Die Kaste der Einzelhandelsbeschäftigten

Weihnachten 2017 ist Geschichte. Für viele, die sich vor dem »Fest der Liebe« in den »Streß« des Geschenke-Kaufens, sei es aus gesellschaftlichem Zwang oder tatsächlich aus Freude am Schenken, stürzen »mußten«, geht es »zwischen den Jahren« nun darum, den ganzen Krempel, den man von Anverwandten und Freunden mit oder ohne Liebe geschenkt bekam, umzutauschen. Weihnachten ist eben ein Business, wie andere Feste des Jahres: Es geht um Konsum und sonst um kaum noch etwas.

 

Von Nächstenliebe wird schließlich kein Handelsriese glücklich.

Pünktlich am Ende des zweiten Weihnachtsfeiertages wird im Radio auf Silvester hingewiesen. Denn auch hier gilt es nicht nur, gesellig das neue Jahr zu begrüßen, sondern sich in den Tagen davor erneut ins Getümmel zu stürzen. Eine Verschnaufpause hatte das Verkaufspersonal indes größtenteils seit Anfang des Monats nicht mehr: Immer häufiger sind offene Sonn- und partiell sogar Feiertage die Regel.

Während in Deutschland etwa immer mehr Stadträte zur Besinnung kommen und die Zahl der jährlich verkaufsoffenen Sonntage schrumpft, drücken Regierung und Handelsverband hierzulande mächtig aufs Gaspedal, damit der Rubel rollt. Doch nicht nur in den Betrieben, wo Kollektivverträge bestehen, dürfte dieser Rubel größtenteils am Personal vorbeirollen, welches sich die Wochenenden um die Ohren schlagen muß. In den meisten Handelsbetrieben existiert nämlich noch immer kein solcher Kollektivvertrag, weswegen hier das nackte Gesetz das Verhältnis zwischen Patron und Beschäftigtem regelt. Und Gesetze, das lernen wir immer wieder, sind nicht für die Arbeitenden gemacht. Hier sind die Löhne noch niedriger und die Zuschläge sind ohnehin insgesamt kaum wert, am Sonntagmorgen aufzustehen und zur Arbeit zu fahren.

Das Handelspatronat hingegen findet, ähnlich wie etwa die Winzer, immer etwas zum Nörgeln. In diesem Jahr Favorit: Das zu milde Wetter, welches die Menschen nicht in Weihnachts- und damit in Kauflaune brachte. Hätte es 10 Zentimeter Schnee gegeben, wäre vermutlich darüber gejammert worden, der Schnee halte die Menschen vom Besuch der Einkaufstempel ab.

Was wir erleben, ist die Unterteilung der arbeitenden Massen in eine Art Kastenwesen: Während die einen sich über viele Brückentage im Jahr und Feiertage freuen dürfen, an denen sie eigenen Interessen anstatt denen ihres Chefs nachgehen können, wird außerhalb des Handels durch die Bank – vom Konzernboß bis zum Arbeiter – erwartet, daß die Menschen im Einzelhandel wie Maschinen zur Verfügung stehen und von Zuschlägen wie in anderen Sektoren nur träumen können.

Dies hat nicht nur gesundheitliche Auswirkungen, denn Wochen ohne Ende oder mit Ausgleichsfreizeit in der Woche, wenn der Partner arbeitet und die Kinder in der Schule sind, stellen keinen adäquaten Ersatz für die sozial nutzbare Freizeit an Wochenenden und Feiertagen dar. Auch fördern solche Arbeitsverhältnisse neben gesundheitlichen Beschwerden, welche von der Gesellschaft getragen werden müssen, während die Unternehmen den Profit einstreichen, die soziale Ausgrenzung. Denn Fußball, Theater, Partys, Ausflüge: All dies findet in der Regel am Wochenende statt.

Von der liberalen Regierung ist keine Hilfe zu erwarten, sie winkt die Interessen der Handelsbosse durch. Deshalb ist Eigenorganisation umso wichtiger: Eine starke gewerkschaftliche Basis kann Berge versetzen, denn eine Gewerkschaft ist immer so stark wie die einzelnen Mitglieder und kein Serviceunternehmen, welches Kollektivverträge wie Weihnachtspräsente verteilt.

Christoph Kühnemund

 

Aus: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek