Wenn allein der Profit zählt

Damit der Profit stimmt, wird den arbeitenden Menschen heutzutage alles nur Erdenkliche abverlangt – maximale Flexibilität und zunehmende Deregulierung der Arbeitszeitregelung, längere Arbeitszeiten, weniger Pausen, schlechtere Arbeitsbedingungen.

Wer nicht mitzieht, riskiert auf der Strecke zu bleiben. Erwerbstätigen, die dem zunehmenden Druck, dem innerbetrieblichen Konkurrenzkampf oder dem allgegenwärtigen Stress nicht gewachsen sind, werden kaum Chancen eingeräumt, dem »Betriebsinventar« über einen längeren Zeitraum anzugehören. Erst recht nicht, wenn sie aus Gesundheitsgründen auch noch häufiger als andere unangenehm auffallen sollten.

Wer das Pech haben sollte, öfters zu erkranken und der Arbeit deswegen fernbleiben zu müssen, riskiert recht schnell von der Betriebsleitung als Störfaktor betrachtet zu werden, dem es sich besser heute als morgen zu entledigen gilt. Was dies bedeutet, dürfte einem jeden klar sein. Seine Tage im Betrieb dürften fortan gezählt sein,… und sein Name nicht erst bei Restrukturierungen oder sonstigen Abbauplänen ganz oben auf den Abschusslisten zu finden sein.

Die logische Folge, die von Patronatsseite allerdings verschwiegen wird, ist, dass immer größere Teile des Salariats es sich heutzutage immer häufiger mindestens zweimal überlegen, bevor sie sich trotz Unwohlsein krankschreiben lassen. Zu groß ist die Angst, unangenehm aufzufallen, zu groß das Risiko, als »untauglich« oder als »überschüssig« abgestempelt zu werden, zu allgegenwärtig die Angst, gefeuert zu werden.

Verschweigen tut das Patronat auch, dass viele Erkrankungen »hausgemacht« sind. So rufen Personalmangel, zunehmende Flexibilisierung und Deregulierung der Arbeitszeitzeitorganisation, längere Arbeitszeiten, kürzere Ruhepausen und ständig schlechter werdende Arbeitsbedingungen bei vielen Arbeitern immer häufiger gesundheitliche Probleme hervor. Wissenschaftliche Studien, die dies belegen, verschwinden jedoch immer wieder schnurstracks in den Schubladen des Patronats.

Aufgrund der vielen Arbeitssuchenden hat der Druck auf die arbeitenden Menschen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Viele sind diesem nicht gewachsen. Psychische Erkrankungen sind vielfach die Folge. Und zwar in einem Ausmaß, dass heute der Großteil aller Krankschreibungen durch solche Erkrankungen verursacht wird.

Nicht selten führt deren Weg, entweder direkt oder über Umwege, in die Arbeitslosigkeit. Die einen als Opfer inakzeptabler Gesetze – erinnert sei daran, dass einerseits Invalidenrenten immer seltener gewährt werden, andererseits das Anrecht auf Krankengeld erlischt (und damit der Arbeitsvertrag gekündigt wird) wenn Erwerbstätige innerhalb einer Frist von zwei Jahren während 78 Wochen krankgeschrieben sind.
Anderen wird der Fußtritt, der sie ins soziale Abseits katapultiert, sogar noch früher versetzt, indem ihnen. von gefühlslosen und rücksichtslosen Betriebsverantwortlichen vorgeworfen wird zu oft krankgeschrieben zu sein, und eine weitere Zusammenarbeit somit ausgeschlossen sei.

Ein derartiger Umgang mit Schaffenden, die gesundheitlich nicht mehr fit sind und deshalb nicht mehr jederzeit und allerorts eingesetzt werden können, ist inakzeptabel.
Doch solange der Profit stimmt, zählt das Wohlergehen der Schaffenden nicht, oder?

gilbert simonelli

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek