Kommunisten Kataloniens: Für die Katalanische Republik und ein soziales Katalonien!

Plakat der Comunistes de Catalunya zur Diada Nacional 2015Die katalanische kommunistische Partei, Comunistes de Catalunya, hat aus Anlass des heutigen Nationalfeiertags Kataloniens einen Aufruf zur Einheit des Volkes veröffentlicht, den wir nachstehend in eigener Übersetzung dokumentieren:

Katalonien ist eine Nation. Katalonien ist ein europäisches Land mit eigener Sprache und Kultur, mit einer unbestreitbaren tausendjährigen Geschichte und einer goldenen industriellen Vergangenheit. Es ist ein Land, das mit bestimmten Strukturen eines modernen Staats ausgestattet ist, wie mit einem Parlament, Regierungsinstitutionen, Gerichten und Polizeieinheiten. Zwischen 1978 und 2015 genoss Katalonien ein bestimmtes Maß an Autonomie zur Entwicklung eigener, differenzierter Politik. Dieses Maß war nach Ansicht der Mehrheit in Katalonien nie ausreichend im Rahmen eines Spanischen Staates, der große Mängel an Demokratie aufweist. In diesen 37 Jahren der Autonomie sind wir 29 Jahre lang von Convergència (Demokratische Konvergenz Kataloniens, bürgerlich-liberale Partei; Anm. d. Übers.) regiert worden, und nur acht Jahre durch eine linke Dreiparteienregierung aus PSC (Sozialdemokraten; Anm. d. Übers.), ERC (Republikanische Linke Kataloniens) und ICV-EUiA (linksgrün-sozialistische Allianz unter Einschluss der Kommunisten; Anm. d. Übers.). In dieser Zeit hat Convergència alle spanischen Regierungen unterstützt, die nicht über eine absolute Mehrheit verfügten, und diese Unterstützung immer damit begründet, dass sie für das Land von Vorteil wäre. Es erscheint deshalb nicht übertrieben, festzustellen, dass Convergència die Partei ist, die am meisten bestimmt hat, wie Katalonien heute aussieht.

Heute stützt sich Kataloniens Wirtschaft auf den Massentourismus und aus einen Dienstleistungssektor ohne wesentliche Wertschöpfung und in dem die Immobilien- und Eigentumsspekulation eine grundlegende Rolle spielt. Katalonien ist das Land in Europa, das in der letzten Zeit am meisten deindustrialisiert wurde: Der Anteil der Industrie am nationalen BIP Kataloniens gehört heute zu den niedrigsten in der EU. Katalonien ist eines der Länder in Europa mit dem geringsten Anteil der in der Hochtechnologie-Industrie beschäftigten Bevölkerung und gehört zu denen, die durch die Veranstaltung von Messen und Kongressen am meisten vom Dienstleistungssektor abhängen. Katalonien ist das Schlusslicht Europas bei Forschungs- und Wissenschaftsinvestitionen. Katalonien ist eine der Nationen Europas mit dem höchsten Anteil prekärer Beschäftigung, der höchsten Arbeitslosigkeit und der geringsten Produktivität. Katalonien ist eines der Länder mit dem höchsten Anteil an Familien, in denen alle Mitglieder erwerbslos sind, und mit einem der höchsten Anteile an von Armut betroffenen Personen. Katalonien ist eine der Nationen mit der größten sozialen Ungleichheit in Europa: Es hat ein über dem Durchschnitt liegendes BIP, aber auch mit die niedrigsten Sozialausgaben pro Kopf der Bevölkerung. Katalonien ist eine der Nationen Europas mit dem geringsten Anteil an Beschäftigten im öffentlichen Dienst pro Kopf der Bevölkerung und ist Vorreiter und Modell für die Auslagerung öffentlicher Aufgaben, mit einem Bildungs- und Gesundheitswesen, dessen private Anteile zu den höchsten in der EU gehören. Katalonien ist die Vorhut Kontinentaleuropas bei der Privatisierung und Kofinanzierung der öffentlichen Dienstleistungen. Katalonien ist das neoliberale Paradies Südeuropas, eine der Nationen mit der höchsten öffentlichen Verschuldung, von der der größte Anteil in den vergangenen Jahren angehäuft wurde.

All diese wichtigen Daten über Katalonien sind wahr und schrecklich. Sie nehmen allerdings keine Rücksicht darauf, ob jemand Katalanisch spricht, und gelten auch nicht nur in den gegenwärtigen Wahlkampfzeiten. In den vergangenen Jahren, seit dem Ausbruch der Krise 2008, hat die Regierungspartei einen populistischen Diskurs geführt, der für alles Böse, das Katalonien erleidet, den Spanischen Staat verantwortlich macht. Ein Diskurs, der zuvor bestimmten, marginalen Unabhängigkeitsbewegungen vorbehalten war. Die Position von Convergència hat zu einem populistischen Niedergang in der Gesamtheit der Unabhängigkeitsorganisationen geführt, die auf ihre strategischen Projekte verzichteten, um sich mehr oder weniger direkt der Wahltaktik einer Patriotischen Front anzuschließen, die von Convergència angeführt wird. ERC hat auf die Entwicklung einer Nationalen Linken verzichtet, die CUP hat die Strategie der Volkseinheit beiseitegeschoben. Inmitten der schlimmsten sozialen Krise in der Geschichte unseres Landes hat ein wichtiger Teil der katalanischen Linken darauf verzichtet, die neoliberale Politik der katalanischen Regierung in Frage zu stellen. Die politische Debatte wurde auf patriotische Begeisterung und die vereinfachende Diskussion von zwei reaktionären nationalistischen Konzeptionen reduziert: die der katalanischen Rechten und die der spanischen Rechten.

Wir Kommunistinnen und Kommunisten machen die in Katalonien von Convergència betriebene neoliberale Politik für die soziale Lage des Landes hauptverantwortlich. Das heutige Katalonien ist das Katalonien, das Convergència in der Hand von Jordi Pujol und Artur Mas im Bündnis mit der PP, der PSOE und mit Billigung der Bourbonen-Monarchie geschaffen hat. Für die Situation, die wir erleben, gibt es keine anderen Verantwortlichen. Aber für uns Kommunistinnen und Kommunisten sind die nationalen Probleme Kataloniens natürlich soziale Probleme, die ihre Hauptursache in der von den neoliberalen Regierungen betriebenen reaktionären Politik haben. Wir halten es für verlogen von den Verteidigern der Patriotischen Front, diese Realität zu leugnen.

Als Comunistes de Catalunya teilen wir mit der Mehrheit unseres Volkes das Ziel, unsere Souveränität zu erobern. Eine Souveränität, die für uns untrennbar verbunden ist mit Chancengleichheit, sozialer Gerechtigkeit, transparenter Regierung, internationalistischer Solidarität und einer Vertiefung der Demokratie. Wir erleben einen entscheidenden Augenblick für die Zukunft unseres Landes und sehen uns der Schlussphase eines Wahlzyklus gegenüber, der die Politik der kommenden Jahre bestimmen wird. Dies ist der Augenblick, zu entscheiden, ob Katalonien weiter das neoliberale Paradies des Billigtourismus im Süden Europas sein will, ein Modell der Ungleichheit und Ungerechtigkeit, oder ob wir den Willen haben, die Realität umzukehren und aus unserem Land ein Modell des Fortschritts, der Zusammenarbeit und der gleichberechtigten Verteilung des Reichtums machen.

Deshalb rufen wir an diesem 11. September mehr denn je zur Einheit des Volkes auf. Eine Volkseinheit, deren Aufbau mit den letzten Kommunalkandidaturen bereits begonnen wurde und durch die örtliche Institutionen in so wichtigen Städten wie Barcelona oder Badalona für das Volk zurückerobert werden konnten. Eine Volkseinheit, deren Aufbau in der Einheitskandidatur Catalunya Sí que es pot (Katalonien, Yes We Can; Bündnis aus ICV-EUiA, Podemos und anderen; Anm. d. Übers.) bereits begonnen wurde und die bei den Wahlen am 27. September die einzige ist, die ein soziales Programm vertritt. Eine Volkseinheit, die ihren Ausdruck in einfachen Wahlbündnissen überwinden muss, um eine echte gemeinsame Front der sozialen und demokratischen Basisbewegungen zu schaffen. Eine Volkseinheit, die in der Lage sein muss, ein gemeinsames soziales und nationales Projekt im Interesse der Arbeiterklasse und aller Volksschichten zu verteidigen, die die große Mehrheit der Bürgerschaft ausmachen. Eine Volkseinheit, die schließlich dafür notwendig ist, den verfassunggebenden Prozess einer Katalanischen Republik durchzuführen.

Wir Comunistes de Catalunya rufen auf zur Mobilisierung für die Katalanische Republik und das soziale Katalonien: Einheit des Volkes!

Barcelona, 10. September 2015

Quelle: Comunistes de Catalunya / Übersetzung: RedGlobe