10. Oktober 2024

Ein Schritt nach vorne? Das US-kubanische Verhältnis im Januar 2023

Das neue Jahr hat für Kuba bereits mit wichtigen Änderungen begonnen, die den Rest von 2023 weiter prägen werden. Seit dem 6. Januar hat die US-Vertretung in Havanna wieder regulär geöffnet und bietet wie angekündigt 30.000 Visa pro Monat, verteilt auf Kuba, Nicaragua, Venezuela und Haiti. Wer jetzt noch die Grenze illegal überquert, wird abgeschoben und verliert die Möglichkeit, in Zukunft legal einzureisen, kündigte die Botschaft auf Twitter an. Hinzu kommt die Ankündigung von Western Union, seit dem 11. Januar wieder Geld nach Kuba zu überweisen. Zwar zunächst nur in kleinem Umfang (20 Filialen in Florida), doch in nicht allzu ferner Zukunft soll der Dienst wieder breit verfügbar sein.

Zeitgleich mit der Rückkehr von Western Union führte Kubas Banco Metropolitano neue Limits für Obergrenzen bei Geldabhebungen und Überweisungen an. So dürfen natürliche Personen ab sofort nur noch 120.000 Pesos oder 5.000 Dollar pro Monat abheben. Das Limit pro Überweisung liegt bei 80.000 Pesos oder 1.000 Dollar. Einkäufe und Transaktionen mit juristischen Personen sowie Geschäftskonten von Unternehmen sind von den Limits nicht betroffen. Die Obergrenzen werden künftig auch für andere Banken gelten, während die Wechselstuben (CADECA) seit kurzem als Zusatzservice Bargeldeinzahlungen für Girokonten entgegennehmen. Ein kleiner Anreiz, mit dem einem möglichen Rückgang der Konto- und Magnetkartennutzung entgegengewirkt werden soll. Hilfreicher wäre die Einführung attraktiver Zinssätze für Tages- und Festgeld sowie die Möglichkeit, wie international üblich, Limits und Ausnahmeanträge ohne Gang in die Filiale im Onlinebanking eigenständig zu verwalten.

Mit diesen Neuerungen wurden wesentliche Stellschrauben der ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Insel gleich zu Beginn des Jahres neu konfiguriert. Mit welchen Auswirkungen?

Die Rückkehr von Geldsendungen aus den USA (dem Land, in dem der größte Teil der kubanischen Exilcommunity lebt) bedeutet auf mittlere Sicht eine nicht unbeträchtliche Öffnung des Devisenhahns, der Kuba seit Amtsantritt Donald Trumps von US-Seite seit 2016 suksessive immer weiter zugedreht wurde. Zum ersten Mal seit 2020 besteht wieder die Möglichkeit, von den USA aus legal und schnell Geld nach Kuba zu senden. Frühere Obergrenzen wurden bereits im Mai vergangenen Jahres gestrichen, womit sich die zaghaften Lockerungen unter US-Präsident Joe Biden nach sechs Jahren diplomatischer Eiszeit in eine Realität verwandelt haben. Vor der Pandemie lag der Wert der Remesas bei 3-4 Milliarden US-Dollar pro Jahr und rangierte damit noch vor den kumulierten Einkünften aus Tourismus, Zuckerrohr- und Tabakernte.

Frisches Geld kommt nach Kuba, wovon nicht nur Familien, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) profitieren werden. Mit den Obergrenzen bei Banktransaktionen für Privatpersonen soll laut Begründung der Bank Geldwäsche und Steuerhinterziehung vorgebeugt werden, indem eine Trennung in private und unternehmerische Konten erfolgt. Für letztere gelten die Beschränkungen nämlich nicht und genau dort könnten jetzt größere Beträge landen, aus denen nicht wenige der inzwischen rund 6500 KMU ihr Startkapital schöpfen. Der bisher üblichen Nutzung von Privatkonten für Geschäftszwecke an der Steuer vorbei soll damit das Wasser abgegraben werden. Soweit so nachvollziehbar. Soll dies jedoch nachhaltig gelingen, muss die Verfügbarkeit von Devisen auf den Banken gegeben sein und sich der informelle Wechselkurs noch stärker in Richtung des offiziellen 120er Kurses bewegen.

Die Entwicklung scheint jedoch tendenziell in diese Richtung zu gehen. Wie der ehemalige Zentralbankökonom Pavel Vidal schreibt, hat sich mit dem Schritt der Druck auf den informellen Währungsmarkt erhöht, während sich der Peso langsam zu stabilisieren beginnt: Seit Ende Dezember fiel der Wert des Dollars auf dem Schwarzmarkt von 175 auf 160 Pesos.

Die Änderung der US-Migrationspolitik hin zu einer legalen und sicheren Auswanderung, eine langjährige Forderung von kubanischer Seite, zeigt bereits jetzt erste Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das Gespräch über den gefährlichen Landweg über Nicaragua wich einer Welle von Spekulation und Memes über den „Patrocinador“, den Sponsor und Bürgen, der jetzt bereits im Vorfeld in den USA „eingekauft“ werden muss, um die Chance auf ein Visum zu erhalten. Zwischen 15.000 und 20.000 US-Dollar sind notwendig, um über diesen Weg eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Damit wird die aktuelle Ausreisewelle gedämpft und gleichzeitig humanisiert: Es bleibt abzuwarten, wie viele sich jetzt angesichts drohender Abschiebung und der eingebüßten Chance auf einen späteren legalen Aufenthaltstitel noch in die Hände von Schleusern oder auf den weitaus gefährlicheren Seeweg nach Florida begeben werden. Voraussetzung war die Zusage Havannas, illegal aufgegriffene Migranten wieder aufzunehmen, was bereits seit einigen Wochen umgesetzt wird. Regelmäßig berichtet das kubanische Fernsehen über die Abschiebungen. Nach letzten Informationen des Innenministeriums wurden bislang 1484 Personen in 14 Deportationen – sowohl auf dem Luft, als auch auf dem Seeweg – wieder nach Kuba befördert. Zuletzt brachte gestern ein Schiff der US-Küstenwache eine Gruppe von 83 auf See aufgegriffenen Personen in die Provinz Artemisa zurück. Das Nachsehen haben all diejenigen, die bereits in der Mitte des Weges irgendwo zwischen Nicaragua und Texas gestrandet sind und für die bislang keine Lösung in Aussicht gestellt wurde.

Der Dialog zwischen Kuba und den USA hat indes gerade erst begonnen. Am Mittwoch und Donnerstag fand die letzte (und die erste dieses Formats seit 2018) Gesprächsrunde statt, bei der es um Rechts- und Migrationsthemen ging. Dabei habe ein „respektvoller Ton“ geherrscht, erklärte die kubanische Seite. Weitere Lockerungen, wie die Streichung Kubas von der Liste der Staatssponsoren des Terrorismus (eine Maßnahmen, mit der die Insel 2021 durch Trump erneut vom weltweiten Finanzsystem abgeschnitten wurde), scheinen jetzt in greifbarer Nähe. Im November setzte Biden seinen alten Freund Christopher Dodd als neuen Sonderberater für die Amerikas ein. Dodd, der sich schon seit längerer Zeit für eine Abkehr von der Sanktionspolitik Washingtons einsetzt, könnte zur Schlüsselfigur in einer neuen Phase der Annäherung zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten werden. Doch die Zeit drängt. Schon bald wird in den USA wieder der Wahlkampf beginnen und wer Biden nachfolgt, ist zur Stunde vollkommen unklar. „Wir haben keine Zeit zu überlegen, wer als erstes oder nächstes handeln soll. Wenn sie etwas von Bedeutung erreichen wollen, bevor sich das Zeitfenster schließt, müssen sowohl Präsident Biden als auch Präsident Díaz-Canel die Dringlichkeit des Augenblicks begreifen“, mahnt der Politikwissenschaftler und langjährige Kenner der US-kubanischen Beziehungen, William LeoGrande.

Der Januar hat für die Kubaner in diesem Sinne vor allem mehr Klarheit und Perspektive gebracht. Hinzu kommt die in den vergangenen Wochen erfolgte Stabilisierung des Stromnetzes. Seit Mitte Dezember sind die täglichen mehrstündigen Stromsperren fast vollständig ausgeblieben. Zwar warnte Energieminister O’Levy bereits, dass der Februar aufgrund von Wartungen wieder vereinzelte Abschaltungen bringen werde, jedoch würden diese „nicht vergleichbar sein mit den 10, 12 Stunden, die wir im Oktober hatten“, so der Minister. Für die Erholung der Wirtschaft, von der Landwirtschaft, über den Tourismus bis hin zum Inflationsniveau, ist die Stabilität der Stromversorgung von elementarer Bedeutung. Sollte es gelingen, weiterhin für Licht zu sorgen und Überraschungen zu vermeiden, könnten all die oben genannten Faktoren wieder in eine positive Dynamik für die Insel münden. Oder um es mit den Worten des ehemaligen BBC-Korrespondenten in Havanna, Fernando Ravsberg, auszudrücken: „Bisher sieht es so aus, als habe das Jahr 2023 für Kuba ziemlich gut angefangen“.

Quelle: Cuba heute

Cuba heute