Die angebliche Realität

Anne Rieger zum Thema 12-Stundentag

Vor ein paar Tagen erschien ein Artikel in der „Presse“ und anderswo mit dem Titel: „12-Stunden-Tag in fast jeder dritten Firma Realität“. Wie immer ist Vorsicht geboten, wenn Medien berichten. Deloitte, Universität Wien und Uni Graz veröffentlichten die Studie „Flexible Working Studie 2019“. Darin heißt es unter anderem: „30 Prozent der Unternehmen schöpfen die 2018 erweiterte gesetzliche Möglichkeit des 12-Stunden-Tages in der Gleitzeit aus“.

Was sind die Tatsachen?

214 (!) UnternehmensvertreterInnen haben an der Studie teilgenommen. Und von diesen 214 Unternehmen haben 20 Prozent den 12-Stunden – Tag in ihren Gleitzeitvereinbarungen bereits „ausgeschöpft“. Nach Statistik Austria gibt es 338.948 Unternehmen in Österreich. Ein verschwindend geringer Anteil der Unternehmen hat in den Gleitzeitvereinbarungen also den 12-Stunden-Tag vereinbart. Es sind auch nicht 30, sondern nur 20 Prozent. Die Studie berichtet, neun Prozent haben das noch vor.

Keine Panik

Es sind also keineswegs 30 Prozent aller Unternehmen, wie die „Die Presse“ suggeriert. Es sind höchstes 30 Prozent der 214 Unternehmen, in denen die Führungskräfte dieser Studie befragt wurden, ein geringer Bruchteil der 338.948 Unternehmen aktuell tatsächlich nur 20 Prozent dieser befragten Unternehmen, bei denen bereits eine derartige Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde bei weiteren neun Prozent haben die Unternehmen das noch vor, ob die Betriebsräte bzw. Beschäftigte mitmachen, weiß man nicht, denn über eine Befragung unter ihnen wird nicht berichtet.

Nicht dem veröffentlichten Druck nachgeben

Mit der gewählten Formulierung in der Veröffentlichung der „Presse“ soll Druck auf Beschäftigte und Betriebsräte aller Unternehmen ausgeübt werden nach dem Motto: So viele haben es schon gemacht, das ist ja fast normal, macht es also auch. Täuschen, bagatellisieren und popularisieren, um dann die Einkommen der Beschäftigten zu kürzen, denn bei Gleitzeit werden – je nach Vereinbarungstext – die Überstundenzuschläge in der Regel wegfallen.

Arbeitszeitverkürzung

Vereinbart keinen 12-Stunden-Arbeitstag! Eine Studie in 214 Unternehmen hat geringe Aussagekraft darüber, was sich in den übrigen 338.734 Unternehmen ereignet. Argumentiert, streitet, kämpft weiter für die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und vollem Personalausgleich für Euch, Eure KollegInnen, FreundInnen und Angehörigen – und im Interesse Eurer Gesundheit. Denn beinahe zeitgleich berichtete das WIFO über den alarmierenden Anstieg des Psychopharmaka-Konsums der Arbeitnehmer/-innen.

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB

Quelle:

Gewerkschaftlicher Linksblock (GLB)