11. Dezember 2024

Bundeswehrpropaganda für Jugendliche: Ben dient Deutschland

Übernommen von Zeitung der Arbeit:

“Ben dient Deutschland”, so heißt der Propaganda-Comic der Bundeswehr, der heuer im Herbst erschienen ist. Er handelt vom Werdegang eines jungen Bundeswehrsoldaten und dessen moralischen Dilemmas. Der Comic versucht, Argumente vom familiären Einspruch bis hin zu Kriegsverbrechen zu widerlegen.

Berlin. Ben dient Deutschland ist momentan ausschließlich als PDF über die Webseite der Bundesregierung und die Webseite der Bundeswehr erhältlich und soll ab 2025 für Bundeswehr-Angehörige in Druckform bestellbar sein. Zweck des Comics soll es laut Bundeswehr sein, auf die besondere Verantwortung des Soldatenberufs aufmerksam zu machen. Von einem Versuch der Nachwuchsgewinnung distanziert sich die Bundeswehr hingegen. Sobald man den Comic öffnet, ist der Anschein aber wohl ein anderer, denn der Comic macht unter anderem offen Propaganda gegen Russland, für die Ukraine, für die NATO und relativiert Kriegsverbrechen in Vietnam, Irak und Afghanistan. Und das Ganze im Comic-Format, um es leicht für Jugendliche und junge Erwachsene zugänglich zu machen.

Die Geschichte beginnt mit einem Vergleich des Protagonisten Ben mit seinem Urgroßvater, der sechs Jahre lang in der Wehrmacht gedient hat. Der NS-Faschismus wird denunziert, aber nicht weiter behandelt. Anschließend wird mit der DDR abgerechnet. “Deutschland wird geteilt” und Wehrpflichtige “müssen der Nationalen Volksarmee ihre Treue und bedingungslosen Gehorsam schwören”. Dass die Sowjetregierung unter Stalin eine Wiedervereinigung eines neutralen Deutschlands gewünscht hat und die NATO-Staaten dies blockierten, und dass Westdeutschland zuerst die Wehrpflicht eingeführt hat, wird dabei nicht erwähnt. Jedenfalls ist somit die Vergangenheit des deutschen Militärs sowohl im Dritten Reich und der DDR in nur vier Seiten als böse abgetan und wir kommen zur guten Bundeswehr und Bens Werdegang.

Vorerst gibt es eine Vorstellung der Situation, in der sich der 19-jährige Ben befindet. Er hat sich kürzlich dazu entschieden, zur Bundeswehr zu gehen, und seine pazifistische Schwester Hannah protestiert diese Entscheidung immens. Symbolisch dafür trägt seine Schwester immer einen Pullover mit dem Peace-Symbol ☮. Es ist September 2014 und die Nachrichten berichten von Russlands Annexion der Krim, separatistischen Auseinandersetzungen und einer vermehrten Militärpräsenz seitens Russland. Ben ist Rekrut in der Luftwaffe und untergeht hartes Training in der Grundausbildung. Ben in Uniform macht auch schon die ersten schlechten Erfahrungen. So äußert eine Frau in der Bahn, dass sie nicht neben einem Soldaten sitzen möchte, und als im Radio von den Parlamentswahlen berichtet wird, meint Hannah zynisch, dass er jetzt endlich in den Krieg ziehen könne. Besonders ist an dieser Stelle auch der Wortlaut des Radioberichts: “Nach dem sich bei den ukrainischen Parlamentswahlen vergangenen Sonntag proeuropäische Parteien durchgesetzt haben”. Er zeigt das offensichtliche Schwarzweiß-Schema, in das ukrainische Parteien eingeordnet werden. Es gibt nur ein Kriterium, das zählt: pro-russisch oder pro-europäisch (gemeint ist wohl pro-EU).

Nach einer kurzen Erwähnung, dass es schwierig ist, familiären und freundschaftlichen Kontakt aufrecht zu halten, während man Soldat ist, gibt es Informationen zum Schießen bei der Bundeswehr. Dabei täuscht ein Kamerad von Ben an, ihn zu erschießen. Derselbe Kamerad erzählt nach seinem Gelöbnis bei einer weiteren Schießübung davon, seine Patronen anfeilen zu wollen, um möglichst schwer versorgbare Wunden zu verursachen, falls es hart auf hart kommt. Da dies durch Artikel 23 der Haager Landkriegsordnung geächtet ist, protestiert ein weiterer Kamerad diese Aussage und bekommt dafür später eine Zielscheibe auf das T‑Shirt gemalt. Die Pointe davon ist, dass Ben dies seiner Vorgesetzten meldet, aber wie in der Realität jedoch nicht dargestellt wird, dass gegen unangebrachtes oder gar kriegsverbrecherisches Verhalten Maßnahmen getroffen werden.

Eine weitere Episode handelt von Bens moralischen Überlegungen zu dem Kriegsfilm Lone Survivor (2013), welcher auf einer wahren Geschichte basiert. Vier amerikanische Navy SEALs treffen bei ihrer Spähmission auf Hirten, entweder sie ermorden die Hirten oder sie werden höchstwahrscheinlich von den Hirten an die Taliban verraten. Selbstverständlich handelten die SEALs moralisch korrekt, wurden verraten und drei von ihnen starben. Was das US-Militär in Afghanistan verloren hat, bleibt jedoch offen.

Bei einem freiwilligen Sonntagsdienst wird Ben von einem Rabbi auf einen Kaffee eingeladen, dieser erzählt ihm von jüdischen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Dieser widerspricht sich jedoch einfach selbst: “Nicht zu Morden, zählt bei uns zu den wichtigsten Geboten.”, “Aber sich zu verteidigen, ist auch wichtig. […]”. Vielleicht soll hiermit unterschwellige Israel-Unterstützung ausgesprochen werden, denn keine andere Religion bekommt derartigen Zuspruch im Comic.

Auch die UN-Charta und welche Militäreinsätze durch sie gedeckt sind, wird thematisiert. Es wird betont, dass heute das gerecht ist, was durch sie gedeckt ist. Auch hier wird sofort widersprochen, denn 1999 werden deutsche Kampfflugzeuge im Kosovo eingesetzt, ohne durch die UN-Charta gedeckt zu sein. Ben ist sich vorerst unsicher und denkt sich, dass er solchen Fragen lieber ausweicht. Später ist Bens Schluss jedoch klar, als er gegenüber seiner Schwester Hannah behauptet, dass er doch die Uniform der Guten tragen würde. Hannah kontert daraufhin mit Beispielen von Kriegsverbrechen westlicher Demokratien, wie Napalm in Vietnam, Folter im Irak und Ermordung Gefangener in Afghanistan. Dieses Argument wird einfach links liegen gelassen und Ben rechtfertigt sich damit, dass es “sich richtig anfühlt” und er “Teil von etwas ist”. Im Rahmen einer Übung zu “Befehl und Gehorsam”, wo darauf hingewiesen wird, dass man als Soldat für die Befehle, die man durchführt, mitverantwortlich ist, merkt Ben an, dass er gerne noch über die Beispiele seiner Schwester Hannah geredet hätte, aber unterlässt dies da sie jetzt schon im Gleichschritt laufen. Eine weitere Behandlung dieser Kriegsverbrechen der NATO kommt nicht vor. Als Leserin und Leser muss man also den Schluss ziehen, dass die UN-Charta und Kriegsverbrechen für die Bundeswehr also keine Rolle spielen, Hauptsache die Soldaten machen, was befohlen wird.

Gegen Ende lädt Ben seine Familie zu seiner Vereidigung ein, Hannah kommt jedoch nicht und lässt ihrer Mutter einen Brief mit dem Text “Pass auf, dass es gut bleibt.” und einer Peace-Sign-Halskette übergeben. Seine Schwester hat also akzeptiert, dass Ben für das Gute dient. Anders als bei der Nationalen Volksarmee ist die Vereidigung bei der Bundeswehr natürlich kein Problem und somit sagt Ben gemeinsam mit seinen Kameraden den Spruch auf: “Ich schwöre, … Ich gelobe, … der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen … und das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. So war mir Gott helfe.”

Abschließend gibt es noch einen Zeitsprung. Ab Februar 2022 wird Ben als Oberfeldwebel bei der NATO-Beistandsinitiative enhanced Forward Presence Battlegroup Litauen als Teil der 11. Rotation stationiert. Dabei wird erklärt, dass eine dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen in Osteuropa gegen die NATO-Russland-Grundakte von 1997 verstößt. Und man deshalb trotzdem dauerhaft Truppen dort stationiert, aber diese halbjährlich auswechselt. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist die Bundeswehr in Litauen dazu da, “das Recht und die Freiheit zu verteidigen”. Abschließend steht ein Gespräch mit einem wichtigen Politiker an, in dem Ben stellvertretend für die Bundeswehr angibt, für Frieden zu stehen und die Halskette seiner Schwester herzeigt.

Alles in allem beschäftigt sich Ben dient Deutschland mit häufigen Einwänden, die Berufssoldaten in ihrem Berufsleben zu spüren bekommen, mit den moralischen Konflikten, die sich auftun, und versucht diese zu Gunsten der Bundeswehr zu entkräften.

Auch der Podcast 99 zu EINS behandelt in Folge 446 Ben dient Deutschland

Quelle: Zeitung der Arbeit

FriedensbewegungZeitung der Arbeit