Katastrophale Lage für afghanische Flüchtlinge in Pakistan – Bundesregierung muss ihrer Verantwortung nachkommen

Aktuell droht in Pakistan weit mehr als einer Million afghanischer Flüchtlinge die Abschiebung zurück nach Afghanistan. Dort befürchten sie, von den Taliban verfolgt, verhaftet und getötet zu werden. PRO ASYL fordert die Bundesregierung auf, die besonders bedrohten Afghaninnen und Afghanen wie versprochen aufzunehmen und dringend Maßnahmen zur Beschleunigung der Verfahren einzuleiten.

In den letzten Tagen hat die pakistanische Polizei begonnen, Menschen in Zwangsausreisezentren zu inhaftieren und abzuschieben. Mit der Abschiebungsoffensive sollen laut pakistanischer Regierung bis zu 1,7 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsstatus außer Landes gebracht werden. Mehr als 140.000 Afghan*innen wurden bereits seit Ende Oktober in die Hände der Taliban abgeschoben.

Dr. Alema, Afghanistan-Referentin bei PRO ASYL, kritisiert: „Viele Menschen mussten für die Aufnahmeverfahren Deutschlands und anderer Länder nach Pakistan fliehen. Dort waren sie nie sicher, nun hat sich ihre Lage noch verschärft. Die Betroffenen sowie die pakistanische Regierung haben sich darauf eingestellt, dass es sich um kurzfristige Aufenthalte handelt, um die Visaverfahren durchzuführen. Das Auswärtige Amt muss endlich dafür Sorge tragen, sie schnell rauszuholen. Jeder Tag des Wartens kostet Menschenleben.“

Afghan*innen mit Aufnahmezusagen nach Deutschland

PRO ASYL steht mit bedrohten Menschenrechts- und Frauenaktivist*innen, Journalist*innen und ehemaligen afghanischen Regierungsvertreter*innen in Kontakt. Einige von ihnen haben Aufnahmezusagen für Deutschland erhalten oder in Aussicht gestellt bekommen. Mangels deutscher Auslandvertretung in Afghanistan müssen sie nach Pakistan fahren, um bei der dortigen deutschen Botschaft die Sicherheitsprüfungen und Visaverfahren durchzuführen. Viele von ihnen sitzen seit einem Jahr oder länger fest und verzweifeln an der deutschen Bürokratie. Mit der Abschiebungsoffensive geraten sie weiter unter Druck, denn es ist nicht sicher, wie lange die pakistanische Regierung Menschen mit Aufnahmezusagen anderer Länder von der Abschiebung ausnimmt.

Frau M. ist eine davon; seit März 2022 steht PRO ASYL mit ihr in Kontakt. Als Frauenaktivistin erhielt sie im Januar 2023 eine Aufnahmezusage nach Deutschland und sitzt seitdem mit ihrer Familie in Pakistan fest. Ihre Kinder haben seit Jahren keine Schule gesehen, erst wegen der coronabedingten Schulschließungen in Afghanistan und nun wegen der eingeschränkten Rechte als Flüchtlinge in Pakistan. Um die Visumsverlängerungen für alle Familienmitglieder zu bezahlen, musste sie mittlerweile ihre Wertgegenstände verkaufen. Das Geld geht ihnen aus und die Angst vor einer Abschiebung nach Afghanistan wächst.

Die Sorgen sind berechtigt. Betroffene berichten PRO ASYL, dass sie bei Polizeikontrollen erpresst werden, Schmiergeld zu zahlen, weil man ihnen sonst ihre pakistanischen Visa zerreißen würde, die nur in Papierform ausgestellt werden. Auch wurden bereits Menschen mit gültigen pakistanischen Aufenthaltspapieren in die eingerichteten Abschiebezentren gebracht. In den Vororten von Islamabad und anderswo werden hunderte Gebäude, die von den Behörden als illegale Häuser von Afghan*innen bezeichnet werden, abgerissen.

Pro Asyl appelliert an die Bundesregierung:

  • Über 14.000 Afghan*innen haben eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten und sitzen wegen schleppender Visaverfahren und Sicherheitsprüfungen in Afghanistan, Pakistan und Iran fest – viele schon seit einem Jahr oder länger. Hierfür müssen dringend Personal aufgestockt und die Verwaltungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden.
  • Das im Oktober 2022 gestartete Bundesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Personen muss dringend beschleunigt werden. Aufgrund komplizierter bürokratischer Verfahren und schleppender Sicherheitsüberprüfungen in der deutschen Botschaft in Pakistan sind bisher nur 14 Personen nach Deutschland eingereist. Über 600 Personen haben bisher eine Zusage erhalten, angekündigt waren 1.000 im Monat.
  • Die Prüfung besonders dringlicher Einzelfälle durch die Erteilung humanitärer Visa (nach § 22 S. 2 AufenthG) zur Aufnahme von afghanischen Menschenrechtsverteidiger*innen, Medien- und Kulturschaffenden, Frauenrechtler*innen und anderen besonders gefährdeten Personen muss fortgeführt werden.
  • Der Familiennachzug muss beschleunigt werden. Allein für die Antragsstellung müssen Berechtigte bei den Botschaften in Islamabad und Teheran über zwei Jahre auf einen Termin warten, dann nochmal Monate auf die Visumserteilung. Es braucht bei den Botschaften digitale Antragstellungsmöglichkeiten und eine Ausweitung der Zuständigkeit für Familiennachzugsvisa auf weitere Auslandsvertretungen.
  • Die im Koalitionsvertrag festgelegte Reformierung des Ortskräfteverfahrens muss umgesetzt werden. Dazu gehört: den Begriff der Ortskraft auf alle bezahlten und ehrenamtlichen Tätigkeiten für deutsche Institutionen, Organisationen und Unternehmen sowie Subunternehmen auszuweiten; nicht nur die Kernfamilie, sondern alle durch die Ortkrafttätigkeit gefährdeten Personen des Haushaltes und der Familie aufzunehmen; sowie auch Ortskräfte, die vor 2013 tätig waren, zu retten, da die Taliban keinen Unterschied nach Vertragsbeginn machen.

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Quelle: Pro Asyl