Mehr Geld für Euch ist gut für uns alle!

In seinem vergangene Woche veröffentlichten Bericht zu »Arbeit und sozialem Zusammenhalt« geht der Statec ausführlich auf die von ihm so genannten »Frontline Workers« ein, die in der Coronakrise »an vorderster Front« dafür sorgen, daß wir mit dem Nötigsten versorgt werden und sicher leben können – also dafür, daß das gesellschaftliche Leben weitergeht und zumindest die essentiellen Bereiche am Laufen gehalten werden.

Auf 150.000 Menschen oder ein Drittel der in Luxemburg arbeitenden Lohnabhängigen schätzt das nationale Statistikamt ihre Zahl. Sie versorgen die Patienten in den Krankenhäusern, die Senioren in den Pflegeeinrichtungen und die Jüngsten in den Krippen. Sie unterrichten die Kinder in den Schulen und füllen die Regale in den Supermärkten. Sie entladen Lkw und waschen die Bettwäsche aus Hotels. Sie halten die Fabriken am Laufen und löschen Brände, reinigen die Büros und ernten die Felder und Weinberge ab. Sie bedienen in Cafes und Restaurants, liefern Pakete bis an die Haustür, zerlegen Tiere im Schlachthaus oder holen den Müll ab.

Kurzum: Ohne diese Männer und Frauen könnten wir nicht überleben – und zwar nicht nur in Zeiten einer Pandemie, in denen diese Tatsache für jeden deutlich wird. Wir hätten kein Essen, bekämen keine Pflege, wären nicht sicher. Während die »Frontline Workers« an jedem Arbeitstag gezwungen sind, sich verstärkt dem Virus auszusetzen, liefern sie den Beweis für die gähnende Kluft zwischen der Bewertung ihrer Arbeit auf dem kapitalistischen Markt und dem sozialen Wert ihres Schaffens für die Gesellschaft.

»Frontline Workers« sind also unverzichtbar, werden aber dennoch im Durchschnitt (!) mit nur 93 Prozent des luxemburgischen Durchschnittsgehalts entlohnt, sie arbeiten öfter unfreiwillig in Teilzeit und sie haben überdurchschnittlich oft nur einen befristeten Arbeitsvertrag.

Auch wenn Daten aus anderen Ländern nur bedingt aussagekräftig sind, so hat eine Coronastudie der Universität Antwerpen, für die 80.000 Menschen befragt wurden, ergeben, daß rund die Hälfte der Infektionen wahrscheinlich während der Arbeit erfolgte – zum Teil, weil die Schutzausrüstungen unzureichend waren, zum Teil aber auch, weil es in vielen Sektoren unmöglich ist, anderthalb Meter Abstand zu halten.
Während der Statec dieser wichtigen Frage in seiner Studie über »Die Arbeitswelt im Wandel« leider nicht nachgegangen ist, hat das britische Statistikamt herausgefunden, daß »Frontline Workers«, vor allem wenn sie in direktem Kontakt zu Kollegen, Kunden, Patienten, etc. stehen, einem höheren Risiko ausgesetzt sind, an COVID-19 zu sterben.

Die meisten COVID-19-Toten fanden britische Forscher bei Sicherheitsleuten, Taxi- und Busfahrern, Vorarbeitern, beim Verkaufs- und Geschäftspersonal, bei Bauarbeitern und in Serviceberufen, wie z.B. Lieferanten sowie Küchen- und Cateringmitarbeitern und Kellnern. »Das sind genau die Berufe, die oft am schlechtesten bezahlt werden, mit den schwierigsten Arbeitsbedingungen und in prekären Anstellungen«, schreiben die britischen Wissenschaftler.

Für die Schaffenden insgesamt ist in diesen Zeiten besonders wichtig, daß sie sich nicht spalten lassen. In einer Solidaritätsbotschaft an streikende Staats- und Gemeindebeamte haben deutsche Kommunisten dieser Tage kurz und knapp auf den Punkt gebracht, was auch die in Luxemburg Schaffenden ihren Kolleginnen und Kollegen »Frontline Workers« zurufen sollten: »Mehr Geld für Euch ist gut für uns alle!«

Oliver Wagner

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek