Keine Abschiebungen in den Iran! PRO ASYL und der Hessische Flüchtlingsrat fordern sofortige Erneuerung des Abschiebestopps

Am Frankfurter Flughafen ist derzeit ein Iraner nach einem Flughafenasylverfahren akut von Abschiebung bedroht. Nach dem Auslaufen des Abschiebestopps Ende 2023 wird die Gefahr der Abschiebungen in den Iran konkret – trotz der dortigen katastrophalen Menschenrechtslage.

„Es ist ein Skandal, dass die Innenministerkonferenz trotz der Hinrichtungswellen im Iran und der anhaltenden massiven Menschenrechtsverletzungen den Abschiebestopp in das Land nicht verlängert hat. Deutschland kann Abgeschobenen nicht garantieren, im Iran nicht willkürlich inhaftiert oder in Haft gefoltert zu werden – und darf deswegen auch keine Abschiebungen durchführen. Diese drohen aber nun, am Frankfurter Flughafen hat aktuell ein iranischer Mann große Angst vor seiner Rückführung“, sagt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Nach Schnellverfahren droht Rückführung nach Teheran

Der iranische Staatsangehörige ist im Januar 2024 per Flugzeug aus Indien am Frankfurter Flughafen angekommen.* Im am Flughafen vorgesehenen Asylschnellverfahren wurde sein Asylantrag nach dem dort gängigen Vorgehen innerhalb von zwei Tagen als angeblich „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt und ihm die Einreise verweigert. Aktuell wird von der Bundespolizei eine Zurückweisung in den Iran oder nach Indien (als Abflugland) vorbereitet.

Das Flughafenasylverfahren ist ein verkürztes Schnellverfahren, welches seit seiner Einführung vor 30 Jahren immer wieder von Menschenrechtsorganisationen kritisiert wird. „Wir haben uns schon seit jeher grundsätzlich gegen das Schnellverfahren am Flughafen ausgesprochen und sehen immer wieder Ablehnungen als „offensichtlich unbegründet“, die so im normalen Asylverfahren nie ergehen würden. Gerade bei Schutzsuchenden aus Ländern wie dem Iran ist es völlig unverantwortlich zu behaupten, dass ‚offensichtlich‘ keine Asylgründe vorlägen“, erklärt Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates.

Versagen an allen Ecken: Vom Auswärtigen Amt zum BAMF und zur Innenministerkonferenz

In der in dem Fall ergangenen Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird in der Beurteilung der Situation im Iran allein auf Quellen aus 2022 abgestellt bzw. auf Quellen, die sich auf Ereignisse im Jahr 2022 beziehen. Auch der „aktuellste“ Lagebericht des Auswärtigen Amtes, der für die Entscheidungen herangezogen wird, ist vom November 2022 und bildet somit nicht die Entwicklungen im Jahr 2023 seit dem Beginn der Proteste ab (siehe hierzu auch weiter unten).

„Es ist auch ein Versagen des Auswärtigen Amts, dass aktuell wieder Abschiebungen von Iranern vorbereitet werden. Es hilft den iranischen Menschen in Deutschland, die Angst vor einer zwangsweisen Rückführung haben, nicht, wenn Außenministerin Baerbock zwar öffentlich die ‚Brutalität des Regimes‘ anprangert, ihr Ministerium es aber seit über einem Jahr nicht schafft, den für Asylverfahren und Abschiebungen entscheidenden Lagebericht zu aktualisieren“, kritisiert Judith.

PRO ASYL und der Hessische Flüchtlingsrat fordern, dass die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Iran in den Asylverfahren stärker berücksichtigt werden. Es kann nicht sein, dass unter anderem die starke Zunahme von Hinrichtungen und die generelle Willkür der staatlichen Repressionen nicht auf Basis aktueller Quellen berücksichtigt werden. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes muss dringend aktualisiert werden und die Bundesländer müssen in Absprache mit dem Bundesministerium den Abschiebestopp erneuern. Die Organisationen appellieren zudem an Bundesinnenministerin Nancy Faeser, konsequent für die Einreise schutzsuchender Iraner*innen einzutreten.

Abschiebungen aus Hessen in den Iran – aktuelle Position ist unklar

Die letzten bekannten Rückführungen in den Iran erfolgten im März 2023 (siehe hier und hier), ebenfalls nach Flughafenverfahren in Frankfurt. Seit dem öffentlich bekannt werden der Fälle durften iranische Schutzsuchende nach Ankunft am Flughafen in das Bundesgebiet einreisen, um ihr Schutzgesuch im normalen Asylverfahren prüfen zu lassen. Dies scheint sich nun geändert zu haben. Da Personen im Flughafenverfahren als „nicht eingereist“ gelten, handelt es sich rechtlich um eine Zurückweisung und nicht um eine Abschiebung. Die Konsequenz für die betroffene Person ist die gleiche: Sie wird von Deutschland dem iranischen Ayatollah-Regime ausgeliefert.

Hessen hat sich nach Antritt des neuen Innenministers noch nicht geäußert, wie es weiter mit Abschiebungen in den Iran verfahren wird. Der Landtag hatte sich in einer mit breiter Mehrheit verabschiedeten Resolution im Oktober 2022 gegen Abschiebungen in den Iran ausgesprochen. „Wir appellieren an die Fraktionen im Hessischen Landtag, die Resolution zu erneuern und dafür zu sorgen, dass aus Hessen auch weiterhin keine Menschen in den Iran abgeschoben werden“, erklärt Scherenberg.

Hintergrund zur Relevanz der Lageberichte und zur Lage im Iran

Die Berichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in einem Land sind eine entscheidende Quelle für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie für Gerichte, wenn sie über Asylanträge entscheiden. Auch sind diese Lageberichte in der Regel Grundlage für die Innenminister*innen, wenn sie entscheiden, ob ein Abschiebestopp für Länder verhängt oder verlängert wird. Zum Beispiel verlangte die Innenministerkonferenz für das Land Syrien halbjährliche Aktualisierungen des Lageberichts, um über den Abschiebungsstopp zu entscheiden. Für den Iran gibt es nur einen Bericht aus November 2022, also kurz nach Beginn der Proteste.

Die Lage im Iran ist seit dem Tod von Jina Mahsa Amini und den darauf folgenden Protesten im Land bis heute von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen geprägt, darunter willkürliche Verhaftungen, grausame Folter in den Gefängnissen und Hinrichtungen. Der iranische Staat reagierte auf die Proteste ausschließlich mit Repressionen und Menschenrechtsverletzungen. So wurden weitreichende drastische Gesetzesverschärfungen eingeführt, um die Verschleierungspflicht durchzusetzen. Erst gestern wurden weitere vier Männer hingerichtet. Nach der Menschenrechtsorganisation Hengaw sind im Jahr 2023 mindestens 829 Personen hingerichtet worden (im Jahr 2022 waren es 582 Personen), im Jahr 2024 laut Iran Human Rights bereits allein in dem Monat Januar 67 Personen. Auch gehen die Behörden verstärkt gegen die Familien der getöteten Demonstrierenden vor, um deren Forderungen nach Gerechtigkeit zu unterdrücken.

Bundesweit leben in Deutschland über 9.700 ausreisepflichtige Iraner*innen, davon über 8.600 mit einer Duldung (BT-Drucksache 20/9931, S. 48). In Hessen lebten nach den letzten veröffentlichten Zahlen über 1.100 ausreisepflichtige Iraner*innen (BT-Drucksache 20/8046, S. 27).

*Zum Schutz des Betroffenen können PRO ASYL und der Hessische Flüchtlingsrat keine weiteren Auskünfte zu dem Einzelfall geben. Die Akten liegen den Organisationen vor.

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Quelle: Pro Asyl