Punktuelle Verbesserungen reichen nicht

Gespannt warten viele auf die personelle Zusammensetzung der Regierung und den Inhalt des Regierungsprogramms, über die wenige Parteimitglieder von DP, LSAP und Déi Gréng gegenwärtig verhandeln. Wenn alles gelaufen sein wird, werden der Form halber das »Comité directeur« der DP, die Landesversammlung der Grünen und der Landeskongress der LSAP zusammentreten und die Zusammensetzung der neuen Regierung und deren Programm absegnen.

Viel Konkretes wurde bisher nicht bekannt, weil die Verhandlungsdelegationen in einer Dunkelkammer tagen, in die nicht einmal den Mitgliedern der drei Parteien Einblick gewährt wird. Damit sollen längere personelle und inhaltliche Diskussionen verhindert und erreicht werden, dass die Übereinkünfte der Verhandlungsdelegationen möglichst geräuschlos über die Bühne gehen.
Hoffnungen darüber, dass es zu einer Welle von fortschrittlichen gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen kommen wird, sollte man sich nicht machen, und das wird wohl auch von der ganz großen Mehrheit nicht erwartet, denn keine der drei Parteien hat grundlegende gesellschaftliche Veränderungen auf ihrer Agenda.
Was erwartet werden kann – abgesehen von weiteren Geschenken für das Groß- und Finanzkapital – sind punktuelle Verbesserungen für Lohnabhängige und deren Familien, die Schwierigkeiten haben, am Monatsende über die Runden zu kommen. Es werden Maßnahmen sein, die dazu beitragen sollen, dass der Zeitpunkt, an dem deren Geduldsfaden reißen könnte, weiter in die Zukunft verschoben wird.

Zu diesen punktuellen Maßnahmen könnten Steuererleichterungen für Alleinerziehende, die Abschaffung der direkten Steuern auf den Mindestlohn, der Nulltarif im öffentlichen Transport und weitere kleine soziale Verbesserungen zählen, welche dazu beitragen werden, die Zahl der Menschen, die unter oder am Rande der Armutsgrenze leben müssen, über einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren.

Die grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme, vor die sich die Lohnabhängigen gestellt sehen, werden auf diese Weise weder in naher noch in ferner Zukunft auch nur ansatzweise gelöst werden.

Das hat damit zu tun, dass die ausschlaggebenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mechanismen dazu dienen, die bestehenden Ungerechtigkeiten immer wieder zu reproduzieren, denn dazu wurden sie von den Herrschenden, den Kapitalbesitzern und reichen Familien und deren Interessenvertretern in den verschiedensten Gesellschaftsbereichen, geschaffen. Und das gibt ihnen die Möglichkeit, Errungenschaften der Schaffenden immer wieder in Frage zu stellen oder rückgängig zu machen. Unwillkürlich wird man an Sisyphos aus der griechischen Mythologie erinnert, der, weil er sich mit den Göttern angelegt hat, zur Strafe einen Felsblock auf ewig einen Berg hinaufwälzen muss, der aber, fast am Gipfel angekommen, immer wieder ins Tal rollt.

So geschieht es heute immer noch den Lohnabhängigen. Zumindest so lange dieses Ausbeutersystem nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, die Großbetriebe und Banken nicht vergesellschaft werden und die reichen Familien aus dem In- und Ausland nicht daran gehindert werden, uneingeschränkt über den größeren Teil des geschaffenen Mehrwerts zu verfügen.

Die mehr als bescheidenen Resultate der Kommunistischen Partei bei den Chamberwahlen sind ein Hinweis dafür, dass solch revolutionäre Veränderungen heute von den Lohnabhängigen kaum als Alternative gesehen werden.
Doch was nicht ist, kann ja noch werden, wenn sich die Verhältnisse ändern.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek