Wer wird die Zeche bezahlen?

»Wer schnell hilft, hilft doppelt« ist ein altes Sprichwort, das sich bei Krisen immer wieder bewährt hat, das aber irgendwie aus der Mode gekommen scheint, zumindest wenn man sich einzelne Maßnahmen ansieht, mit denen die Regierung vorgab, die Krise bewältigen zu wollen.

Deutlich wurde das bereits zu Beginn der Krise, als die Ministerinnen und Minister mit den hohen Einkommen entschieden, dass die Lohnabhängigen für Kurzarbeit nur 80 Prozent ihres bisherigen Lohnes bekommen sollten. Einzige Einschränkung: der Kurzarbeiterlohn dürfe nicht niedriger ausfallen als der gesetzliche Mindestlohn.

Das hatte zur Folge, dass die Kaufkraft von Zehntausenden von Lohnabhängigen mit einem Schlag um knapp ein Fünftel zurückging, ihre Mieten und Lebenshaltungskosten aber gleich blieben. Wäre der Regierung ein Zacken aus der Krone gefallen, wenn sie beschlossen hätte, dass bei Kurzarbeit 100 statt 80 Prozent des Lohnes bezahlt würde, wie das die Gewerkschaften und die KPL fordern?

Die Krämermentalität der Regierenden kam auch im Umgang mit den Freischaffenden und kleinen Geschäfts-, Restaurant- und Kneipeninhabern zum Ausdruck, von denen viele lange Zeit im Regen stehen gelassen wurden. Welch ein Gegensatz zu 2018, als die Profite der Banken in einer einzigen Nacht mit Milliarden öffentlichen Geldern gerettet wurden!

Diese Geringschätzung der Schaffenden und ihrer Lebensumstände kommt auch in der Haltung zu den Organisationen der Lohnabhängigen, und in erster Linie den Gewerkschaften zum Ausdruck, welche die Regierung links liegen ließ.
Erst als dem OGBL, dem LCGB und der CGFP der Kragen zu platzen drohte, erklärte der Premierminister sich gnädig bereit, ihre Vertreter zu einem Treffen zu empfangen, um ihnen wenig Konkretes aufzutischen.

Die Einberufung einer Sitzung zwischen Regierung, Patronat und Gewerkschaften, in der es zur Sache hätte gehen können, lehnte der Premierminister aber ab – auch mit der Begründung, man befinde sich in einer Gesundheitskrise, die Tripartite sei aber ein Instrument für Wirtschaftskrisen.

Diese Unterscheidung ist mehr als lächerlich, denn der Konjunkturabschwung, der bereits ein halbes Jahr vor der Gesundheitskrise einsetzte, war ein Wetterleuchten, welches die aufziehende Wirtschaftskrise ankündigte, die inzwischen das Risiko in sich trägt, in ihrem Ausmaß sämtliche Krisen der vergangenen 75 Jahre in den Schatten zu stellen.

Es liegt uns fern, die Krise mit einer Krankheit zu vergleichen, denn Krisen gehören zum Kapitalismus wie Blitz und Donner zum Gewitter, sie sind Teil seiner Erbsubstanz, und der neoliberale Turbokapitalismus und dessen Globalisierung dienen als Krisenbeschleuniger in sämtlichen Gesellschaftsbereichen, auch im Bereich des Gesundheitswesens, das – wie viele andere Bereiche – während des vergangenen Jahrzehnts Opfer einer Sparpolitik wurde, welche dazu beitragen sollte, die Umverteilung zugunsten des Groß- und Finanzkapitals zu beschleunigen.

Luxemburg ist da keine Insel, und der Abbau von Krankenhausbetten, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die wachsende Armut und die Wohnungsnot sind nur verschiedene Seiten derselben Medaille.

Vordergründig muss es jetzt natürlich darum gehen, zu verhindern, dass die Lohnabhängigen die Zeche für die Krise bezahlen und die Verlierer der nächsten Jahre sein werden. Aber die Krise sollte auch als Chance begriffen werden, Bewußtsein für einen Systemwechsel zu schaffen – weg von der kapitalistischen Ellenbogengesellschaft, hin zu einer sozialgerechten und demokratischen Alternative.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek