9. Juli 2025

9. Juli 2025
KomInternÖsterreich

„Hitzefrei!“ – und zeitgemäße Arbeitsschutzmaßnahmen

Übernommen von KOMintern:

Die brütende Hitze der letzten Tage hat es wieder in sich. Begleitend warnen die Internationale Arbeitsorganisation ILO und Wissenschaften auch immer nachdrücklicher vor den Hitzebelastungen am Arbeitsplatz und für das Gefüge körperlicher Arbeit insgesamt.

Denn derartige Extremtemperaturen sind bekanntlich nicht nur drückend, sondern auch gesundheitsschädigend und für vulnerable (besonders bedrohte) Gruppen sowie diverse Arbeitstätigkeiten schlicht lebensgefährlich. Entsprechend gibt es seit der Jahrtausendwende auch in Österreich zunehmend Jahre mit mehr Hitzetoten als Straßenverkehrsopfern. Ab einem gewissen Punkt an Hitze und jeweiliger Luftfeuchtigkeit (sog. „Kühlgrenztemperatur“, „Feuchtkugeltemperatur“) kann der Körper sogar keine Wärme mehr an die Umgebung abgeben, also sich durch Schwitzen (Verdunstungskühlung) nicht mehr vor Überhitzung schützen, sondern nimmt vielmehr Wärme von ihr auf. Es kommt zu lebensbedrohlichen Überhitzungen. Ein Zustand, zu welchem hin Teile des Globus heute schon tendieren.

Entsprechend erliegen in der Gegenwart jährlich weltweit bereits bis zu einer halben Million Menschen den Folgen extremer Hitze. Mehr als pro Jahr durch Fluten, Erdbeben, Stürme und Hurrikans zusammen ums Leben kommen.

Da hilft auch keine Gewöhnung an Hitze oder maskulines Getue mehr. Bei einer derartigen Entwicklung, so der bekannte Klimaforscher Hans J. Schellnhuber, „würden in manchen Weltgegenden Temperatur und Luftfeuchte in einem für den Menschen unerträglichen Maße zunehmen. Da geht es nicht ums Wohlfühlambiente, sondern um das nackte Überleben außerhalb klimatisierter Räume. Körperliche Arbeit auf dem Bau oder in der Landwirtschaft würde dann ganz unmöglich.“

Aber auch in unseren Breiten läuten bereits heute die Alarmglocken. Zumal die Hitzebelastung am Arbeitsplatz in Europa schneller steigt als anderswo und zahlreichen Berufsgruppen den Arbeitsalltag regelrecht zur Hölle macht. Das betrifft zumal nochmals insbesondere vulnerable Gruppen und Arbeitstätigkeiten, die teils bis an die Grenzen des für menschliche Körper unter Hitze Zumutbaren, ja Verkraftbaren reichen. Und das belangt beiweilen nicht „nur“ Arbeiten im Freien, sondern zahlreiche Arbeitsplätze. So markieren auch etwa Tätigkeiten in Arbeitsräumen oder in Fahrerkabinen breitflächige Hitzepole. Unter solchen Bedingungen sinken nicht nur Leistungsfähigkeit und Konzentration deutlich ab – und zwar sowohl körperliche wie geistige Tätigkeiten betreffend –, sondern nimmt umgekehrt auch das Risiko der Fehlerhäufigkeit, für Unfälle und (bleibende) gesundheitliche Schäden deutlich zu (angefangen von Sonnenstichen, Dehydrierungen, Schwindel, Kreislaufproblemen und Hitzeschlägen, über Erschöpfung, ständige Kopfschmerzen, zu schweren Herz-, Lungen- und Nierenproblemen oder auch Hautkrebs – bis zum Tod).

Folglich ist es denn auch allerhöchste Zeit für entsprechende, zeitgemäße Arbeitsschutzregelungen (von gesonderten Schatten- und Trinkpausen zu generellen Hitzepausen, normierten Raumtemperaturen mit maximal 25 Grad, Abschattung vor direkter Sonneneinstrahlung, Lockerung eventuell bestehender Kleidungsvorschriften, Einschränkung von Mehrarbeit und Überstunden an Hitzetagen bzw. hitzebedingte Höchstarbeitszeiten von max. 8 Stunden, Recht auf Homeoffice, etc.) und „hitzefrei“ ab bestimmten unzumutbaren Temperaturen.

Demgemäß fordert etwa die Gewerkschaft Bau-Holz schon seit Längerem den Rechtsanspruch auf „hitzefrei“ ab 32,5 Grad und hat zudem auch eine Hitze.App für die Beschäftigten entwickelt. Denn bislang obliegt die Möglichkeit, Bauarbeitern (sowie Zimmerern, Gipsern, Dach­deckern und Gerüstern) nach dem Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz (BSchEG) ab 32,5 Grad „hitzefrei“ zu geben in Österreich der freien Entscheidung der Bau-Unternehmen und Arbeitgeber. Zum anderen hatten bis zur Entwicklung der Hitze.App nur die Arbeitgeber Zugang zur nächstgelegenen Messstelle der vormaligen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) – heute: GeoSphere –, deren Messwerte als Richtwerte gelten, was stets große Unsicherheiten unter den Beschäftigten nach sich zog.

Aus ÖGB und AK mehren sich denn parallel auch jene Stimmen, die generell einen weiter ausgelegten Rechtsanspruch auf „hitzefrei“ ab 30 Grad fordern – auch für Indoor-Arbeiten, „solange der/die Arbeitgeber:in keine kühlere Alternative anbietet“. Auch die Gewerkschaft Bau-Holz unterstützt diese Forderung nach einer generellen Reform des Arbeitnehmer:schutzgesetzes für ein rechtlich abgesichertes „Hitzefrei“ ab 30 Grad Outdoor sowie auch Indoor nachdrücklich.

Zeitgemäße Hitzeschutz- und Arbeitsrechtsregeln braucht es nämlich nicht minder dringend ebenso, um die vielschichtige Bandbreite nur anzudeuten, für beispielsweise Gießereiarbeiter:innen, Schwerarbeit, Belegschaften in Fabrikshallen, Straßenbahn- und Busfahrer:innen bzw. generell für Berufsgruppen mit einem Mangel an sanitären Anlagen und Toiletten, auf Montage, für Küchenpersonal und Personal in Backshops und Backstuben, die mobile Pflege, für Pädagog:innen, oder auch Reinigungskräfte.

Für viele von ihnen geht es zudem nach einem drückenden Arbeitstag „nicht ins Freibad, sondern ins Bett“, wie eine AK-Reportage aus dem Bäckereigewerbe diesen weiteren Punkt gerade pointierte. „Viele Mitarbeiter:innen müssen nach Dienst­schluss zunächst einmal schlafen, weil die tem­peratur­bedingte Er­schöpfung einfach zu groß ist“ – so die Betriebsratsvorsitzende der Aida-Kette Nathalie Fally.

Freilich, so dringend erforderlich und unumgänglich derartige Weiterentwicklungen der Arbeitnehmerschutzgesetze sind, ohne gleichzeitig auch gewerkschaftlich die Klimapolitik auf die oberste Agenda zu setzen, befinden wir uns auf dem direktesten Weg einer noch viel gravierenderen Aufheizung der Erde. Oder in den Worten der Weltorganisation für Meteorologie: „Anpassung an den Klimawandel reicht nicht. Wir müssen das Problem an der Wurzel packen.“

Quelle: KOMintern