9. Juli 2025

9. Juli 2025
Jugend, Schule & UniNRWYeni Hayat

Bildungsstreik in Essen: Gegen das kaputte Bildungssystem kämpfen

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

Mehrere hundert Schülerinnen und Schüler gingen am 25. Juni auf die Straßen. Mit Transparenten, Plakaten und klaren Forderungen liefen sie durch die Essener Innenstadt: „Eine Schule für uns – Eine Schule für alle“. Der Bildungsstreik war Teil eines landesweiten Protesttages, zu dem die Landesschüler*innenvertretung (LSV) NRW aufgerufen hatte. In zahlreichen Städten beteiligten sich über 1000 Schülerinnen und Schüler an den Demos, um gegen die Missstände im deutschen Bildungssystems zu protestieren. Die zentralen Forderungen: ein Ende von maroden Schulgebäuden, Notendruck und systematischer Selektionierung – und stattdessen ein solidarisches, demokratisches und gerechtes Schulsystem für alle.

„Es reicht“ – Schulen am Limit, Schüler auch

Die Liste der Missstände ist lang – und Ausnahmen gibt es selten. Zu große Klassen, zu wenig Lehrpersonal und Betreuer, veraltete Technik, Unterrichtsausfall, Leistungsdruck und psychische Überforderungen sind für viele Jugendliche Alltag. Hinzu kommen die Zustände der Gebäude: Schimmel, kaputte Toiletten und veraltete Sportanlagen, die Gesamtschule Bockmühle in Essen ist seit Jahren sanierungsbedürftig und ist nur eine von vielen Schulen, die mehr Förderung benötigen. Insgesamt fehlen 55 Milliarden Euro, so die Forderungen der Veranstalter. Schulen sind schon lange kein gutes Bildungsumfeld mehr: „Es ist zu heiß, zu laut, zu eng – und trotzdem wird erwartet, dass wir funktionieren“, sagt Naya, 14, die am Streik teilnahm.

Abgesehen von den über 500 Schülerinnen Schüler nahmen auch zahlreiche Lehrer an den Protesten Teil, um ihre Klassen aus Essen, Gelsenkirchen und Dortmund zu unterstützen. Diese zogen laut und entschlossen durch die Straßen Essens. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Bildung klaut“, war ein Spruch, der von den Häuserwänden widerschallte. „Wir sind die Zukunft […] Warum sollten wir dann nicht gefördert werden?“ fragte ein Schüler.

Bildungsstreik in Essen: Gegen das kaputte Bildungssystem kämpfen
Foto: Yeni Hayat

Schluss mit Ausgrenzung, her mit Solidarität

Die Forderungen der Demonstrierenden gehen weit über die kosmetischen Veränderungen der neuen Koalition hinaus. Sie stellen das bestehende System grundsätzlich in Frage und fordern:

– Ein Ende der Schuldenbremse für Investitionen in Bildung,

– Eine echte Gesamtschule für alle, statt ein selektives mehrgliedriges System, das Ungleichheit strukturell wachsen lässt,

– Kleinere Klassen mit maximal 15 Schülerinnen und Schülern, sowie mehr Lehrpersonal,

– Abschaffung von Noten und stattdessen alternative Bewertungsformen,

– Stopp der Abschiebungen aus Schulen,

– Mehr Mitbestimmung, sowohl auf Landesebene, als auch im Schulalltag,

– Kostenlose und gesunde Verpflegung an allen Schulen,

– Ein Ende der Bundeswehr-Werbung an Schulen,

– Kürzere Schultage bis maximal 16 Uhr.

Diese Forderungen sind nicht neu, aber in Zeiten der wachsenden sozialen Ungleichheit immer bedeutender. „Während Milliarden für Aufrüstung und Wirtschaftssubventionen locker gemacht werden, fehlt es in unseren Klassenzimmern am nötigsten“, so eine Rednerin.

Politik zwischen Symbolik und Eigeninteressen

Zwar zeigte sich der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) offen für den Dialog und lobte vor allem das Engagement der Jugendlichen für mehr Demokratie einzustehen, blieb aber sonst inhaltlich sehr vage. Er kritisierte die Forderung nach einem neuen Notensystem und wies die Verantwortung zu anderen Forderungen direkt auf die „höheren“ Ämter ab. Die Reaktionen aus der Landespolitik schwankten zwischen Verständnis und Ablehnung.

Genau deshalb betonte die LSV, dass dieser Protest keine einmalige Aktion war, sondern noch weitere Demonstrationen geplant sind. Es geht nicht darum, Unterricht zu schwänzen: Es geht um Zukunft, Gerechtigkeit und politische Missstände. Die Schülerinnen und Schüler, die am 25. Juni auf die Straße gingen, fordern nicht weniger als ein anderes Verständnis von Bildung – ohne Konkurrenz, Leistungsdruck und Diskriminierung.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben