Buhmann mit gelbem Nummernschild

Der Trend bei den Infektionszahlen sei um rund 30 Prozent rückläufig, erklärte Gesundheitsministerin Paulette Lenert am Dienstag in der Chamber gegenüber der Kritik aus der Opposition, die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie seien willkürlich und wirkungslos.

Die Zahlen sind tatsächlich zwar nicht weiter explodiert, stagnieren jedoch auf zu hohem Niveau, als daß Spielraum bliebe, eine weitere Steigerung verkraften zu können. Dazu kommt, daß die Nachbarländer mit härteren Maßnahmen die Kurve gedrückt bekamen und mittlerweile wieder vorsichtige Öffnungen wagen. Deutschland und die Niederlande sind seit diesen Tagen im harten Lockdown. Luxemburg sitzt mittendrin und droht ein weiteres Mal in diesem Jahr zum internationalen Buhmann zu werden, hat es doch, trotz Lockdown »light« und Ausgangssperre seit November, nach wie vor einen Spitzenplatz im Corona- »Medaillenspiegel« inne.

Während die Weihnachtstage näher rücken und damit auch die Zeit, in welcher man sich, unter Einhaltung aller hygienischen Regeln, nach langer Zeit mit seinen Liebsten im benachbarten Ausland treffen könnte, wächst die Gefahr, daß diese Nachbarländer aufgrund der exponentiellen Corona-Lage in Luxemburg ein weiteres Mal auf die Idee kommen könnten, Reisebeschränkungen einzuführen, um ihren eigenen Kampf gegen die Fallzahlen nicht zu gefährden. Dazu kommt, daß es bis ins neue Jahr hinein keine Reisetests gibt.

Zwar war es im Frühjahr keineswegs die Schuld Luxemburgs, daß es von seinen Nachbarn die Schlagbäume vor der Nase zugedonnert bekam, doch gab es bereits im Sommer im Zusammenhang mit der Einstufung zum Risikogebiet erste Momente, in denen klar wurde, daß das Vorgehen nicht immer kohärent ist.

Allerdings ist Luxemburg seit vielen Jahrzehnten ein Land, welches sich wirtschaftlich, durch falsche Ausbildungsakzente und die Arbeitsplätze im Land betreffend in eine Position manövriert hat, in der man, vorsichtig ausgedrückt, nicht mehr von voller Souveränität sprechen kann. Dies hat sich insbesondere im Frühjahr auf drastische Weise gezeigt, als es keine Hebel gab, gegen überzogene Maßnahmen der Nachbarländer Druck aufzubauen.

Und in der aktuellen Lage kommen nicht nur aus Belgien Seitenhiebe in Richtung Luxemburg, es trage eine Mitschuld an den hohen Fallzahlen in den angrenzenden Provinzen. Der bayerische Ministerpräsident Söder hatte kurz nach dem Lockdown-Beschluß auch gefordert, wieder eine Test-Obligation für Einreisende einzuführen. Nun zeigen die Fallzahlen zwar, daß Reisende nicht das Problem sind und es auch unerheblich ist, ob man sich in Luxemburg, Trier, Metz oder Berlin aufhält, solange man sich an die hygienischen Maßnahmen hält. Doch der nationalistische Reflex, die Gefahr komme von Außen, bleibt nicht zu unterschätzen.

Luxemburg hat im Frühling zu Recht, aber vergebens eine gemeinsame EU-Linie im Kampf gegen die Pandemie gefordert, als jedes Land sein Süppchen kochte. Luxemburg wollte sich aber auch an keiner Tracing-App beteiligen und kocht nun, wo die Corona-Lage wie schon vor langer Zeit erwartet an Fahrt gewinnt, wiederum sein eigenes Süppchen mit einem Mini-Lockdown und einer Alibi-Ausgangssperre, um den Wirtschaftsgrößen im Handel nicht auf die Füße zu treten.

Es macht bei allem Respekt vor dem konsequenten Auftreten im Frühjahr mittlerweile den Eindruck, als hangele sich die Pandemie-Politik Luxemburgs seit Sommer unter den Augen seiner Nachbarn von Woche zu Woche, viel Zeit verlierend, ohne viel Zählbares vorweisen zu können.

Christoph Kühnemund

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel : <br/>Buhmann mit gelbem Nummernschild