Mehr Kontrollen statt Einschränkungen

Bereits in den vergangenen Wochen, seit die Infektionszahlen in der Großregion wieder steigen, gab es vermehrt Unmut aus den angrenzenden Regionen unserer Nachbarländer, Luxemburg würde wie ein Staubsauger medizinisches Personal anziehen, welches dann dort fehlen würde.

Daß diese Situation sich nicht so primitiv erklären läßt, wie sie politische Verantwortungsträger jenseits der Grenzen darstellen, zeigt sich daran, daß selbst die Betroffenen deutlich machen, daß auch die Arbeitsqualität in Luxemburg eine andere ist, nicht nur das Salär. Nicht später als Mittwochabend nutzte der französische Präsident Macron das Thema auch im Rahmen seiner Ansprache über neue Corona-Maßnahmen. Etwas bizarr möchte man meinen, denn am Spardiktat der Nachbarländer beim medizinischen Bereich den nationalistischen Hebel anzusetzen, ist schon etwas billig.

Auch hierzulande ist die Lage in den Krankenhäusern mittlerweile angespannt. Die mangelnde Umsetzung der hygienischen Maßnahmen durch Teile der Bevölkerung hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Besonders dramatisch : Immer mehr medizinisches Personal erkranken selbst und fällt aus. Ohnehin war die Personaldecke im medizinischen Sektor auch in Luxemburg stark auf Kante genäht. Dazu kommt die Angst vor einer Zwangsverpflichtung der Fachkräfte durch Frankreich oder Belgien, sollte die Krise sich weiter verschärfen.

Alain Schmit, Präsident der AMMD, erklärte vergangene Woche, daß eine weitere Rekrutierung von medizinischem Personal im Ausland der falsche Weg sei. Gleichzeitig spricht die Regierung davon, weiter auf die Großregion zu setzen. Ein Pferd, welches spätestens seit März gefährlich hinkt. Die Erkenntnis aus dieser Krise muß vielmehr sein, die Abhängigkeit von Grenzgängern nach und nach zu reduzieren, um als Staat in eigenen Entscheidungen handlungsfähig zu bleiben.

Doch, wie in den Nachbarländern, fuhr auch Luxemburg nur auf Sicht. Das einzige, was jetzt als Lösung präsentiert wird, ist eine Arbeitszeitverlängerung im Gesundheitssektor und Infizierte unter Umständen weiter arbeiten zu lassen. Alternativen ? Fehlanzeige. Wie deutlich muß noch gezeigt werden, daß Luxemburg endlich seine eigenen Ausbildungsstrukturen im Gesundheitssektor ausbauen und verstärkt durch attraktivere Arbeits- und Lohnbedingungen im Inland rekrutieren muß.

Ohnehin bestärkt sich in den letzten Tagen ein Gefühl, daß die Krisenbekämpfung aus dem Frühjahr Geschichte ist und im Sommer einfach nur gehofft wurde, daß der Herbst glimpflich verläuft. So jedenfalls präsentieren sich die neuen administrativen Maßnahmen. Während die hygienischen Maßnahmen absolut richtig sind, jedoch deren Einhaltung viel stärker kontrolliert werden müßte, fragt man sich, warum etwa der Fußball abgebrochen wird, während verkaufsoffene Sonntage offenbar kein Risiko darstellen.

Auch ist die Ausgangssperre mehr Schein als Sein und im Netz wird bereits gewitzelt, daß man nun um 23 Uhr bei Freunden sein muß, zu viert für 10 trinken müsse und bis 6 Uhr durchhalten. Dieser Kalauer spricht aus, was Sache ist : Die meisten Ansteckungen geschehen im privaten Bereich und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach denkt, von großer Empörung begleitet, im Prinzip laut, was theoretisch die Lösung wäre. Daß Kontrollen der Privatwohnung zu weit gehen, ist jedoch unbestritten.

Wir sehen dennoch, daß auch nach fast 8 Monaten Pandemie viele Menschen noch immer nicht begreifen wollen, um was es geht. Solidarität ist vielen Menschen ein Fremdwort. So muß die Mehrheit der Bürger, Vereine und Kulturbetriebe tatenlos zusehen, bis auch der letzte es begreift.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek