Halbmast für einen, der seit 2000 Jahren tot ist

Flaggen auf Halbmast. Foto: Álvaro Ruiz // JCCM (CC BY-SA 2.0) Spaniens Regierung hat angeordnet, von Donnerstag bis Sonntag die Fahnen in den Kasernen der Streitkräfte auf Halbmast zu setzen. Grund für die staatlich verordnete Betroffenheit: »Der Tod Christi«. Wie das Onlinemagazin eldiario.es berichtet, ordnete das Kabinett an, in den von den Christen als Zeit der Trauer um ihren Messias begangenen Tagen »in allen Einheiten, Stützpunkten, Zentren und Kasernen« die Flaggen zu senken.

Mit dieser Anweisung verletzt die spanische Regierung ein königliches Dekret, das bislang regelte, wann an öffentlichen Gebäuden Halbmast geflaggt wird: Im Falle von Staatstrauer oder wenn der König, der Präsident oder ein Soldat im aktiven Dienst stirbt. Für das Kabinett von Ministerpräsident Mariano Rajoy und seine postfranquistische Volkspartei (PP) spielt das keine Rolle. Auch die Kritik und Anfragen im Parlament kümmerten sie nicht.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Regime der PP Religion und Staatsgeschäfte vermengt. Die damalige Regionalpräsidentin von Castilla La Mancha und heutige Verteidigungsministerin Maria Dolores de Cospedal trug 2012 bei einer Audienz im Vatikan eine Mantilla, wie sie spanische Frauen im Mittelalter trugen. Vor dem Hintergrund der vielen religiösen Provokationen der Regierung lässt sich das schwerlich als Folklore abtun. So dankte Arbeitsministerin Fátima Báñez allen Ernstes der Heiligen Jungfrau von El Rocío dafür, dass sie Spanien geholfen habe, aus der Krise zu kommen. Der neue Stabschef der Luftwaffe, Javier Salto, legte seinen Amtseid mit den Worten ab: »Ich verspreche, Gott in allen meinen Entscheidungen immer präsent zu haben.«

Die Beziehungen zwischen der PP und dem katholischen Klerus gehen bis an die Grenzen der Legalität – und für manche bereits darüber hinaus. So verlieh der damalige Innenminister Jorge Fernández Díaz, der für das brutale Vorgehen seiner Polizei gegen Demonstranten berüchtigt war, den Verdienstorden der Polizei an die Heilige Jungfrau María der Liebe (Nuestra Señora María Santísima del Amor). Eine Klage zahlreicher laizistischer Organisationen dagegen wurde zwar vom spanischen Verfassungsgericht angenommen, aber von der höheren Audiencia Nacional – die sich normalerweise um Fälle von Terrorismus kümmert – verworfen.

Noch während die juristische Auseinandersetzung um diese Auszeichnung lief, verlieh auch der jetzige Innenminister Juan Ignacio Zoido eine Polizei-Verdienstmedaille. Empfänger ist die Christliche Bruderschaft der Legion. Die Spanische Legion (Legión Española) ist eine Militärformation der spanischen Armee, die 1936 führend am Franco-Putsch gegen die Spanische Republik beteiligt war. Diese Tradition halten die Legionäre lebendig. Vor kurzem kursierte im Internet ein Video, auf dem Angehörige der Legion zu sehen sind, wie sie in einem Kinderkrankenhaus die kleinen, schwerkranken Patienten besuchen und ihnen Lieder vorsingen – unter anderem ihre Hymne »Soy el novio de la muerte« – »Ich bin der Verlobte des Todes«. Auf Kritik daran reagierten die Militärs mit Unverständnis. Sie hätten den Kindern doch nur die Existenz des »Christus des schönen Todes« nahebringen wollen. In einem Land, in dem es sogar in den Kommissariaten Kapellen gibt und Messen gefeiert werden, läuft etwas verkehrt.

Während in den Kasernen die Fahnen aus Trauer um den vor 2.000 Jahren gekreuzigten Christus auf Halbmast gesetzt werden, wird vielen Kindern auch in den öffentlichen Schulen die biblische Geschichte eingetrichtert. Manche beteiligen sich schon mit 16 oder 17 Jahren an den Prozessionen und schleppen schwere Holzkreuze, die ihren noch nicht ausgewachsenen Körper schädigen können. Es gibt kein Gesetz, das die Jugendlichen vor diesem Leichtsinn schützt – die Paragraphen erklären die Eltern dafür zuständig zu entscheiden, ob ihr Kind in dieser Weise an der Prozession teilnehmen soll.

Allgemein bekannt ist auch, dass die Katholische Kirche nach wie vor nicht die Steuern bezahlt, die sie entsprechend eines Parlamentsbeschlusses zu begleichen hätte. Die Regierung und die PP ihrerseits üben keinerlei Druck auf den Klerus aus, damit dieser das Gesetz einhält. Offenbar hofft man darauf, dass die Kirche soziale Aufgaben erfüllt, die der Staat dank der Politik der PP nicht mehr übernimmt. Aus Bürgern Spaniens werden somit Diener des Herrn. Die Journalistin und Schriftstellerin Maruja Torres fasste diese Situation zusammen: »Bei der Wissenschaft mussten wir Kürzungen im Umfang von 600 Millionen Euro hinnehmen. Bei der Religion gar keine.«