Politisches Programm statt Geschlecht wählen

Vor Wahlen, insbesondere vor den Parlamentswahlen, melden sich traditionell zahlreiche Organisationen zu Wort, die ihre Vorstellungen davon kundtun, was die kommende Regierung vollbringen oder besser bleiben lassen sollte. Eine dieser Organisationen ist der Nationale Frauenrat (CNFL). Er verkündete dieser Tage, die Kampagne »Votez l’équlibre« aus der Taufe gehoben zu haben, um damit den Wählern nahezulegen, im Sinne einer Frauenquote im Parlament zu wählen. Gezielt sollen weibliche Kandidaten, kreuz und quer über die Wahllisten, von ganz links bis ganz rechts, angekreuzt werden, um die Sitzverteilung weiter in Richtung Parität zu treiben.

Zwar sei man mit den Folgen des sogenannten »Quotengesetzes« zufrieden, da der weibliche Anteil auf den Kandidatenlisten gestiegen sei, doch reiche dies noch nicht aus. Zudem sollte nach dem Wunsch des CNFL dieses Gesetz auch für die Gemeinderatswahlen zur Anwendung kommen. Übersehen wird dabei, daß insbesondere kleine Parteien, die sich für soziale Verbesserungen und Gleichbehandlung der Frauen in der Gesellschaft und beim Lohn stark machen, nicht auf einen so großen Fundus an Kandidatinnen in ihren Reihen zurückgreifen können, wie es den staatstragenden Parteien möglich ist. Hier wird also durch gesetzlich verordnete Geschlechterparität auf den Wahllisten gezielt jenen Parteien die Möglichkeit erschwert, Wahlerfolge zu erzielen, die sich eigentlich ja für die Ziele der Frauenorganisationen einsetzen.

Fraglich ist die schlichte Forderung nach Geschlechterparität ohnehin: Fortschrittliches Denken und Handeln ist nicht am Geschlecht auszumachen. Vielmehr sollte es im Sinne der Lohnabhängigen darum gehen, daß in den Betrieben ihre Interessen vertreten und gewahrt sind. Dem können sich sowohl männliche als auch weibliche Chefs entgegenstellen, denn die politische Einstellung hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Ein gutes Beispiel aus der Politik kommt aus dem letzten USA-Präsidentschaftswahlkampf: während sich der männliche Kandidat der Demokraten, Bernie Sanders, an den Demonstrationen der Frauenrechtsbewegungen beteiligte, beließ es die mit »first woman president« Wahlkampf treibende Hillary Clinton bei einem popeligen Tweet auf Twitter.

Die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft ist kein eigenes Thema, sondern ein Puzzleteil im Kampf für soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Fortschritt. Mit der Aufforderung zum Panaschieren bei den Parlamentswahlen wird dieser Kampf allerdings weiter erschwert, denn das Verteilen von Kreuzchen quer über den Stimmzettel, auch an Kandidatinnen von konservativen bis rechten Parteien, wählt in erster Linie diese Parteiprogramme und nicht die Kandidatin.

Darüberhinaus dient das Panaschieren ohnehin nur den großen Parteien, weshalb politische Programme und nicht Köpfe, ob männlich oder weiblich, gewählt werden sollten. Dies geht am besten durch Schwärzen des Kreises über der Liste der Partei, die sich für die Gleichstellung der Frau einsetzt, auch wenn auf dieser vielleicht dieses Mal keine Parität herrscht.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek