Hunger nach Austausch

Mehr Interessenten als Sitzplätze: Gut 350 Aktive der Friedensbewegung haben am 11. und 12. Dezember auf dem Bundesweiten Friedensratschlag in Kassel über Lösungen für den Ukraine-Krieg, die Entstehung einer neuen multipolaren Weltordnung und Chancen für eine neue globale Friedensordnung diskutiert. Das Motto in diesem Jahr: „Unterwegs zu einer neuen Weltordnung – Weltkrieg oder sozialökologische Wende zum Frieden“.

Der jährlich stattfindende Friedensratschlag konnte in den beiden Vorjahren Corona-bedingt nur online stattfinden. Das Bedürfnis, die wichtigsten Fragen der Friedensbewegung wieder in Präsenz zu diskutieren, war groß – erst recht nach dem Eintritt Russlands in den Ukraine-Krieg am 24. Februar. So reichten die 270 Sitzplätze im Saal des Philipp-Scheidemann-Hauses nicht für alle Teilnehmer. Die Podiumsdiskussionen wurden deshalb live in Nebenzimmer übertragen.

Jutta Kausch-Henken eröffnete die Podiumsdiskussion zur globalen Umbruchsituation mit der Feststellung, im Ukraine-Krieg manifestiere sich der Kampf zwischen dem Festhalten der USA an einer unipolaren Weltordnung und dem Aufbruch in eine multipolare. Zentral sei nämlich nicht der Konflikt mit Russland, sondern der mit China, sagte Jörg Kronauer. Das sahen auch seine Mitdiskutanten Christin Bernhold, Peter Wahl und Karin Kulow so.

Kontroverser verlief die Podiumsdiskussion zur Einschätzung des Ukraine-Krieges am Samstagnachmittag. Für Hermann Kopp (Bundesausschuss Friedensratschlag), Helmut Lohrer (IPPNW), Wiltrud Rösch-Metzler (Kooperation für den Frieden) und Ulrich Schneider (FIR, VVN-BdA) verstößt Russlands Einmarsch in der Ukraine gegen das Völkerrecht. Das rief Kritik aus Teilen des Publikums hervor. Franziska Hildebrandt (SDS Hamburg), Lohrer und Kopp betonten, der jetzige Krieg in der Ukraine habe eine Vorgeschichte. Einigkeit hingegen in der Frage nach deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine: Die Friedensbewegung müsse sich klar dagegen positionieren, befanden alle Diskutanten. Dissens zeigte sich wieder in der Frage der Abgrenzung von Antikriegsprotesten gegen Rechts. Vor allem Schneider bestand darauf, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit Nazis geben dürfe. Angesichts der Atomkriegsgefahr wollte Kopp hingegen selbst Mandatsträger der AfD nicht grundsätzlich ausschließen. Er verwies dabei auf Erfahrungen des Nationalkomitees Freies Deutschland. Die Verhinderung eines Atomkriegs könne kein rein linkes Projekt sein, sagte Lohrer unter großem Applaus. Für ihn sei aber klar, dass man sich nicht mit Nazis an einen Tisch setze.

Einzelne Redebeiträge verwiesen immer wieder auf den Zusammenhang zwischen Friedens- und sozialer Frage. Den buchstabierte die Bundestagsabgeordnete Sevim Dag˘delen in ihrem Vortrag am Sonntag aus. Der westliche Sanktionskurs gegen Russland und zunehmend auch China habe katastrophale Folgen für Menschen und Unternehmen in Deutschland. „Als Linke und Friedensbewegung sollten wir unsere Proteste nicht spalten lassen.“

Die Abschlusserklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag ist unter kurzelinks.de/abschlusserklaerung-friedensratschlag abrufbar.

Quelle: Unsere Zeit