Prinz Möchtegern auf Reisen

Rund 580 Millionen US-Dollar haben die USA – zumindest nach vorliegenden Angaben – seit 2017 dafür ausgegeben, den rechtmäßig, nach den Gepflogenheiten der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie gewählten Präsidenten Venezuelas zu stürzen. Die Summe dürfte in Wirklichkeit deutlich größer sein, denn sie bezieht sich nur auf Ausgaben zur Unterstützung der rechten Opposition und ihrer immer noch herumgeisternden Gallionsfigur namens Juan Guaidó. Ein beträchtliches Sümmchen dennoch, aber aus Washingtoner Sicht gut angelegt, denn schließlich geht es ja um nichts Geringeres als um die Durchsetzung von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten.

Ziemlich genau 489 Millionen Dollar brauchen die Hilfsorganisationen im südlichen Afrika, um die schlimmsten Folgen der Hungerkrise zu lindern. Davon haben sie bisher 205 Millionen erhalten. Unter diesen Umständen müssen Hilfsprogramme drastisch reduziert werden, Tausende Familien werden auf mindestens eine Mahlzeit am Tag verzichten müssen, Projekte zur Überwindung der Katastrophe vor Ort können nicht anlaufen. Um Schlimmeres zu verhindern, braucht es also noch 284 Millionen US-Dollar. Keine geringe Summe, aber sie wäre gut angelegt, denn es geht um nichts Geringeres als um die Rettung von Menschenleben, also letztlich um die Durchsetzung von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten.

Die Prioritäten der USA-Administration – und faktisch aller Regierungen der kapitalistischen Welt – sind hier eindeutig zu erkennen. Zudem ließen sich viele Beispiele für nutzlose oder sogar lebensgefährdende Verschwendung von Ressourcen anführen, wie etwa die Entwicklung immer neuer todbringender Waffen, umfangreiche Militärmanöver, sinnlose Konferenzen von Staats- und Regierungschefs… Aber kein Regime der Welt gibt so viele Mittel aus wie die USA-Regierung, wenn es darum geht, unliebsame Regierende in aller Welt zu beseitigen und eigene Marionetten zu installieren.

In Venezuela versucht man es nun doch noch einmal mit dem selbsternannten »Beauftragten Präsidenten« Juan Guaidó. Der hat seit seiner Selbstinthronisation vor einem Jahr zwar keines seiner deklarierten Ziele auch nur annähernd erreicht, so daß man ihn in Washington eigentlich schon abgeschrieben hatte, aber offenbar findet sich in der bunten Opposition in Caracas und Umgebung kein anderer Clown, der so tolle Grimassen schneiden und so fotogen über Zäune klettern kann wie Guaidó.

Da gegen ihn wegen mehrerer Strafanzeigen ein Reiseverbot ins Ausland verhängt wurde, kann er nur noch illegal über die Grenze verschwinden und dann unter dem Schutz von ausländischen Diplomaten wieder einreisen. In diesen Tagen ist er wieder einmal unterwegs, zuerst ins Nachbarland Kolumbien, wo er vom rechtslastigen und USA-hörigen Präsidenten mit militärischen Ehren empfangen wurde. In Bogotá traf er dann bei einer »Anti-Terror-Konferenz« den USA-Außenminister und andere Vasallen Washingtons, die ihm Mut zusprachen. In London ließ er sich am Dienstag von Außenminister Raab versichern, daß auch die Johnson-Regierung einen »friedlichen und demokratischen Machtwechsel« in Venezuela wünsche.

Ähnliches wiederholt sich dann am Mittwoch in Brüssel bei der EU-Kommission und am Donnerstag beim Treffen der Reichen, Mächtigen und Möchtegerns in Davos. Am Ende hat dann zumindest ein Venezolaner von den umfangreichen Sanktionen der USA und der EU profitiert: der Möchtegern-Präsident von Washingtons und Brüssels Gnaden.

Uli Brockmeyer

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek