An der Reichensteuer auf große Vermögen scheiden sich die Geister

»Erbschafts- und Vermögenssteuern stehen nicht im Koalitionsabkommen, ich habe nicht vor, sie einzuführen«.

Diese kategorische Aussage machte Premierminister Bettel diese Woche gegenüber dem »Luxemburger Wort« und fügte hinzu: »Jetzt Steuern zu erhöhen, ist Gift«.

Für die Koalitionspartner der DP, die gerne mal theoretisch über eine Erbschaftssteuer und eine höhere Vermögenssteuer plaudern, um sich Gerechtigkeitssinn bescheinigen zu lassen, wovon in ihrer praktischen Politik aber keine Spurenelemente zu finden sind, ist das ein Wink mit dem Zaunpfahl. LSAP und Grüne dürfen zwar bellen, aber die Regierungskarawane wird unbeeindruckt weiterziehen.

Ganz allgemein heißt die Aussage des Premierministers aber auch, dass er nichts an dem bestehenden, ungerechten Steuersystem ändern will, und dass weiter die mit den breiten Schultern weniger Steuern bezahlen sollen als die mit den schmalen Schultern.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass es im Steuersystem viele kleinere und größere Ungerechtigkeiten gibt, wozu auch zählt, dass die Besserverdienenden im Vergleich zu Klein- und Mittelverdienern weniger Steuern bezahlen, auch weil der Höchstsatz der Einkommenssteuer, der systematisch gesenkt wurde, viel zu niedrig ist.

Die größte Ungerechtigkeit besteht aber darin, dass Kapitaleinkünfte deutlich weniger besteuert werden als Einkünfte aus der Lohnarbeit. Ein Beispiel: Ein Lohnabhängiger mit einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von 50.000 Euro muss insgesamt 9.743 Euro an Steuern bezahlen, während für Kapitaleinkünfte in gleicher Höhe nur 2.007 Euro an den Fiskus gehen.

Ganz krass ist natürlich, dass die sogenannten »Fonds d’investissement spécialisés« noch immer nur ganze 0,01 Prozent »taxe d’abonnement« auf ihrem Nettovermögen bezahlen. Hinzu kommt, dass es so viele Schlupflöcher gibt, dass die wenigsten Unternehmen die vollen Kapitalsteuern bezahlen, und die Konzerne, denen während der vergangenen Jahre dank steuerrechtlichen Vorbescheiden Hunderte Milliarden an Steuergeschenken gemacht wurden, erst recht nicht.

Um das Steuersystem im Sinne der sozialen Gerechtigkeit vom Kopf auf die Füße zu stellen, wären grundlegende Veränderungen notwendig, in erster Linie eine massive Erhöhung der Kapitalsteuern für Konzerne, der »taxe d’abonnement« für Banken und alle möglichen Finanzgesellschaften, eine höhere Besteuerung von Aktien und anderen Kapitaleinkünften und eine Spekulationssteuer auf großen Grundbesitz, aber auch die Einführung einer Reichensteuer auf große Vermögen und große Erbschaften, was weder die Arbeiterklasse noch die lohnabhängigen Mittelschichten treffen würde, aber für eine Umverteilung zugunsten der Schaffenden genutzt werden könnte.

Wie das auf politischer Ebene umgesetzt werden kann? Jedenfalls nicht unter den gegebenen Umständen, es sei denn die Kommunistische Partei, die als einzige eine deutlich höhere Besteuerung des Groß- und Finanzkapitals, der Spekulanten und der Reichen fordert, wird massiv gestärkt, so dass auch Vergesellschaftungen möglich sein werden.

Das aber wollen weder die Konzerne und Finanzgruppen noch die Reichen, weshalb sie alles tun, um den Lohnabhängigen weiterhin ihre Ideologie einzuimpfen und die bestehenden wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zu erhalten. Dazu gehört, die Verbreitung aller Ideen, welche die Herrschaft des Kapitals in Frage stellen, zu verhindern und die Kommunisten klein zu halten.

Eigentlich ist das nicht im Interesse der großen Mehrheit der Lohnabhängigen, vorausgesetzt, sie erkennen das.

Ali Ruckert

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek