Jähe Wendungen im Weißen Haus

Der Herr im Weißen Haus in Washington ist immer für eine Überraschung gut, wobei »gut« nicht immer auch »gut« bedeutet. Seit seinem Amtsantritt im Januar 2017 führt Donald Trump die Amtsgeschäfte im Oval Office nicht wie ein Präsident, sondern eher wie der Vorstandschef eines Immobilienkonzerns. Trump ist kein Staatsmann, und hat auch nie vorgegeben, einer zu sein. Trump ist Trump, nichts anderes. Über fast alles, was in der großen weiten Welt geschieht, weiß er nicht allzu viel, und von dem Wenigen hat er meist schon am nächsten Tag fast alles vergessen. Er lebt und regiert von jetzt auf gleich, wägt innerhalb von Minuten ab, was gut für ihn ist und demzufolge auch gut für das Land. »America first« hatte immer auch die Bedeutung von »Trump zuerst«.

Nach dieser zumindest für ihn schlüssigen Strategie wählt er auch die Leute aus, die ihn umgeben und die ihm – falls er zuhören sollte – auch mal einen Rat geben dürfen. Den befolgt er dann, falls er es für richtig hält, oder verwirft ihn, wenn er nicht versteht, worum es geht. Nach diesem Prinzip funktioniert auch seine Personalpolitik. Die Leute, die so denken und reden, daß es ihm zum Vorteil gereicht, dürfen bleiben, wie seine Tochter Ivanka, die sich den Titel einer »First Doughter« zugelegt hat, und deren Ehemann Jared Kushner. Andere bleiben nur so lange, wie es der Herr und Meister für richtig hält.

Allein aus der ersten Reihe der Administration hat Trump schon ein rundes Dutzend Leute verschlissen, darunter einen Außenminister, zwei Justizminister, zwei Sicherheitsberater, einen Innenminister, einen Gesundheitsminister, einen Stabschef und seit Donnerstag auch einen Kriegsminister.

James Mattis, altgedienter Viersterne-General, hat von allen Leuten aus dieser Runde am Längsten unter dem Präsidenten gedient, nämlich seit Beginn von dessen Amtszeit. Unstimmigkeiten gab es in dieser Zeit mehrfach, aber letztlich hat sich Mattis immer wieder seinem Oberkommandierenden untergeordnet, wenn es ihm auch oft schwerfiel. Mit Trumps verkündeter Entscheidung, die USA-Truppen aus Syrien abzuziehen und damit auch NATO-Verbündete zu verprellen, will er aber nicht leben.

Viel Unsinniges ist nun in den Medien darüber zu lesen und zu hören. Nein, Mattis geht nicht aus Protest, denn dann ginge er sofort, sondern er geht in einigen Wochen – mit Groll im Magen – in den Ruhestand. Und NEIN, der Abzug der USA-Soldaten aus Syrien ist kein Weihnachtsgeschenk, weder an Putin noch an Assad. Und nochmal Nein, er ist auch kein Verrat an den Kurden. Zumal es verlogen ist, wenn ausgerechnet die Leute sich um die Kurden Sorgen machen, die gleichzeitig deren Organisationen und Symbole als »terroristisch« verbieten.

Die Entscheidung, über den Truppenabzug ist ein Ergebnis des für Trump typisch pragmatischen Denkens, nämlich einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Die Truppen kosten viel Geld, der Nutzen ist relativ gering, und es findet sich niemand, der dafür bezahlt. Nach diesem Prinzip, das nicht neu ist für Trumps Art von strategischen und taktischen Entscheidungen, wird er voraussichtlich auch in Afghanistan verfahren, gegen den Protest oder zumindest Unmut der Bündnispartner der USA, und möglicherweise auch in Südkorea. Jüngste Meldungen aus Washington deuten darauf hin.
Unter dem Strich ist der Abzug ermutigend für die Bemühungen um eine Lösung für Syrien. Denn die völkerrechtswidrige Existenz von mindestens 20 Militärbasen der USA auf syrischem Territorium ist einem Frieden in Syrien ebenso wenig förderlich wie die Anwesenheit anderer ausländischer Truppen, die nicht von der rechtmäßigen Regierung Syriens darum gebeten wurden.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek