Keine Fortschritte

Der scheidende UEL-Präsident Nicolas Buck lobte am Mittwochmorgen im Radio der RTL-Gruppe die »Sozialpartnerschaft« in der Krise über den grünen Klee, blieb bei Fragen zu ungleicher Verteilung allerdings auffallend nichtssagend.

Während das Patronat einerseits immer lauter nach »Flexibilisierung« ruft, sind die Gewerkschaften aktuell massiv damit beschäftigt, die lodernden Brände der »guten Sozialpartnerschaft« auszutreten, die an allen Ecken und Enden derzeit entfacht werden. Die Forderungen nach einer Verkürzung der Wochen- und Lebensarbeitszeit liegt daher verständlicherweise etwas auf Eis. Gerade von der lobenden Unternehmerseite in Luxemburg weht allen, die es in Sachen Arbeitszeitverkürzung und damit einhergehender Umverteilung des geschaffenen Wohlstands wirklich ernst meinen, ein rauer Wind entgegen.

Als brächte das Salariat ihre Herren geradezu an den Bettelstab, wird geheult, was das Zeug hält. »Flexibilisierung« und Beendigung der »starren 40-Stundenwoche« sind Schlagworte, die von dieser Seite eine völlig andere Intention haben, als von Gewerkschaftsseite : Es geht darum, die im Zuge des Kalten Krieges zähneknirschend zugestandenen Verbesserungen einzukassieren und mit möglichst gesetzlich unbegrenzten Arbeitszeiten mit mehr Ausbeutung zu höheren Profiten zu streben. Dabei hat Luxemburg aktuell bereits die längste Wochenarbeitszeit der EU mit durchschnittlich 41 Stunden. Allein im Vergleich zu 2013 arbeiten die Lohnabhängigen hierzulande bereits wöchentlich 20 Minuten länger.

Angesichts einer drastisch gestiegenen Produktivität in den vergangenen 50 Jahren und einer weiteren Steigerung durch die sogenannte »digitale Revolution« , die wohl einzig zu Gunsten des Patronats Verbesserungen bringen wird, dürfte bereits die Forderung nach der 35-Stunden-Woche als überholt und nicht mehr ausreichend anzusehen sein. Es muß darum gehen, den geschaffenen Wohlstand endlich gerechter zu verteilen und dazu gehören drastische Verkürzungen von Wochen- und Lebensarbeitszeit ohne finanzielle Einbußen. Dies schafft zudem Arbeitsplätze. Investitionen ins Personal allerdings sind dem Patronat traditionell ein Graus, manch hauchdünne Personaldecke weiß davon zu berichten.

Während auf der einen Seite die Unternehmer also gerne ihr Leid klagen, sollte von der anderen Seite allerdings auch der Hinweis darauf kommen, daß es bald ohne fortschrittliche Veränderungen nicht mehr problemlos möglich sein wird, dieses veraltete System der Arbeitswelt aufrecht zu erhalten, wo Gewinne privatisiert und die negativen Konsequenzen in Form mangelnder Lebensqualität, körperlicher und psychischer Schäden, sowie steigender Kosten für die Allgemeinheit zurückbleiben.
Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, alles andere wäre nebenbei bemerkt nicht progressiv, würde natürlich eine Umverteilung des geschaffenen Mehrwertes bedeuten. Im Gegenzug würde er aber auch mehr Einzahler in soziale Systeme hervorbringen und Betriebsabläufe in der Industrie, sowie Dienstleistungen effizienter machen, was im Endeffekt wieder positiv auf die Unternehmen zurückfiele. Diese Diskussionen dürfen auch und gerade in Zeiten der Krise nicht zurückgehalten werden.

Es ist also nicht immer der einfachste Weg, weiter am Ast zu sägen, auf dem man sitzt. Das Thema muß zu den Wahlen zurück auf die Agenda der fortschrittlichen Parteien und Organisationen.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek