Rede zum Welt-Kobane-Tag 2020

Der diesjährige Internationale Kobane-Tag am 1.11. stand ganz im Zeichen des gemeinsamen Protests gegen die türkischen Angriffskriege gegen Kurdistan und gegen die armenische Enklave Bergkarabach (Azach) im Kaukasus. Wir dokumientieren nachstehend die Rede von Zoya Mossessian als Armenierin und Kommunistin:

Liebe Freunde, liebe Freundinnen!

Ich rede heute als Armenierin und Kommunistin zu euch.

Wir alle verfolgen mit Besorgnis, tiefer Betroffenheit und Aufmerksamkeit die Entwicklungen und neuerlichen Bedrohungen der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyriens sowie die blutige Eskalation des aserbaidschanisch-türkischen Krieges gegen Bergkarabach.

Bereits 2016 hat das AKP-Regime Ankaras den für knapp eine Woche wieder kriegerisch aufgeflammten Konflikt um die armenische Enklave Berg-Karabach nach Kräften angeheizt. „Bis zum jüngsten Tag“ werde die Türkei, versicherten Erdogan damals, „Schulter an Schulter mit Aserbaidschan gegen die [vermeintliche] armenische Aggression und Besatzung“ stehen.

Seit 27. September haben wir es nach dem groß angelegten aserbaidschanischen Angriff mit türkischer Unterstützung im Kaukasus-Konflikt um Arzach (Bergkarabach) mit der schlimmsten Kriegs-Eskalation seit dem Zerfall der Sowjetunion zu tun. Neben dem blut-triefenden Einsatz der extra aus den von der Türkei besetzten Teilen Rojavas vom türkischen Staat eingeflogenen dschihadistischen Möderbanden, ist das türkische Militär auch direkt an den Kampfhandlungen beteiligt. Nicht zuletzt mit Drohnenangriffen auf armenische Kräfte und ZivilistInnen. Flankiert wird das Luftbombardement mit dem Abwurf von Phosphorbomben, mit denen die Wälder in der Nähe von Schuschi und Madaghis in Brand gesetzt werden. Tausende Menschen sind den Gefechten und Gemetzel in Bergkarabach und dessen Hauptstadt Stepanakert schon zum Opfer gefallen.

Entsprechend der panturkischen Doktrin, nach der die Türkei und Aserbaidschan „eine Nation, zwei Staaten“ seien, erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu unlängst in Baku auch, dass die Türkei „bis zuletzt an der Seite Aserbaidschans stehen und wenn nötig, auch als ein Staat handeln” werde.

Damit verquickt sich das panturkisch, neo-osmanische Projekt Erdogans abermals mit dem Schicksal der ArmenierInnen. In den Städten Frankreichs macht ein von Ankara aufgepeitschter Mob aserbaidschanischer und türkischer Jugendlicher seit Tagen Jagt auf Menschen armenischen Hintergrunds. Auch in Wien gibt es mittlerweile Aufrufe junger euphorisierter AKP&MHP-Anhänger und dschihadistischer Sympathisanten neben Kurden, der Frauenbewegung und Linken nun auch die hier lebenden ArmenierInnen zu attackieren.

Und das vor dem Hintergrund des bis heute von der Türkei nicht anerkannten Genozids an den ArmenierInnen – dem mit Michael Mann – einem der führenden Experten der Erforschung der modernen Praxen ethnischer Säuberungen und Genozide – gesprochen: proportional „erfolgreichste Säuberungsmord des zwanzigsten Jahrhunderts“.

Mit den etwa 1,5 Millionen Opfern der Deportationen, Todesmärsche, Massaker, Morde, des Hungers und von Krankheiten 1915/16, wurden innerhalb kürzester Zeit mindestens zwei Drittel aller Armenier hingemordet. Unter dem Deckmantel einer vorgeblichen Deportation, vorangepeitscht und systematisch staatlich organisiert unter Federführung Talats (Innenminister), Envers (Verteidigungsminister) und der grauen Eminenz Sakir – der wie ein tödlicher Odem die Todesmärsche und Massaker an den Männern, Frauen und Kindern beaufsichtigte -, wurde seinerzeit ein unfassbarer Völkermord in Gang gesetzt.

Ein Genozid zugleich, in den in indirekter wie direkter Mitschuld jedoch auch die imperialistischen Großmächte selbst verstrickt waren. Sei es, dass sie die ArmenierInnen wie Großbritannien in ihren Kriegsplänen zu instrumentalisieren suchten, um sie in eins dann aber ihrem Schicksal zu überlassen. Oder in direkter Komplizenschaft wie Deutschland und Österreich, im „einzigen Ziel“ (wie es der deutsche Reichskanzler Hollweg im Wissen um das Gemetzel formulierte), „die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber Armenier zu Grunde gehen oder nicht.“ Und die politischen Hauptverantwortlichen des Genozids nach Kapitulation des Regimes dann heimlich von der deutschen Marine ausschiffen ließ.

Parallel tobt seit Jahren erneut der schmutzige Krieg gegen Kurdistan und ein Vernichtungsfeldzug gegen Rojava. Zeitgleich hat das Erdogan-Regime einen offenen Terror gegen Kurden, Oppositionelle, religiöse Minderheiten, die Arbeiterbewegung und revolutionäre Linke in der Türkei entfesselt (und sie für vogelfrei erklärt).

Lasst uns angesichts des heutigen Internationalen Kobane-Tages, des drohenden Angriffs auf Kobane – Symbol des Sieges über die Dunkelheit – und des tobenden Krieges gegen Azach (Bergkarabach) und die ArmenierInnen, gemeinsam gegen jeden Geschichtsrevisionismus und die Aggressionen des faschistischen Erdogan-Regimes und seines aufgestachelten Mobs entgegentreten.

Für den sofortigen Waffenstillstand in Azach / Bergkarabach!

Für ein sofortiges Waffenembargo gegen die Türkei!

Nieder mit Faschismus & Krieg!

Stoppen wir gemeinsam den Kurden- und Armenier-Schlächter Erdogan!

Es lebe der Freiheitskampf der Völker, Unterdrückten und Frauen!

Hoch die Internationales Solidarität!

Quelle:

KOMintern