Vor 70 Jahren: Polizeimord an Philipp Müller

Philipp Müller, geboren am 5. April 1931, wurde nur 21 Jahre alt: Am 11. Mai 1952 wurde er in Essen von Polizisten erschossen. Bis dahin hatte er eine Schlosserlehre absolviert und arbeitete in der Eisenbahnwerkstätte Aubing seiner Heimatstadt München. Auch politisch war der junge Arbeiter bereits gefestigt: Seit 1948 war er Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ), 1950 trat er der Kommunistischen Partei (KPD) bei. Mit seinem gewaltsamen Tod hinterließ er zudem seine Ehefrau Ortrud und ihren gemeinsamen Sohn Joachim, der noch keine fünf Monate alt war.

Philipp Müller war das erste Opfer, das in der – damals noch recht kurzen – Geschichte der BRD von der Polizei in Rahmen einer Demonstration erschossen wurde. Die westimperialistischen Staaten und das Adenauer-Regime planten gerade die Wiederbewaffnung der BRD sowie deren Anbindung an die NATO. Am 11. Mai 1952 wollten verschiedene Jugendorganisationen – christliche ebenso wie linke – und Gewerkschafter dagegen protestieren und riefen zur friedenspolitischen „Jugendkarawane“ in Essen auf. Der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen untersagte die Kundgebung willkürlich, trotzdem versammelten sich 30.000 Menschen in der Stadt.

Vor der Grugahalle erhielt die Polizei Schießbefehl: Die Friedensdemonstration sollte mit tödlicher Gewalt aufgelöst werden. Philipp Müller wurde von zwei Kugeln in den Rücken getroffen, eine traf das Herz – der Münchner Jungkommunist hatte keine Überlebenschance. Zwei weitere Demoteilnehmer, der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus Münster und der Gewerkschafter Albert Bretthauer aus Kassel, wurden durch Schüsse schwer verletzt, überlebten jedoch.

Der BRD-Unrechtsstaat hatte damit klar gezeigt, in welcher realen Kontinuität er stand und steht: Der grundlose Polizeimord an einem Demonstranten bei einer Friedenskundgebung gegen die Wiederbewaffnung spricht eine eindeutige Sprache, nämlich die der bürgerlich-kapitalistischen Reaktion und ihrer autoritären Staatsauffassung, der antidemokratischen Repression und des Militarismus. Dass ausgerechnet ein Kommunist das erste Todesopfer – und freilich nicht das letzte – des bewaffneten BRD-Gewaltapparates wurde, war ein Zufall, kam den Herrschenden jedoch zu pass. Nachdem die FDJ in der BRD bereits im Juni 1951 illegalisiert worden war, wurde die Kommunistenverfolgung fortgesetzt: 1956 erfolgte das bis heute gültige KPD-Verbot.

Ein Unrechtsbewusstsein gab und gibt es nicht: NRW-Ministerpräsident Arnold rechtfertigte den Polizeiangriff auf die Kundgebung mit scharfer Munition als notwendig. Im Oktober 1952 stufte das Landgericht Dortmund die Polizeischüsse von Essen als „Notwehr“ ein. Dieses Skandalurteil wurde durchgezogen, obwohl der angebliche Schusswaffengebrauch seitens der Demonstranten natürlich nicht zu beweisen war. Trotzdem wurden von den dutzenden Jugendlichen, die am 11. Mai 1952 in Essen verhaftet worden waren, elf zu Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt.

Zu Philipp Müllers Begräbnis am Neuaubinger Friedhof in München erschienen rund 3.000 Menschen, um ihm die Ehre zu erweisen. Darüber hinaus wurde er v.a. in der DDR auf vielfache Weise gewürdigt, durch literarische und musikalische Werke, durch die Benennung von Einrichtungen, Schulen, Betrieben und Straßen. Das BRD-Regime hat nach der Annexion der DDR die meisten nach Philipp Müller benannten Straßen im Osten wieder umbenannt. Auch 70 Jahre nach dem tödlichen Angriff auf die Essener Demonstration will das BRD-Unterdrückungsregime nicht an sein erstes Mordopfer erinnert werden. Doch Philipp Müller ist und bleibt unvergessen.

 

Quelle: Zeitung der Arbeit