Niemand zurücklassen! Solidarische Gesellschaft statt neue Normalität

KPÖ-Positionspapier zur Corona-Krise

Noch ist kein Ende der Pandemie abzusehen. Dennoch können und müssen schon jetzt Schlussfolgerungen gezogen werden, sowohl für unmittelbare Lösungen heute als auch unter dem Gesichtspunkt der allseitigen Prävention. Denn nach der Pandemie ist vor der Pandemie.
Auf globaler und EU-Ebene werden Bemühungen und Ansätze zur internationalen Kooperation durch die finanzmarktge­triebene Pharmaindustrie und Nationalismen hintertrieben. In Österreich sind wir Zeugen und Betroffene einer konfusen Stop&Go-Politik, die nicht in der Lage war, rechtzeitig einen gesellschaftlichen Konsens für gründliche und flächendeckende Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie herzustellen. Das hat diversen Landesfürsten und parteipolitischem Hick-Hack viel Raum verschafft, der auch von rechtsextremen Demagogen genutzt wird. Vor allem aber werden dadurch die soziale Existenz und psychische Stabilität vieler Menschen bedroht.
Mit diesem Positionspapier soll zugleich ein breiter Diskussionsprozess in der KPÖ zu den Krisenfolgen der COVID-Pandemie angestoßen werden. Neben den hier enthaltenen konkreten Vorschlägen für einen solidarischen Umgang in der Krise sollen damit insbesondere zwei Fragen aufgeworfen werden: Welche Rolle kann und soll die KPÖ in den absehbaren gesellschaftlichen Konflikten um die Verteilung der Folgekosten und um gesellschaftliche Prävention spielen? Und weiters: Welche solidarischen Projekte und Bündnisse gilt es in den kommenden Monaten zu entwickeln und auch in der Praxis anzustoßen?

Mehrfach-Krise

Die Corona-Pandemie ist eine gesundheitliche, eine ökonomische und eine soziale Krise. Sie trifft eine Gesellschaft, deren soziale Systeme bereits durch jahrzehntelange neoliberale Sparpolitik an ihre Grenzen gebracht wurden. Die Hauptlasten der Krise tragen jene, die sich bereits vor Corona in größter Unsicherheit befanden und unter größtem Druck standen. Eine solidarische Bewältigung der Krise kann also nicht in einem Zurück zu alter Normalität liegen, sondern muss auf Wegen nach vorne, in Richtung einer solidarischen Gesellschaft erkämpft werden.

Das Regierungs-Krisenmanagement hat quer durch Europa und in Österreich selbst viel Skepsis und Unzufriedenheit ausgelöst. Nach dem verspäteten Lockdown und der verfrühten Lockerung vor dem Jahreswechsel auf 2021 sind im Frühjahr auch nach erneutem wochenlangem Lockdown die Zahlen viel zu hoch. Eine Krisenbewältigung ohne die zu Beginn unsichere Hoffnung auf wirksame Impfstoffe ist nicht mehr vorstellbar. Viele Unternehmen im Bereich Gastronomie, Kunst und Kultur sind am Ende. Eine halbe Million Menschen in Österreich sind arbeitslos.

Existenzsicherung für alle

Ein personenbezogenes bedingungsloses Grundeinkommen, wie es auch die KPÖ fordert, kann ein hilfreicher Beitrag zur Existenzsicherung auch und vor allem in einer andauernden gesundheitlichen Krise sein. Das Bewusstsein dafür hat sich in der Öffentlichkeit geschärft. Ernsthafte Bemühungen der dominierenden politischen Kräfte in diese Richtung sind noch nicht wahrnehmbar. Darum ist gerade jetzt und sofort eine wirksame solidarische Absicherung notwendig, die existenziell real erlebte Zustände beseitigt, Sorgen und Nöte abmildert sowie Chancen und Teilhabe sichert. Eine bedingungslose Existenzsicherung für alle Daseinsbereiche ist unser Ziel, das weit über eine Sicherheit durch Geld hinausreicht.

  • Niemand darf zurückgelassen werden: Menschen, die zu Hause bleiben bzw. arbeiten müssen oder wollen, können das nur tun, wenn sie finanziell abgesichert sind. Deshalb ist ein umfassendes Rettungspaket für alle nötig.
  • Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 80% des Letztbezugs; Erhöhung des Kurzarbeitsgeldes auf 90% bis 100%.
  • Aus der Kurzarbeitsregelung ausgenommen sind Arbeitsplätze von geringfügig Beschäftigten. Sie können auch kein Arbeitslosengeld beantragen. Viele von ihnen sind aber auf dieses monatliche Einkommen angewiesen, und dieses sollen sie auch erhalten.
  • Gefordert sind qualitativ hochwertige Umschulungs-Möglichkeiten, verbunden mit existenzieller Absicherung.
  • Gerade die covid-bedingte Kurzarbeit hat es belegt: Eine Umsetzung der 30-Stunden-Woche bei Lohn- und Gehaltsausgleich ist möglich. Schritte zur Neuverteilung müssen gesetzt werden.
  • Wir fordern einen Delogierungsstopp sowie die Aussetzung aller Mieten für Private und Gewerbetreibende während der Pandemie.
  • Einrichtung eines Miethärtefonds, der im Fall des Falles Mieten übernimmt.
  • Hostels und Hotels sollten durch die Regierung für Wohnungslose geöffnet werden.
  • Keine Verlagerung der Krisenfolgen in die privaten Haushalte: Kindergärten und Schulen mit entsprechenden Sicherheitskon­zepten sollten prioritär offen halten – bei geschlossenen Schulen fordern wir volles Entgelt für den Verdienstausfall der Eltern.

Die Krisenlasten tragen vor allem die Frauen

Die Belastungen durch die Corona-Krise sind ungleich verteilt. Frauen und Männer haben während der Pandemie das gesellschaftliche Leben in unterschiedlichen – für das Funktionieren unserer Gesellschaft notwendigen – Berufen aufrechterhalten. Insbesondere die oft schlecht bezahlte Arbeit von Frauen bringt uns durch die Krise. Den Ausfall von Schulen und Kindergärten müssen meistens Frauen durch zusätzliche unbezahlte Betreuungsarbeit ausgleichen. Für viele Frauen heißt das weniger Zeit für bezahlte Arbeit, Vielfachbelas­tungen, die sie an ihre Grenzen bringen und langfristige Einbußen bei sozialer Absicherung und Pensionen zur Folge haben.
Frauen sind in höherem Ausmaß aufgrund der Corona-Krise in die Arbeitslosigkeit gedrängt worden. Wir fordern:

  • Flächendeckende Kinderbetreuun­gseinrichtungen.
  • Deutliche Lohnerhöhungen für soziale Arbeit, die vielfach von Frauen geleistet wird – in Berufen, die gesellschaftlich nicht die Anerkennung erfahren, die sie verdienen – in der der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege.
  • Die KPÖ unterstützt deshalb das feministische Konjunkturpaket „Mehr für Care!“ der Initiative femme fiscale!

Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus

Die Haltung der KPÖ zu den Maßnahmen gegen COVID war und ist klar. Wir nehmen das Virus ernst und kritisieren nicht die Maßnahmen an sich, wenn sie dem Leben, dem Schutz und der Gesundheit der Menschen dienen. Wir kritisieren in erster Linie die sozialen und gesellschaftlichen Wirkungen des schlechten Krisenmanagement der Regierenden, mit dem wir nicht einverstanden sind. Wenn der Mensch im Mittelpunkt steht, dann sind in erster Linie Maßnahmen zu treffen, die allen Menschen bei der Bewältigung des Alltags und der Krise helfen.
Die Corona-Politik von Türkis-Grün wird dagegen immer chaotischer, mit drastischen Konsequenzen: Trotz mehrfacher Warnung wurden Pflegeheime viel zu spät geschützt, wodurch es dort besonders viele Sterbefälle gab. Im Herbst waren die Spitäler kurz vor dem Zusammenbruch, da die Regierung auf die absehbare zweite Corona-Welle nicht vorbereitet war. Besonders Kinder und Jugendliche leiden an den psychischen Folgen von Schulschließungen und Lockdown.
Statt langfristiger Perspektiven findet ein „Fahren auf Sicht“ mit Stop&Go aus Lockdown und Lockerung statt. Das Agieren der Regierung sorgt in breiten Teilen der Bevölkerung für wachsende Unsicherheit und Unverständnis.
Selbstdarstellung, widersprüchliches, von Macht- und Parteiinteressen geleitetes Vorgehen und Angstpolitik waren der Regierung wichtiger als professionelle Problemlösung. Es ist Zeit für sachliche, konstruktive Kommunikation­spolitik. Für Aufklärung statt Strafen, Überzeugung für notwendige Maßnahmen und ein klares Ziel: Ein deutliches Absinken der Ansteckungen auf einen niedrigen Wert.
Dass der Handel mit nicht-lebensnotwendigen Gütern vor den Schulen öffnet, dass Kunst, Kultur und Sport als Erste schließen und als Letzte öffnen, während das Arbeits- und Berufsleben für viele unverändert weitergeht, ist nicht nachvollziehbar. Während Beschränkungen vor allem das Privatleben betreffen, bleibt der Infektionsschutz am Arbeitsplatz vor allem auch in der Produktion unverbindlich. Dabei ist mittlerweile klar, dass sich viele Menschen gerade hier anstecken.

Sicherheit am Arbeitsplatz

Doch Arbeitsplatz ist nicht gleich Arbeitsplatz. Eine britische Studie zeigt, dass Beschäftigte im Niedriglohnsektor dreimal häufiger an Corona gestorben sind. Bestimmte Berufsgruppen – u. a. Taxifahrer_innen, Pfleger_innen, Busfahrer_innen – haben ein deutlich höheres Risiko, an Corona zu sterben. Auch Arbeitsplätze in Schlachthöfen oder Postverteilzentren sind besonders anfällig für die Verbreitung des Virus. Um die Zahl der Neuinfektionen langfristig zu senken, müsste die Regierung hier also endlich eingreifen und Unternehmen verbindliche Vorgaben zum Arbeitsschutz machen.
Wir fordern dementsprechend:

  • Nicht dringende gesellschaftlich relevante Arbeitsbereiche müssen genauso runterfahren wie das soziale und kulturelle Leben sowie die Schulen. Das Arbeitsleben darf von entsprechenden Maßnahmen nicht ausgenommen sein, es braucht verpflichtendes Home-Office, wo dies möglich ist.
  • Verpflichtende Schutzmaßnahmen in Unternehmen: Arbeitgeber müssen kostenlose FFP2-Masken und engmaschig Tests zur Verfügung stellen; es muss ein Recht auf finanziell entschädigtes Homeoffice geben; gegebenenfalls sind nicht systemrelevante Arbeitsplätze als Orte der Übertragung zu schließen.
  • Im Bereich des öffentlichen Verkehrs gilt es alles tun, um überfüllte Verkehrsmittel zu vermeiden. Dazu gehören hohe Takte, keine „Ferien“-Fahrpläne während eines Lockdowns, aber auch generell der zügige Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
  • In öffentlichen Verkehrsmitteln sollen gratis FFP2-Masken ausgegeben werden.
  • An Risikogruppen sollten Taxi-Gutscheine ausgegeben werden: Internationale Beispiele zeigen, dass damit Inzidenzen und Erkrankungen verringert werden können
  • Wohnortnahe Impfstraßen sollten rasch ausgebaut und mit der bundesweiten Aufhebung des Impfprivilegs der Ärzt_innen ergänzt werden.

Kontakte-Nachverfolgung

Der möglichst sichere Nachweis der erfolgten Infektion und die sofortige Isolation der nachgewiesenen Virusträger sind ein bewährtes Vorgehen in der Seuchenbekämpfung. Mangelhaft sind bislang aussagekräftige Datenerhebungen in definierten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, wie Gastronomie, Handel und speziell definierten Bereichen der Arbeitswelt wie Großproduktion­sbetriebe, Großraumbüros, öffentliche Verwaltungsab­teilungen und dergleichen.
Der Mangel an Daten erklärt sich auch dadurch, dass ab Anfang Mai 2020 diese Daten nicht oder nicht aussagekräftig erhoben wurden und spätestens Anfang Oktober 2020 die Systeme des Contact-Tracings entgleist sind. Erst ab einer Siebentage-Inzidenz von unter 50 kann demnach ein wirksames Contact-Tracing erfolgen.

Eine Kontakte-Nachverfolgung erfordert:

  • Eine wissenschaftliche Begleitung mit ausreichend finanzierten und groß angelegten wissenschaftlichen Studien.
  • Die weitere Stärkung von Gesundheitsbehörden sowie ein verstärktes Verfolgen der Infektionsketten. Das Personal muss in diesem Bereich weiter aufgestockt werden.
  • Genügend Personal und Infrastruktur für mobile Testangebote, insbesondere für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

Kein Lockdown für die Demokratie

In Österreich arbeitet die neue, türkise ÖVP unter Sebastian Kurz an autoritären Verhältnissen. Die Regierungsbete­iligung der Grünen hat dieses Projekt nicht stoppen können. Im Gegenteil, arbeiten die Grünen doch eifrig am autoritäten Umbau der Gesellschaft mit. Die Corona Krise dient hier vielfach als Legitimation entsprechender Maßnahmen.
Unsere Demokratie lebt jedoch von ihren Freiheitsrechten. Für diese haben in den dunkelsten Zeiten der österreichischen Geschichte allen voran Kommunist_innen gekämpft. Eine solidarische Bewältigung der Krise, ein solidarischer Lockdown darf nicht zum Lockdown für die Demokratie werden. Die Parlamente müssen bei allen zentralen Entscheidungen, wie z. B. bei der Festlegung der Impfstrategie, einbezogen werden. Das grundgesetzlich verankerte Versammlungs- und Demonstrationsrecht darf gerade in der Krise nicht eingeschränkt werden – auch wenn außerparlamen­tarischer Protest in dieser besonderen Situation die Verantwortlichkeit zeigen muss, nicht das gesundheitliche Gemeinwohl zu gefährden.

»Nein« zum grünen Impfpass

Die Diskussion um einen Impfpass mit Einsetzen einer »dritten Welle« soll vom Regierungsversagen der letzten Monate ablenken. Gesellschaftliche Verwerfungen werden dabei bewusst in Kauf genommen, um wirtschaftliche Interessen – vor allem in ÖVP-nahen Wirtschaftssek­toren – durchzusetzen. Mit der Diskussion um “Impfprivilegien” wird auf eine weitere Spaltung der Gesellschaft gesetzt, gibt es doch noch lange nicht genug Impfstoff für alle.

Auch Datenschützer_innen haben Bedenken gegen den “grünen Impfpass”. Statt auf eine dezentrale Datenspeicherung zu setzen, sollen in den vorgelegten Konzepten der EU wie auch der österreichischen Bundesregierung alle Daten zentral gespeichert werden. So sind so besonders anfällig für Missbrauch.
Auf globaler Ebene werden durch einen “grünen Impfpass” Ungleichheiten ebenfalls vertieft. Ein Großteil der Bevölkerung in den ärmeren Ländern der Welt hat bisher gar keinen Zugang zu Corona-Impfungen.
Ein Impfpass wird von Regierungen darüber hinaus dazu genutzt werden, um das im Art. 13 der Menschenrechtskon­vention festgeschriebene Recht der Menschen auf Mobilität zu attackieren und restriktive Migrationspolitiken weiter zu legitimieren. Die Antwort auf schlechte Arbeitsbedingungen, zu geringe Entlohnung und schleichende Privatisierung lautet: mehr Personal und eine bessere Finanzierung der öffentlichen Gesundheitsver­sorgung im Sinne aller. Der “grüne Impfpass” – in seiner bisher vorgestellten Form – ist ein Schritt in die andere Richtung und dient dazu, Druck und Verantwortung auf die Einzelnen zu verlagern.

Daseinsvorsorge absichern und soziale Infrastruktur ausbauen

Die Situation im Bildungs- und Gesundheitsbereich ist unübersichtlich bis prekär. Die chronische Unterversorgung und Unterfinanzierung in der öffentlichen Daseinsversorgung wird uns allen vor Augen geführt.
Wir fordern:

  • Schluss mit fahrlässigem Nichtstun: Schulen und Alten- und Pflegeheime hätten über den Sommer infrastrukturell ausgerüstet werden können (Luftfilteranlagen, Personalschlüssel und Besuchsmanagement …). Das ist nicht geschehen und muss unverzüglich nachgeholt werden.
  • Kleinere Klassengrößen und mehr Lehrpersonal: Alles, was schon längst notwendig ist und fehlt, erschwert jetzt nachweislich die Pandemiebekämpfung.

Der beste Schutz gegen Überlastung des pflegerischen und medizinischen Personals ist die Senkung der covid-bedingten Hospitalisierun­gszahlen. Deswegen müssen weitere Öffnungen auf Zurufe der profitorientierten Wirtschaft und entgegen dem Anraten von verschiedenen Beiräten abgelehnt werden. Jeder neu auftretende Anstieg der Infektionszahlen mündet in neuerliche kritische Belastung des Personals.
In Europa wurden in den vergangenen Jahren Spitäler und Spitals-Abteilungen geschlossen und Betten abgebaut. Das heißt aber nicht, dass diese nicht gebraucht würden. Die entsprechenden EU-Vorgaben sagen ja auch “nur”, dass sie nicht öffentlich finanziert werden sollen. Private, so das neoliberale Mantra, sollen am Gesundheitsmarkt mitmischen und Geld verdienen.
Es braucht daher ein grundsätzliches Umdenken im Gesundheitssystem. Das Profitstreben und Effizienzstreben im Gesundheits- und Pflegebereich gefährdet die kollektive Gesundheit. Es braucht dagegen eine Rücknahme der Privatisierungen und eine weitgehende Eingliederung in die öffentliche Daseinsvorsorge:

  • Notwendig ist der Ausbau des Gesundheitssystems einschließlich besserer Bezahlung und Arbeitsbedingungen der systemrelevanten Kräfte.
  • Die 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich bei allen Gesundheits- und Sozialberufen muss jetzt kommen. Das setzt eine forcierte Ausbildungsof­fensive in diesen Bereichen voraus.
  • Impfstoffe müssen globales Gemeingut werden: Eine globale Pandemie lässt sich nur global besiegen. Impfstoffe sollten der privaten Profiterzielung entzogen werden: Freigabe aller Impfpatente zur globalen Bekämpfung der Pandemie; Vergesellschaftung der Pharmaindustrie.
  • Zudem ist nicht einzusehen, dass verschiedene Impfstoffe, die bereits breit und sicher eingesetzt werden, in Europa und Österreich – insbesondere aus politischen Gründen – nicht eingesetzt werden.
  • Alle Formen der Kooperation bei der Impfstoffproduktion und Auslieferung müssen ausgeschöpft werden. Das gilt auch für alle Formen der Kooperation bei der Implementierung von Mutationen in weitere Impfstoff-Generationen.
  • Die KPÖ fordert zudem die Aufnahme der nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion, insbesondere im Zusammenhang von Infektionsclustern am Arbeitsplatz, in die Liste der anerkannten Berufserkrankungen.

Umverteilung von Oben nach Unten

Die Kluft zwischen Armut und Reichtum geht weiter auf. Trotz der schwersten Wirtschaftskrise seit 1945 sind die Vermögen der Reichen um nahezu 30 Prozent gestiegen. Nach der Überwindung der gesundheitlichen Krise werden soziale und wirtschaftliche Folgen für die Mehrheit der Bevölkerung weiter bestehen bleiben.
Derzeit führen die Hilfsprogramme in erster Linie dazu, dass der Staat von wirtschaftlichen Interessensgruppen geplündert wird. Eine geschlechterne­utrale Verteilung der sogenannten Hilfsgelder erfolgt nachweislich nicht. Die Bewältigung der Staatsschulden darf nicht – wie nach der Finanzkrise 2008 – zu weiteren Sparprogrammen in den Bereichen der Daseinsversorgung führen.

Dazu gibt es Alternativen:

  • Ein einmaliger Corona-Lastenausgleich auf hohe Vermögen ab 5 Millionen Euro, wie von der NGO Attac gefordert.
  • Einführung ordentlicher Vermögenssteuer und Erbschaftssteuern für Superreiche.
  • Besteuerung von Spekulation und Einführung einer Finanztransak­tionssteuer.
  • Keine Steuererleichte­rungen und Steuerkürzungen für Konzerne wie im türkis-grünen Regierungsprogramm vorgesehen.
  • Spitzenbezüge höher besteuern (beispielsweise verdient ein Vorstand eines ATX-Unternehmen im Durchschnitt 1,9 Millionen Euro im Jahr und damit das 57-fache eines mittleren Einkommens).
  • Aufhebung der Höchstbemessun­gsgrundlage bei allen Krankenversiche­rungsbeiträgen.
  • Aufhebung des “Kostendämpfun­gspfades” für alle Bereiche der Gesundheitsver­sorgung.

Die Pandemie ist keine Naturkatastrophe.

Es ist praktisch unbestritten, dass es sich bei Covid-19 um eine Krankheit handelt, die durch die Übertragung von Viren in Tieren auf den Menschen – eine Zoonose – entstanden ist. Sie ist Folge des menschlichen Raubbaus an der Natur. Denn es ist die Zerstörung ihrer Lebensräume, neben dem Anstieg der Temperaturen durch den Klimawandel, der die Wildtiere anfälliger für Krankheiten macht.
Gleichzeitig bringt das Tiere näher an den Menschen, etwa auf der Suche nach Nahrung. Rund 30 Prozent der Infektionskran­kheiten gehen auf Landnutzungsände­rungen wie die Abholzung des Regenwaldes zurück. Daran ist auch die EU direkt beteiligt: 16 Prozent der Zerstörung des Regenwalds im globalen Maßstab sind notwendig, um europäische Konsumansprüche zu befriedigen; Österreich ist alleine für Abholzungen in Größenordnung des Neusiedlersees verantwortlich.
Ändert sich an der weltweiten Zerstörung der Lebensgrundlagen nichts, werden Zoonosen zunehmen. Auch aus dieser Perspektive ist es also unerlässlich, Umweltschutz sowie den Erhalt der Artenvielfalt und Klimapolitik in den Mittelpunkt unserer politischen Anstrengungen zu rücken.

Eine solidarische Gesellschaft ist eine krisenfeste Gesellschaft

Die Corona-Pandemie hat wie in einem Brennglas aufgezeigt, dass unsere Gesellschaft in vielen Bereichen auch ohne Krisen an Belastungsgrenzen gerät. Es gibt in vielen sozialen Bereichen keine Reserven mehr, die in akuten Notlagen herangezogen werden können. Seien es die Krankenhausbetten, die jahrzehntelang eingespart wurden, sei es der Wohnungsmarkt, seien es tragfähige Ressourcen zur breiten, psychosozialen Versorgung generell oder auch der psychischen Belastung der Menschen im Lohnarbeitsleben.
In der öffentlichen Diskussion wird das oft als fehlende Resilienz bezeichnet. Alle Erkenntnisse aus der Pandemie-Bekämpfung müssen genutzt werden, um eine krisenfestere Gesellschaft zu erstreiten. Dazu gehört auch eine andere Form des Zusammenlebens, des Wirtschaftens und der Verteilung von Arbeitsbelastungen.
Grundsätzlich darf es nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie nicht mehr geschehen, dass die Menschheit unvorbereitet in eine Epidemie gerät. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass mit neuartigen Infektionskran­kheiten auch in Zukunft in kürzeren Abfolgen zu rechnen ist.
Deswegen müssen wir entsprechende Präventionsmaßnah­men durchsetzen – auch im Zusammenhang mit einem radikalen Umdenken in der Klimapolitik und einer Abkehr vom Raubbau an der Umwelt, der Tier- und Pflanzenvielfalt. Österreich muss sich diesbezüglich vom Bremser zum positiven Gestalter wandeln.
Es braucht daher eine demokratische Diskussion über den neuen Epidemieplan und wirksame Vorsorgemaßnahmen, damit die erfolgreiche Bewältigung einer kommenden Infektionskrankheit sozial gerecht und mit möglichst geringen Verlusten an menschlichem Leben gelingen kann.
Es ist nicht einzusehen, dass etwa für das Militär Waffen und Personal sinnlos gehortet werden, aber im Gesundheitsbereich unter dem Gesichtspunkt fragwürdiger “Effizienz” in Spitälern und anderen Gesundheitsein­richtungen insbesondere die Personalausstattung bis auf den Anschlag heruntergefahren wird, statt entsprechende Reserven für den Epidemiefall vorzuhalten. Die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen für die Bevorratung der Mineralöle könnten diesbezüglich beispielgeben­d sein.

Die KPÖ fordert daher:

  • Maßnahmen zur Versorgung mit Schutzkleidung, Medizintechnik und medizinischer Bioanalytik aus nationaler Produktion.
  • Die epidemiegerechte, präventive Adaptierung der Lebensbereiche der älteren Generation in Langzeitpflege­einrichtungen.
  • Einen Epidemiefonds des Bundes, der die Kosten abdeckt, die erforderlich sind, um in allen Senioren- und Pflegeheimen alle Voraussetzungen für ein epidemiegerechtes Besuchsmanagement zu schaffen.
  • Substantielle Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor Ort für das pflegende Personal in allen Praxisfeldern, in enger Abstimmung mit den gewerkschaftlichen Interessenver­tretungen.
  • Die forcierte und langfristig geplante Ausbildungsof­fensive für alle Bereiche der Gesundheits- und Sozialberufe durch einen Bundesfinanzi­erungsfond.
  • Die flächendeckende Etablierung von öffentlich betriebenen Gesundheits- Sozial und Beratungszentren auf kommunaler Ebene.
  • Den Aufbau einer nationalen Impfstoffforschung und Impfstoffproduktion sowie der Grundlagenforschung für medizinische Bioanalytik.
  • Ambitionierte Maßnahmen zum Klimaschutz unter Einbeziehung sozialer Aspekte; Umweltschutz setzt etwa eine Abkehr von der industrialisierten Landwirtschaft und vom Pestizideinsatz genauso voraus wie eine Änderung im Umgang mit dem Boden – Stichwort Versiegelung. Greenwashing einzelner Industrieprodukte und Auslagerung von Rodungen und Verschmutzungen verschieben dagegen die Probleme, lösen sie aber nicht.

KPÖ-Bundesvorstand, 17.4.2021

 

Quelle: KPÖ – Niemand zurücklassen! Solidarische Gesellschaft statt neue Normalität