Hamster und Panik auf allen Kanälen

Mitte Januar in einem Imbiß im Zentrum von Rom: Während Bauarbeiter ihren Kaffee trinken und eine Handvoll Touristen sich mit ihren Pizzen beschäftigt, flimmert über die Mattscheibe eine reißerische Doku auf einem Privatsender über das »chinesische Syndrom«, wie es in fetten Lettern zu lesen ist. Kaum jemand im Raum nimmt Notiz.

Nur wenige Wochen später hat das »neue Coronavirus«, auch »Covid-19« nach seinem Entdeckungsjahr genannt, Italien erreicht und breitet sich weiter über den Erdball aus. Neben reißerischen clickbait-Beiträgen in Online-Medien macht auch die Unsicherheit von offiziellen Stellen die Leute nervös. Es wird begonnen, Mundschutz und Desinfektionsmittel zu hamstern und zu horten, obwohl beides nachweislich nicht in der Lage ist, eine Infektion mit dem Virus zu verhindern. Das schert panische Zeitgenossen, die sich womöglich diverse Netflix-Seuchen- und Zombieserien angesehen haben und auf Basis dieser »Erfahrung« nun handeln, herzlich wenig.

Bald haben Ärzte und Kliniken Probleme, an diese Dinge heranzukommen, was mit Blick auf Operationen wirklich dramatisch werden kann.

Auch der Einzelhandel bleibt nicht von den »Preppern« verschont, wie Personen genannt werden, die sich, angetrieben von einschlägigen Endzeitforen im Internet, auf den Tag X vorbereiten. Die härtesten Fälle unter ihnen bunkern Waffen und Goldtäfelchen sowie tonnenweise Astronautenfutter. Offenbar haben es die Covid-Fanatiker allerdings lediglich auf Klopapier und Konserven abgesehen, den Einzelhandel freut der Umsatz. Dabei ist zu keinem Zeitpunkt die Lieferkette unterbrochen, obwohl leere Regale darauf hindeuten könnten. Denn Hamsterkäufe und daraus resultierend leere Regale rufen verstärkte Hamsterkäufe hervor: Eine Spirale entsteht.

Schulen und Kindergärten werden in Italien geschlossen, während die Schweiz alle Fußballspiele bis Anfang April abgesagt hat. Hierzulande, wie auch in Deutschland, werden solche Schritte bisher nur diskutiert. Deutlich wird aber, daß das Gesundheitssystem und die Medikamentenlieferketten aus Fernost auf tönernen Füßen stehen. Während Medikamentenproduktionen systematisch nach Asien ausgelagert wurden, krankt das Gesundheitssystem an Personalmangel und schlechten Arbeitsbedingungen.

Dabei ist es im Fall Covid-19 nicht, wie es scheint: Die Zahl der Genesenen übersteigt mittlerweile jene, der Erkrankten und eine deutliche Gefahr besteht ausschließlich für Menschen mit Vorerkrankungen, Kleinkinder und Senioren. Für alle Menschen, die ein schwaches Immunsystem haben. Diese Leute zu schützen ist richtig, denn es gab in dieser Gruppe bisher die meisten Todesfälle. Für den großen Rest reicht es, in Erinnerung zu rufen, was ohnehin alltäglich sein sollte: Hände waschen, und zwar gründlich! Husten und Niesen nicht offen, sondern in ein Taschentuch oder die Armbeuge. Das wirklich erschreckende ist an der ganzen Hysterie tatsächlich, daß man erwachsene Menschen dazu aufrufen muß. Körperhygiene ist eine win-win-Situation für alle Beteiligten.

Schwierig ist allerdings der aktuelle Aufruf, bei Krankheit zuhause zu bleiben. Das Patronat predigt dauernd den Präsentismus. Wer schniefend und hustend ins Büro kommt, wird gelobt, wer sich krank meldet, wird als potentieller Simulant geschnitten. Auf dieser Wertebasis der täglichen Hetze gegen den sogenannten »Absentismus« ist es schwierig, plötzlich zu sagen: Ich fühle mich nicht gut und bleibe zu meinem und dem Schutz der Kollegen daheim.

Bei den allermeisten Menschen verläuft Covid-19 wie eine leichte Erkältung oder zeigt gar keine Symptome. Es wäre also schön, wenn wieder Sachlichkeit einkehrt.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek