Gescheitertes System und überforderte Akteure

Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

Vor einem Jahr prophezeite uns Bundeskanzler Sebastian Kurz eine Auferstehung nach Ostern. Später hörten wir von ihm, dass der Corona-Spuk mit dem Sommer vorbei sein würde (2020 wohlgemerkt!). Dann, im Spätsommer, sah er das Virus mit dem Auto kommen. Eine Vorbereitung auf wieder ansteigende Zahlen im Winter hielt seine Regierung nicht für nötig. Bis heute hat man etwa nicht ein einziges Spitalsbett mehr geschaffen, im Gegenteil, an geplanten Spitalschließungen in der Steiermark wird festgehalten. Entsprechend chaotisch verlief auch der zweite Lockdown vor Weihnachten, der jetzt bereits dritte und kommende Woche beginnende ist nicht nur chaotisch, sondern offenbart die weit fortgeschrittenen Dysfunktionalitäten des bürgerlichen Staatswesens in Österreich.

Jedes Maßnahmenbündel, das dem Schutz der Bevölkerung vor dem Corona-Virus dienen sollte, wird so lange vermurkst, bis es halbherzig und nur bedingt wirksam ist. Das Ergebnis davon sind Dauer-Lockdowns, die nicht zu den versprochenen Ergebnissen führen. Darüber hinaus fehlte und fehlt dem Mix der Maßnahmen jede Logik. Beispiele gibt es genug. Skilifte durften öffnen, jede andere sportliche Betätigung im Freien war untersagt. Kirchen haben geöffnet, und die unhygienische Hostienverteilung durch infizierte Pfarrer hat auch schon zu Clustern geführt, der gesamte Kulturbetrieb bleibt aber geschlossen.

Die fehlende Logik und Durchschlagskraft der Maßnahmen kann man nun der mangelnden Qualifikation mancher Personen zuschreiben, aber das ist nur ein Teilaspekt. Die ganze berufliche Ausbildung des Bundeskanzlers etwa besteht in Kursen in politischem Populismus in der Jungen ÖVP, der ÖVP-Parteiakademie und der Uniqa, von seiner mangelnden Empathiefähigkeit und Lebenserfahrung ganz zu schweigen. So wird – mit stetigem Blick auf Meinungsumfragen – dilettiert und herumgepfuscht, die Schuld aber ständig anderen in die Schuhe geschoben. Sein ebenso inkompetenter Finanzminister schüttet das Füllhorn der Corona-Hilfen über die Großkonzerne aus, selbst über solche, die Dividenden auszahlen oder Kündigungswellen veranstalten, hatte aber die Impfstoffbeschaffung mit einer Deckelung versehen. Der Großteil der ÖVP-Minister und ‑Ministerinnen scheint überhaupt nur die Funktion zu haben, das Programm der Sponsoren abzuarbeiten, eine Verantwortung für den Staat als ideellen Gesamtkapitalisten, wie sie von früheren Regierungen wahrgenommen wurde, tritt da oft in den Hintergrund.

Ein durchaus bemühter, aber hilfloser Gesundheitsminister Anschober wird behindert und in seinen Kompetenzen beschnitten. Er muss – wie jetzt gerade – mit den Landeshauptleuten Maßnahmen verhandeln, die überfällig sind, mit Landeshauptleuten, von denen einige offenbar nicht einmal verstehen, was die Experten ihnen seit Wochen erklären. Das Ergebnis sind Halbherzigkeiten, wie die „Osterruhe“, die schon etwas bringen könnte, aber viel zu wenig, um die Infektionswelle zu brechen. Dass die ÖVP mit dieser Inkompetenz schon seit geraumer Zeit dabei ist, ihr Kernklientel, nämlich die kleinen Gewerbetriebe, in vielen Branchen in den Ruin zu treiben, verwundert nicht, wenn man sich den Kurz-getreuen Multifunktionär Mahrer an der Spitze der Wirtschaftskammer ansieht.

Arbeitslose, Notstandshilfebezieher und Kurzarbeiterinnen und ‑arbeiter bilden zusammen eine Masse von einer Million Menschen, die mit mehr oder weniger großen Einschränkungen ihres – oft ohnehin schon bescheidenen – Lebensstandards leben müssen. Die Armut nimmt rasant zu, Einrichtungen wie Sozialmärkte werden überrannt, auch von kleinen Selbständigen und Künstlern.

Der große kommunistische Schriftstellere Jura Soyfer schrieb in den 1920er Jahren zur damals grassierenden Massenarmut: „Die Rechnung stimmt nicht ganz, du Mann vom Fach, du überschätzt des Gläubigers Geduld…“. Der Gläubiger sind heute wir alle, die wir die Folgen der kapitalistischen Krise und des dilettantischen Corona-Managements auszubaden haben. Ein ÖGB, der sich schon freut, wenn er auch ein wenig am Tisch der Regierenden sitzen darf und jeden Unsinn mitträgt, ist da wenig hilfreich.

Die „Gläubiger“, also die große Mehrheit der Bevölkerung, werden sich selbst organisieren und den Schuldner, das kapitalistische System und seinen Staat, zur Begleichung seiner Schuld zwingen müssen. Die Spekulanten, die Superreichen und ihre Handlanger in der Politik müssen entmachtet werden. Im Mittelpunkt muss das Wohlergehen und die Entfaltungsmöglichkeit jedes und jeder Einzelnen stehen. Niemand soll frieren und hungern, niemand von Kultur und Bildung ausgeschlossen sein, alle können in einem sicheren Wohlstand leben in einer Gesellschaft, die dieses gescheiterte kapitalistische System ablösen wird, und das wir Sozialismus nennen.

Quelle: Zeitung der Arbeit – Gescheitertes System und überforderte Akteure