aber bevor es soweit ist und es noch keine Berechnungen von optimalen Arbeitszeiten im Bezug der Vollbeschäftigung zu den Produktivkräften gibt, könnte die folgende Empfehlung als Diskussionsgrundlage dienen.

Die gesetzliche Lebensarbeitszeit ist auf 400 Monate / 33,3 Jahre zu beschränken. Das heißt, dass mit 33,3 Arbeitsjahren der Anspruch auf die volle Pension erreicht ist.

Die Monate für Kinder-, Lehrlings- und Bundesheerzeiten (bzw. verpflichtete Sozialdienste) sollten entsprechend bei der Berechnung der Lebensarbeitszeit berücksichtigt werden. Bei studierenden wird die Studienzeit von der gesetzlichen Lebensarbeitszeit abgezogen, ausgenommen von Arbeitszeiten, die sie in der Studienzeit geleistet haben.

Es ist ein Umlagesystem für das Pensionswesen einzuführen, in diesem aus Gründen der Solidarität alle Berufsgruppen verpflichtet sind teilzunehmen. Regeln und Beitragszahlungen sind noch zu bestimmen.

Die Gewinne der Pensionsversicherungen und Kassen dürfen nicht privatisiert werden, wie es zum Beispiel heute üblich ist, dass sich Aktionäre und Anteilsinhaber regelmäßig auf Kosten des Pensionswesens bereichern.

Die gesetzliche Arbeitszeit ist auf dem 6 Stundentag / 30 Stundenwoche – bei vollen Lohnausgleich – zu kürzen. Die monatlichen Durchrechnungszeiten bei Gleitzeitarbeiten sind so zu gestalten, dass Stunden, die über den Schnitt der 30 Stundenwoche liegen, als Überstunden berechnet werden. Und wird die gesetzliche Arbeitszeit überschritten, muss jede Überstunde mit einem Aufschlag von fünfzig Prozent, oder im Zeitausgleich mit einem Aufschlag von einer halben Stunde vergütet werden.

Finanzierung

Die Besitzer des Kapitals werden durch die Kürzung der gesetzlichen Arbeitszeiten um nichts ärmer. Denn der Zustand, dass etwa 15 Investoren mehr besitzen als die Hälfte der Weltbevölkerung, lässt darauf schließen, dass Arbeit und gesellschaftlicher Wohlstand keine Frage der Finanzierung, sondern eine Frage der Ideologie ist. Die Probleme, die uns die herrschende Ideologie macht, oder der Ursprung der Ungleichheit, gehen daraus hervor, dass die bürgerliche Produktionsweise auf die Teilung der Arbeit beruht: Indem der Teil, der sich das Kapital aneignet, über den Teil herrscht, der es produziert.

Gilbert Karasek war Personalvertreter bei Wienstrom

Quelle:

Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB)