Strategische Wirtschaftspolitik? Fehlanzeige!

Der Budgetentwurf 2021 kann objektive Beobachter kaum überraschen. Sämtliche Regierungen haben in den letzten 30 Jahren finanzkapitalistische Narreteien forciert und zur ökonomischen Leitpolitik deklariert. Dazu gehören u.a. die minimalen Steuersätze und die spezifischen Kapitalanlagen, mit denen ausländische Anleger, Finanzdienstleister und andere Kapitalisten geködert werden. Daran werden auch die von der aktuellen Regierung angekündigte Abschaffung der »stock options« sowie die zaghafte Reform des »Fonds d´investissements spéciaux« nichts ändern – Luxemburg hält weiter an einer »Nischenstrategie« fest und bleibt so ein Spielball des international agierenden Kapitals. Eine wirtschafts- und vor allem industriepolitische Strategie ist nicht erkennbar, darüber dürfen auch der Ausbau der Infrastrukturen für regenerative Energien oder die geradezu lächerliche Spacemining-Spekulationsmasche nicht hinwegtäuschen.

Vielmehr wird die schleichende Privatisierung des staatlichen Tafelsilbers fortgesetzt. Mit neoliberaler und globalisierungsverherrlichender Ideologie im Gepäck haben auch in Luxemburg insbesondere die Finanz- und Wirtschaftsminister einerseits die Umwandlung staatlicher Betriebe in Körperschaften des öffentlichen Rechts oder gar in privatrechtliche Strukturen sowie andererseits den Ausverkauf ganzer Branchen mit starker staatlicher Beteiligung an privatkapitalistische Aktionäre oder Fonds vorangetrieben. Die von den EU-Verträgen zementierte neoliberale Offensive ließ den Staat immer stärker zum ideellen Gesamtkapitalisten werden ohne konkrete Handhabe in strategisch bedeutenden Wirtschaftsbereichen.

Vorexerziert wurde eine solche Politik bereits mit der Schleifung der Stahlindustrie in den 80er Jahren, bei der die jeweiligen Regierungen sich stets vor einer Rettung durch Nationalisierung, Investierung, Forschungs- und Produktspezialisierung, wie von der KPL vorgeschlagen und von den Arbeitern mehrheitlich unterstützt, sträubten, um die Profitinteressen der Kapitaleigner zu wahren. Jene Schlüsselindustrie ist zum Schatten ihrer selbst geworden und siecht in Luxemburg vor sich hin. Bis heute wird diese Politik verfolgt und keine Regierung hat bei Betriebsschließungen und -auslagerungen den Schritt der Verstaatlichung und anschließenden Vergesellschaftung unternommen.

Als Rufer in der politischen Wüste fungiert die KPL, deren Ziel darin besteht, eine Wirtschaft aufzubauen, die sich an der Erfüllung der Bedürfnisse der Menschen orientiert. Dazu muss natürlich in erster Linie die Macht des Groß- und Finanzkapitals, die sich aus den bestehenden Besitzverhältnissen ergibt, gebrochen und durch kollektives Eigentum und demokratische Kontrolle der Wirtschaft und des Staates durch die Schaffenden ersetzt werden.

Diesen revolutionären Schritt müsste eine bürgerliche Regierung aber nicht mal wagen, um in Ansätzen eine industriepolitische Strategie in die Wege zu leiten, denn der Ausbau der SNCI zur staatlichen Kreditgesellschaft mit Banklizenz für Klein- und Mittelunternehmen könnte z.B. zur finanziellen Unterstützung der kleinen und mittleren Industrie-, Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe auf dem Weg zur Produktionserweiterung und -diversifizierung sowie zur Schaffung von Arbeitsplätzen genutzt werden. Aber auch die Schaffung eines staatlichen Beteiligungsfonds mit einem Bilanzvermögen von 10 bis 15 Milliarden Euro, in dem die staatlichen Betriebe und die staatlichen Beteiligungen an privaten Industrie- und Dienstleistungsbetrieben gebündelt werden, würde die gezielte Gründung neuer Betriebe sowie die Erweiterung der Anteile an bestehenden Betrieben resp. den Aufkauf ganzer Unternehmen ermöglichen. Dergestalt ließe sich die wirtschaftliche Entwicklung des Landes im Sinne der gesellschaftlichen Interessen der Schaffenden zumindest zu einem Teil planen und steuern.

Alain Herman

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel: <br/>Strategische Wirtschaftspolitik? Fehlanzeige!