Der Ausweg aus der Krise heißt Aufbruch, nicht Rückkehr

Im Konjunktur-Flash des statistischen Amtes von Juni 2020 kann man lesen, die Einführung des kostenlosen öffentlichen Transports und der Rückgang der Erdölpreise habe den Preisindex stark abgebremst. Vor 2022 sei nicht mit einer Indextranche zu rechnen.

Für die Lohnabhängigen, die nicht auf kollektivvertraglich geregelte Verbesserungen hoffen können, und insbesondere für die Zehntausenden von Schaffenden, die zur Kurzarbeit gezwungen wurden und auf 20 Prozent ihres Einkommens verzichten mussten, ist das keine gute Nachricht. Denn inzwischen stiegen die Preise für frisches Obst und Gemüse teilweise in schwindelerregende Höhe, so dass wieder öfter auf billigere Konserven zurückgegriffen wird.

Wie heftig der Rückgang der Einkommen die Lohnabhängigen traf, wird allein daran ersichtlich, dass ihnen zwischen dem 16. März und dem 25. Mai dieses Jahres ganze 250 Millionen Euro an Lohn vorenthalten wurden. Das ist gewaltig und im Ausmaß mit der Indexmanipulation aus dem Jahr 2012 zu vergleichen.

Damals sparten die Unternehmen innerhalb eines Jahres 225 Millionen Euro infolge der Indexmanipulation ein, der Staat weitere 50 Millionen Euro. Das Kapital und der Staat waren die Gewinner, die Lohnabhängigen und Rentner die Verlierer.

Und heute? Den Lohnabhängigen wurde eine Lohnmasse von 250 Millionen Euro vorenthalten, für die Unternehmer aus der Privatwirtschaft dürften die durchschnittlichen Lohnkosten in diesem Jahr hingegen um 8 Prozent zurückgehen, während der Staat sich zusätzlich verschuldete und innerhalb kurzer Zeit rund 1,5 Milliarden Euro ausgab, um die wirtschaftlichen Strukturen vor größeren Erschütterungen zu bewahren. Die Hilfen wurden so angelegt, dass selbst Betriebe, die einen Teil ihrer Beschäftigten entlassen wollen, sie noch in Anspruch nehmen können.

Die Lohnabhängigen sind gleich in mehrerer Hinsicht die Gelackmeierten: Zehntausende mussten infolge der Kurzarbeit Lohneinbußen hinnehmen, ihre Steuergelder müssen herhalten, um Teile des Kapitals zu subventionieren, und ein zusätzlicher Teil der Schaffenden wird in die Arbeitslosigkeit entlassen.
Noch ist nicht gewußt, wie lange diese Krise anhalten wird, und wer für die zusätzlichen Milliarden Staatsschulden den Kopf hinhalten muss.

Abzusehen ist hingegen, dass seitens der Regierung und des Kapitals die Absicht besteht, die Krise zu nutzen, um verstärkt umzuverteilen und in der Arbeitswelt Veränderungen vorzunehmen, welche zu Gunsten des Kapitals und zu Lasten der Schaffenden gehen werden – zum Beispiel über eine weitere Deregulierung der Arbeitsverhältnisse im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der Tele-Arbeit.
Angesichts dieser komplizierten Entwicklung hat die KPL zwei Vorschläge unterbreitet, die von Bedeutung sind, weshalb sie von den staatstragenden Medien auch weitgehend unterschlagen wurden.

Der erste Vorschlag ist eine Aufforderung an die Schaffenden und ihre Gewerkschaften, solidarisch und unter allen Umständen zu verhindern, dass die negativen Auswirkungen der Krise wieder einmal auf die Lohnabhängigen und Rentner abgewälzt werden.

Der zweite regt zu kollektiven Überlegungen darüber an, welche grundsätzlichen systemischen Lösungen notwendig sind, um zu erreichen, »dass die Wohnungen denen gehören, die darin wohnen und die Betriebe denen, die darin arbeiten, und dass egoistische Profitinteressen und Ellenbogenmentalität durch soziale Gerechtigkeit und echte Solidarität ersetzt werden«.

Das wäre dann keine Rückkehr zur kapitalistischen Normalität, sondern ein Aufbruch in eine gerechtere Welt.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek