Zu aktuellen Fragen und den Aufgaben der DKP im Kampf gegen Krieg und Hochrüstung

Patrik Köbele: Referat der 4. PV-Tagung, 23./24. Januar, Essen

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich weiß nicht, ob es euch ähnlich ging, aber ich war diese Woche doch recht erschüttert über die Verfassung vieler Journalistinnen und Journalisten. Ich habe noch nie zuvor aus ihrem Munde so oft Sätze gehört, wie „sie wären zu Tränen gerührt gewesen“ oder „hätten Pipi in den Augen gehabt“. Es ging dabei immer um die Vereidigungszeremonie in Washington. Kamala Harris und Joe Biden wurden und werden geradezu als Heilsbringer gefeiert. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass der Konflikt Biden/Trump, Demokratische Partei versus Republikanische Partei aus unserer Sicht der Konflikt zwischen unterschiedlichen Fraktionen der herrschenden Klasse im US-Imperialismus ist. Natürlich gibt es dabei auch Formfragen und sicherlich war die wohl mangelnde Kalkulierbarkeit von Trump ein Problem auch für die herrschenden Klassen der kapitalistischen Länder vor allem in der EU. Das dahinterliegende Wesen ist aber die zunehmende Konkurrenz zwischen dem US-Imperialismus und der EU unter deutscher Führung. Wir haben mehrfach über diese Tendenzen gesprochen und auch über die sich daraus ergebenden Gefahren.

In den USA ist es offensichtlich so, dass Teile der Bevölkerung, auch Teile der Arbeiterklasse große Hoffnungen in Trump hatten und haben und andere Teile der Bevölkerung und der Arbeiterklasse jetzt große Hoffnungen auf Biden setzen. Es erinnert vielleicht doch an die Erscheinungen, wie sie Karl Marx in seiner Schrift „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ bezüglich des Staatsstreichs von Louis Bonaparte untersuchte. Marx sagt im Vorwort zur zweiten Auflage, dass er in der Schrift untersuche, „wie der Klassenkampf in Frankreich Umstände und Verhältnisse schuf, welche einer mittelmäßigen und grotesken Personage [Louis Napoleon] das Spiel der Heldenrolle ermöglichen“ – die Untersuchung der Klassenverhältnisse scheint mir das Zentrale zu sein, bei den Entwicklungen in den USA, aber auch bei uns.

Bezüglich der globalen Situation sind überzogene Hoffnungen in die Regierung Biden sicherlich nicht angebracht. Relativ klar ist, dass Biden von der Grundlinie des aggressiven Kurses gegen die Russische Föderation und die VR China nicht abweichen wird. Etwas Hoffnung macht die Ankündigung, dass er möglicherweise auf den Vorschlag von Putin, das New-Start-Abkommen um fünf Jahre zu verlängern, eingehen will. Hoffnungen gibt es, dass die gnadenlose Sanktionspolitik gegen Kuba, Venezuela und den Iran gelockert werden könnte und versucht wird, das Atomabkommen mit dem Iran wieder in Kraft zu setzen. Das wären gute Schritte. Andererseits ist wohl schon klar, dass der von Trump angestoßene Abzug von Teilen der US-Truppen aus Europa und Deutschland gestoppt wird. Wir sollten auch keineswegs vergessen, dass der letzte Präsident aus den Reihen der demokratischen Partei, Barack Obama, ebenfalls gefeiert, sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, obwohl in seiner Amtszeit Kriege über Kriege geführt und mit dem Einsatz von Drohnen als Mordwaffe das Völkerrecht in einer neuen Qualität gebrochen wurde.

Unter dem Strich spricht bislang nichts dafür, dass der Regierungswechsel in den USA die Tendenz einer zunehmenden Kriegsgefahr im globalen Maßstab abbremsen wird, manche prognostizieren sogar das Gegenteil. Die wachsende Kriegsgefahr führt allgemein zu Verrohung und Gewalt – und Verrohung und Gewalt werden instrumentalisiert, um Rechte abzubauen und die Herrschaft der herrschenden Klasse zu festigen. Das gilt auch für den sogenannten Sturm auf das Kapitol und den sogenannten Sturm auf den Reichstag/Bundestag. Die Ereignisse in Washington kommentiert die chinesische „peoples daily online“ aus meiner Sicht treffend als „das Ende vom Mythos der „Amerikanischen Demokratie“. Im Kommentar wird darauf verwiesen, dass die „Amerikanische Demokratie“ im Zusammenhang mit der Pandemie „keinerlei regulierende Leistung“, sondern Unfähigkeit beweist. Und es wird auf einen Aspekt verwiesen, den selbst wir manchmal vergessen, nämlich dass diese „Amerikanische Demokratie“ politische Teilhabe entsprechend der Finanzkraft garantiert. So seien die Kosten der US-Präsidentschaftswahl, gemeint sind die Wahlkampfausgaben von 700 Millionen Dollar im Jahr 2004, auf 6,6 Milliarden Dollar im Jahr 2016 gestiegen und in der Zwischenwahl 2018 habe der erfolgreiche Wahlkampf um einen Sitz im Repräsentantenhaus im Durchschnitt 1,5 Millionen Dollar gekostet.

Liebe Genossinnen und Genossen,

mit über 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war die LL-Demo, vor allem auch unter Corona-Bedingungen und nach der Absage des „stillen Gedenkens“ durch die Partei „Die Linke“, ein großer Erfolg. Dieser Erfolg ist umso wichtiger, weil es offensichtlich die Planung gab, die Situation auszunutzen, um die Demonstration zu beschädigen, und das möglicherweise nicht nur in diesem Jahr. Der Polizeiangriff war geplant und wäre die an den Haaren herbeigezogene Begründung der FDJ-Symbole nicht gewesen, man hätte andere Gründe gefunden.

Das ergibt sich aus der Tatsache, dass in den vergangenen Jahren die FDJ-Symbole genauso wenig gestört haben, als auch, dass noch am 3. Oktober vergangenen Jahres FDJ-Mitglieder im Blauhemd von der Berliner Polizei durch das Regierungsviertel eskortiert wurden.

Dass diese Prügelorgie unter einem Senat inszeniert wurde, den manche Rot-Rot-Grün nennen, macht den Skandal größer. Es war klar, gut und richtig, dass die Demonstration hier solidarisch zusammenstand. Wie wir auch in der UZ festgestellt haben, ist dies unabhängig davon, dass wir der Politik der FDJ, die sich in der Regel doch auf Events im Blauhemd beschränkt, wenig abgewinnen können.

Die Demonstration war ein wichtiger Jahresauftakt. Der Auftakt zu einem Jahr, in dem es notwendig sein wird, den Protest gegen Hochrüstung, die Abwälzung der Krisenlasten auf die Werktätigen, den Protest gegen Demokratieabbau auf die Straße zu tragen. Die Demoblöcke von DKP und SDAJ waren zwar erheblich kleiner als in vergangenen Jahren, trotzdem strahlten sie aus und es gelang uns, die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. Das galt nicht für die Bereiche der Demo, die direkt den Polizeiübergriffen ausgesetzt waren. Das ist logisch. In so einer Situation lässt sich kein Abstand halten, entweder weil man sich schützen muss oder weil man von der Gewalt der Polizei zusammengedrängt wird. Neben der Brutalität des Vorgehens nahm die Polizei deshalb auch noch die Gesundheitsgefährdung der Demonstrationsteilnehmer in Kauf. Davon betroffen waren auch unsere Genossinnen und Genossen von der SDAJ, die vorbildlich Solidarität leisteten. Auch die SDAJ hatte dadurch Opfer dieser Gewalt zu beklagen. Wir fordern vom Berliner Senat, der die politische Verantwortung trägt, eine Untersuchung der Vorkommnisse. Diejenigen, die dieses Verhalten angewiesen haben, müssen genauso zur Rechenschaft gezogen werden wie diejenigen Polizisten, die mit äußerster Brutalität vorgegangen sind. Vom Senat erwarten wir eine Entschuldigung beim Demo-Bündnis.

Die Ereignisse in Berlin sind Teil der Angriffe auf demokratische Rechte, sind Teil des reaktionären Staatsumbaus. Dazu gehören die Angriffe mit dem Steuerrecht auf die VVN/BdA, auf Attac und nun auch auf zwei Hamburger MASCH-Vereine, denen wegen Nennung im Verfassungsschutzbericht die Gemeinnützigkeit entzogen werden soll. Berichte von Spitzeln, die auf dem rechten Auge blind sind beziehungsweise in Nazi-Strukturen verstrickt sind, sollen die Rechtsgrundlage für das finanzielle Erwürgen demokratischer und antifaschistischer Strukturen sein – wenn das nicht verhindert wird, dann wird dies mit Sicherheit zu einem der bevorzugten Mittel, um demokratische, antifaschistische, fortschrittliche Organisationen und Strukturen zu zerschlagen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

das Widersprüchliche und Unsoziale bei den Corona-Maßnahmen geht weiter. Der sogenannte Lockdown wird verlängert, der Widerspruch zwischen Arbeit, Weg zur Arbeit und Freizeit bleibt, sozial wird er sogar noch verschärft. In vielen Bereichen werden jetzt OP- oder FFP2-Masken vorgeschrieben, wie diese allerdings finanziert werden, bleibt den Menschen selbst überlassen. Das wird dazu führen, dass arme Menschen diese „Hygiene-Maßnahmen“ unhygienisch betreiben werden müssen. Das ist die Fortsetzung vieler Skandale, die wir im Umgang der Herrschenden mit der Pandemie erleben. Es ist gut, dass diese Widersprüchlichkeit doch zunehmend auch zu notwendigen Debatten führt, die wir als inhaltliche Grundlage für notwendige Bewegung brauchen. Dabei hilft auch der Aufruf #ZeroCovid. Er problematisiert den notwendigen Eingriff in die Verfügungsgewalt des Kapitals über die Produktionsmittel. Er macht deutlich, wo das Geld zu holen ist und er sagt klar, dass dies nur gegen die Herrschenden aus Kapital und Kabinett durchzusetzen ist.

Klar ist aber auch: das Kräfteverhältnis, um das durchzusetzen, haben wir derzeit nicht im Ansatz. Heute und morgen würde ein Shutdown zur dramatischen Verschärfung der Lage der Arbeiterklasse genutzt werden.

Auch deshalb darf dieser Aufruf nicht Appell bleiben. Seine Inhalte müssen Grundlage zur Entwicklung von Bewegung sein – das wird das Einfache, was so schwierig zu machen ist. Er stellt damit aber auch eine Möglichkeit dar, der zum Teil irrationalen Widerspruchsverarbeitung im Massenbewusstsein das Notwendige, nämlich Klassenbewusstsein entgegenzustellen.

Wir haben uns zu diesem Aufruf erklärt, haben dabei durchaus auch auf Probleme hingewiesen, die wir sehen. Unsere Erklärung hat in der Partei die unterschiedlichsten Reaktionen hervorgerufen. Sie reichen von völliger Ablehnung bis zur Zustimmung. Wir werden darüber im Verlauf unserer Tagung diskutieren.

Das Gefeilsche und das Chaos um die Verteilung des Impfstoffs belegen eindrücklich, wie die Pandemiebekämpfung durch die monopolkapitalistischen Verhältnisse blockiert, behindert wird und sich eben nicht an den Interessen der Menschen orientiert. Das Branchentreffen Gesundheit diskutiert hier gerade an einer Positionierung. Geradezu unverschämt ist aber der Druck, der auf Beschäftigte im Gesundheitswesen ausgeübt wird. Es ist dem Kommentar von Jan von Hagen in der UZ zuzustimmen, wenn er sagt: da „wird Verwunderung bis Empörung geheuchelt, warum die Pflegekräfte dem Staat und der Wissenschaft nicht vertrauen und sich nicht um die Impfung reißen. Dabei geht es um die Pflegekräfte – die anderen Berufsgruppen werden wieder einmal ignoriert –, die in den letzten 20 Jahren lernen mussten, dass jede ihrer Anforderungen ans Gesundheitssystem, und war sie auch noch so wissenschaftlich basiert, konsequent ignoriert wurde. Die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen, mehr Personal und damit ausreichend Zeit zum Beispiel für Hygienemaßnahmen wurden seit Einführung der Fallpauschalen ausgesessen, die Situation des Personals wurde von Jahr zu Jahr schlechter. Trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse und Simulationen zu Viruspandemien mit hoher Sterblichkeit und den Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem wird – zum Teil bis heute – von ihnen erwartet, ihre Gesundheit wegen zu wenig, falscher oder unzureichender Schutzausrüstung aufs Spiel zu setzen.“

Diese Skandale gehen weiter. In Recklinghausen ist eine Kollegin, nachdem sie ihr Recht auf Tragezeitpausen der Mund-/Nasebedeckung eingefordert hatte, zwangsversetzt worden. Wir protestieren und sind solidarisch mit Kristin Zuber. In Hamburg wurde einer Betriebsrätin bei Asklepios gekündigt, weil sie Missstände im Krankenhaus offen anspricht. Wir protestieren und sagen: Solidarität mit der Kollegin Romana.

Liebe Genossinnen und Genossen,

die CDU ist in ihrer Gesamtheit eine Partei des Monopolkapitals. Im Unterschied zur SPD hat sie trotz ihrer Größe weniger Rücksicht auf Gewerkschaften zu nehmen. Sie ist die Partei, die geschichtlich in der Bundesrepublik für die Integration der beiden christlichen Konfessionen in die Politik der Restauration des Kapitalismus, für die Integration des wiedererstarkenden deutschen Imperialismus in die NATO, für scharfen Antikommunismus, für die Annexion der DDR, für Remilitarisierung und Militarismus steht. Das gilt für die gesamte CDU. Trotzdem gibt es in dieser Einheit natürlich Differenzierungen und die wurden bei der Kür des neuen Vorsitzenden deutlich. In der Außenpolitik misstrauen einige transatlantische NATO-Think-Tanks Laschet, weil er ihnen nicht scharf genug gegen Russland, North Stream 2 und die VR China zu Felde zieht. Er dürfte also eher für die Kapitalfraktion stehen, ähnlich wie Merkel, die hier nicht ausschließlich auf Aggression setzen. Natürlich dürfen wir uns hier keine Illusionen machen, das ändert nichts an der NATO-Integration und der bewussten Unterordnung unter den US-Imperialismus. Aber Röttgen und Merz hätten hier vermutlich stärker die Aggression forciert. Wir werden sehen.

In diesem Zusammenhang ist die weitere Entwicklung der Friedensbewegung entscheidend. In den letzten Jahren war es entscheidend, dass die Friedensbewegung in Deutschland im Wesentlichen alle Tendenzen zur Äquidistanz zurückgewiesen hat. Sie tat das, weil die Tatsachen eine sehr deutliche Sprache sprechen. Die Rüstungsausgaben der NATO und allen voran des US-Imperialismus übersteigen die der Russischen Föderation um ein Vielfaches, sie liegen erheblich über denen der VR China und sie übertreffen selbst die Summe aus beiden sehr deutlich.

Nach der Konterrevolution in den europäischen sozialistischen Ländern war es die NATO, die wortbrüchig ihr Gebiet erheblich nach Osten, an die russische Grenze verschoben hat. Die USA haben unter Obama das Pazifische Jahrhundert ausgerufen und meinen damit, ähnlich wie jetzt Deutschland mit den Indo-Pazifischen Leitlinien, vor allem die Umzingelung der VR China.

Also auch hier eine Aggression der NATO und ihrer führenden Staaten gegen die Russische Föderation und die VR China. Mit den Hintergründen haben wir uns in der vergangenen PV-Tagung befasst. Diese friedensgefährdende Strategie wird aber auch an der Frage der Atomwaffen deutlich. Die Arsenale der NATO-Staaten übersteigen zahlenmäßig die Potentiale von Russland und der VR China bei weitem. Und nicht zu vergessen, der Anteil an Atomwaffen, der direkt das Territorium der Russischen Föderation und der VR China bedroht, ist ungleich höher als die Bedrohung des Territoriums der USA. Beim Vertrag über die Begrenzung der Mittelstreckenraketen steckte auch dahinter, dass man die VR China in solch ein Begrenzungsabkommen zwingen will. Auch hier geht es aber nicht um Abrüstung, sondern darum, die Möglichkeiten der VR China zu begrenzen, die seegestützten Potentiale der USA in Schach zu halten – ein sehr durchsichtiges Manöver.

Hier spielen übrigens auch die Atomwaffen, die in Büchel lagern, die modernisiert werden sollen, um zielgenauer treffen zu können, was natürlich die Schwelle ihres Einsatzes senkt, eine Rolle. Und es spielt eine zentrale Rolle, dass die Bomberflotte der Bundeswehr, die diese Waffen ins Ziel tragen soll, modernisiert werden soll – das alles zielt auf bessere Einsatzmöglichkeiten gegen die Russische Föderation.

Wenn hier also Kräfte den Standpunkt vertreten, China, Russland, NATO – alles dasselbe, dann verkennen diese entweder die Realität (im besten Falle) oder sie unterstützen die Orientierung der führenden Imperialisten und ihres Militärbündnisses NATO. Dieser Unterschied ist trotzdem wichtig. Denn mit Freundinnen und Freunden, die die Realität verkennen, müssen wir geduldig und überzeugend argumentieren und diskutieren. Natürlich sind sie uns in gemeinsamen Kämpfen, in der Friedensbewegung willkommen. Auf der anderen Seite, und das ist der zweite Aspekt, müssen wir mit aller Kraft darum kämpfen zu verhindern, dass Positionen der Äquidistanz in der Friedensbewegung an Einfluss gewinnen, es würde sie zahnlos, gegebenenfalls sogar anfällig dafür machen, Opfer der Integrationsstrategie des Imperialismus zu werden. Diese Versuche gibt es immer wieder.

Ein dritter Aspekt ist, dass sowohl wir als auch die Friedensbewegung die Unterschiede im Lager der Herrschenden sehr genau wahrnehmen müssen. Deswegen müssen wir eben auch solche Unterschiede, wie die zwischen Laschet, auf der einen und Merz und Röttgen auf der anderen Seite, wahrnehmen. Nicht mit der Illusion, dass Laschet zum Kämpfer für Frieden und Abrüstung wird, aber mit der Erkenntnis, dass es in dieser Frage offensichtlich zwischen Kapitalfraktionen Unterschiede gibt, die für die Frage der Friedenserhaltung große Bedeutung haben können. Genau das spiegelt sich in den Diskussionen um North Stream 2 wider. Es ist eben keinesfalls egal, ob zwischen der NATO-BRD und Russland Handel betrieben wird oder nur Aggression herrscht. North Stream 2 spielt eine zentrale Rolle in den Auseinandersetzungen zwischen der Kapitalfraktion der aggressiven Atlantiker und der weniger aggressiven Fraktion, die auf halbwegs vernünftige Beziehungen zur Russischen Föderation und zur VR China setzen. Natürlich tun sie das nicht aus allgemein-menschlicher Friedfertigkeit, sondern in der Regel aus Gründen ihrer Profitinteressen. Die Grünen haben sich hier völlig auf die Seite der aggressiven Atlantiker geschlagen. Leider lassen sich hier mindesten auch Teile von Fridays for Future instrumentalisieren, die Anfang des Jahres gegen den Bau protestierten. Ihre Aussage, „Dass die Landesregierung (…) den Ausbau der Pipeline Nordstream 2 vorantreiben möchte, ist eine Frechheit! Erdgas ist keine Brückentechnologie, sondern, genau wie Kohle, ein fossiler Energieträger“, ist noch dazu ein Schlag ins Gesicht von Millionen Mietern und „kleinen“ Hauseigentümern.

Dass nun eine Mehrheit des EU-Parlaments die Nawalny-Klamotte nutzt, um ebenfalls gegen North Stream 2 zu schießen, vervollständigt diese unselige Koalition.

Diese Widersprüche müssen wir analysieren und auch die Tendenzen im politischen Lager wahrnehmen. Die der CDU habe ich benannt. Zu einer Speerspitze der außenpolitisch aggressivsten Teile des deutschen Monopolkapitals werden immer mehr die Grünen. Im Unterschied zur Sozialdemokratie können sie Hemmnisse, die in ihrer eigenen Tradition liegen, sehr viel einfacher überwinden. Dazu nutzt ihnen die ideologische Instrumentalisierung des „Menschenrechts-Imperialismus“, der bei ihnen schon gegen den realen Sozialismus in Europa existierte.

Offensichtlich soll in bestimmte Strategievarianten des deutschen Imperialismus perspektivisch auch die Linkspartei eingebunden werden. Das ist der Hintergrund für die in immer kürzerer Zeit wiederkehrenden Angriffe auf den sogenannten „friedenspolitischen Konsens“. Es gibt offensichtlich unter den führenden Mitgliedern der Linkspartei eine Gruppe, die mit diesem Konsens schon lange gebrochen hat und jetzt immer wieder die Verlockung von SPD/Grüne/Linkspartei-Konstellationen benutzt, um diesen Bruch in der Linkspartei mehrheitsfähig zu machen und zu verankern. Kernstück dabei ist die Bejahung der NATO und, nicht zu vergessen, die Bejahung der EU. Hier bietet sich die Linkspartei für Strategievarianten des Monopolkapitals an, die im Verhältnis zum US-Imperialismus schneller und stärker auf eine eigenständige Rolle Deutschlands und der EU mit einer EU unter deutscher Führung setzen.

Dieser Tage veröffentlichte der sicherheitspolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Matthias Höhn, zeitgleich im „Spiegel“ und in seiner Fraktion ein Papier, in dem sich dieses Zitat findet: „Die EU muss sich als politischer Akteur mit eigenständigen Interessen, Zielen und Werten verstehen und auch als solcher agieren. Dies kann und wird immer wieder zu Interessenkonflikten, auch mit den Vereinigten Staaten, führen. Wer Sicherheitspolitik im europäischen Interesse und aus europäischer Perspektive machen will, kommt darum nicht herum. Für die Linke folgt daraus die Aufgabe, sich ernsthaft über Ziele und Mittel einer europäischen Sicherheitspolitik zu verständigen. Der alleinige Appell zu Frieden und Abrüstung macht die EU noch lange nicht sicherheitspolitisch handlungsfähig. Die Menschen erwarten mehr.“

Lange Zeit war die Linkspartei der parlamentarische Arm der Friedensbewegung. Diese Zeit geht zu Ende oder ist bereits zu Ende. Respekt vor dem Kampf aller Genossinnen und Genossen in der Linkspartei gegen diese Entwicklung, aber sie wird nicht mehr grundsätzlich aufzuhalten sein.

Umso wichtiger ist, dass wir klar bestimmen, was wir als notwendige Inhalte in den Kampf der Friedensbewegung hineintragen wollen:

Da ist erstens unsere Einschätzung, dass es sich bei der NATO um das aggressive Kriegsbündnis des Imperialismus handelt, dass wir den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO und den Abzug aller NATO-Strukturen aus der Bundesrepublik fordern. Natürlich machen wir dabei die Frage eines NATO-Austritts nicht zur Gretchenfrage – sie ist kein Konsens in der Friedensbewegung, wir unterlassen aber auch nicht, darauf hinzuweisen, dass aus unserer Sicht Forderungen wie „Auflösung der NATO“ doch eher dazu dienen, sich um die grundsätzliche Kritik an der NATO und der Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO herumzudrücken.

Da ist zweitens unsere Forderung nach Frieden mit Russland und der VR China. Auch diese Losung machen wir nicht zur Gretchenfrage, verlangen keineswegs, dass dies als Losung von der Friedensbewegung übernommen wird, aber wir verteidigen die Analyse der Friedensbewegung, die die Aggressionspolitik der NATO und die Stoßrichtung der NATO, vor allem gegen die Russische Föderation, als Hauptgefahr für den Frieden sieht.

Drittens sehen wir die Regime-Change-Politik der führenden Imperialismen und der NATO als Aggression gegen Staaten, die sich weigern, nach der imperialistischen Pfeife zu tanzen. Diese Regime-Change-Politik ordnet sich oft in die Einkreisungspolitik gegenüber der VR China und der Russischen Föderation ein, kann aber auch andere Hintergründe, wie im Beispiel Venezuelas auch die Ausblutung Kubas, haben. Diese Regime-Change-Politik versucht in der Regel innere Widersprüche für das Schüren von bewaffneten Auseinandersetzungen und Kriegen zu nutzen. Sie bedient sich in der Regel der Methode des Menschenrechts-Imperialismus. Meist versucht sie mit einer gnadenlosen Blockadepolitik, die Ökonomien betroffener Nationen zu sabotieren, die soziale Lage der Menschen zu zerstören, um auch damit Unruhen und Instabilität zu befördern. In Kauf genommen wird dabei auch die Zerstörung staatlicher Institutionen. Dem Imperialismus ist ein „falen state“ lieber als einer, der nicht nach seiner Pfeife tanzt.

Rolle und Strategie des deutschen Imperialismus haben wir bei der vergangenen PV-Tagung analysiert. Für unsere Diskussion in der Friedensbewegung ergibt sich daraus, dass wir im Hinblick auf die nächsten Monate und im Hinblick auf die Bundestagswahlen dem Kampf gegen das geplante Bomberprogramm eine zentrale Bedeutung geben. Ihr wisst, es gibt die Planung, über 130 neue Bomber für die Bundeswehr anzuschaffen, darunter 40 F-18-Bomber, von denen wiederum 30 in der Lage sein sollen, Atomwaffen zu transportieren. Diese Atomwaffen lagern in Büchel. Es sind US-Atomwaffen, die im Rahmen der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ durch Bundeswehrpiloten gegen Russland zielen. Neben der Aggression gegen Russland steht dies für eine Variante des Griffs des deutschen Imperialismus nach Atomwaffen. Wenn wir sagen, dass der Kampf gegen das Bomberprogramm für uns in der nächsten Zeit große Bedeutung hat, dann bedeutet das, dass wir auch in diesem Jahr den Aktivitäten in Büchel, für den sofortigen Abzug der Atomwaffen, eine zentrale Bedeutung geben. Terminlich würden sich für unsere Aktionspräsens entweder die Tage vom 15. bis 18. Juli oder ein Termin im August anbieten. Wir werden möglichst schnell versuchen, einen Termin mit der Kampagne abzustimmen. Die konkrete Aktionsform wird auch von der Pandemiesituation abhängen.

Viertens meinen wir, dass es notwendig ist, den Kampf gegen das Bomberprogramm für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu einem Schwerpunkt des Bundestagswahlkampfs zu machen, um eine Situation zu schaffen, die es jeder Bundesregierung, egal welcher Zusammensetzung, schwer macht, dieses Programm umzusetzen. Am Freitag ist der Vertrag über das Verbot von Atomwaffen in Kraft getreten. Dieser Vertrag wurde von der UN-Generalversammlung beschlossen und von 84 Staaten ratifiziert, nicht von der Bundesrepublik – ein weiteres Indiz dafür, dass der deutsche Imperialismus die Frage von Atomwaffen beim Kampf um die Erhöhung seines Einflusses sehr wohl einbezieht. Eigentlich wäre das Inkrafttreten dieses Vertrages ein Anlass zur Freude, für uns muss es ein Anlass zur Intensivierung des Kampfes gegen Atomwaffen und Hochrüstung sein – Büchel dichtmachen!

Im Zusammenhang mit unseren Aktivitäten im Friedenskampf, mit unserer Mitarbeit in der Friedensbewegung gab es vor einigen Wochen eine Diskussion um einen Kommentar in der UZ, der sich mit dem „Frankfurter Appell“ auseinandersetzte. Es ging dabei, wie so oft in der Bündnispolitik, um die Frage der Breite und um die Frage des inhaltlichen Konsenses. Wie jeder andere Bündnispartner haben wir die Pflicht, uns in einer offenen Diskussion solidarisch einzubringen und unseren Standpunkt zu verdeutlichen. Das hat mit Schulmeisterei gar nichts zu tun. Wir begrüßen es sehr, dass die Breite der Organisationen, die zum Beispiel den Aufruf „Abrüsten statt Aufrüsten“ unterstützen, wächst, und wir begrüßen es noch mehr, dass dies vor allem auch für die Gewerkschaftsbewegung gilt. Andererseits, das haben wir bereits verdeutlicht, wäre es für die Friedensbewegung selbst problematisch, wenn dies mit Zugeständnissen in Richtung Äquidistanz erkämpft würde. Hier wird ja auch in Permanenz von außen und innen, von Medien und Herrschaftsapparat, Druck auf die Friedensbewegung ausgeübt.

Das war in der Friedensbewegung der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht anders. Dort hatte der „Krefelder Appell“ eine klare Stoßrichtung gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa. Sie waren in der Lage, das Territorium der Hauptmacht des Warschauer Vertrages, also die Sowjetunion, zu erreichen. Deswegen waren die Mittelstreckenraketen der Sowjetunion eben nicht gleichrangig, sie konnten die USA nicht erreichen. Diese klare Stoßrichtung des „Krefelder Appells“ war den Herrschenden ein Dorn im Auge, aber mit ihnen auch Teilen der Sozialdemokratie und der damaligen Maoisten, allen voran die MLPD und ihre Vorgängerorganisation. Immer wieder wurde versucht, die Stoßrichtung zu verwässern. Es wurde sogar versucht, selbst einen Friedensaufruf des DGB zu instrumentalisieren. Da war Bündnispolitik weder einfach, noch immer ein Austausch mit Wattebäuschen. Ich erinnere mich an eine lautstarke Auseinandersetzung mit dem Schulleiter der IGM-Schule in Sprockhövel, die ich hatte, nachdem wir bei einem Jugendfunktionärskurs der IG Metall unsere Lerneinheit mit Unterschriften unter den „Krefelder Appell“ zur atomwaffenfreien Zone erklärt hatten. Oder ich erinnere mich an die erste Konferenz betrieblicher Friedeninitiativen mit mehreren hundert Teilnehmern in Dortmund. Dort gab es eine scharfe, bis nahe an körperliche Auseinandersetzung geführte Debatte, weil Kollegen, die im Wesentlichen aus dem maoistischen Spektrum kamen, versuchten, mit der Orientierung auf eine „Volksbefragung“ vom „Krefelder Appell“ abzulenken und auf eine Gleichsetzung der amerikanischen und sowjetischen Mittelstreckenraketen zu orientieren.

Wir haben damals gewusst und sind damit flexibel und prinzipiell umgegangen, dass Bündnispolitik immer eine Dialektik aus Inhalten und Breite des Bündnisses beinhaltet und Dialektik damit auch Widersprüchlichkeit meint. Und wir haben damals gewusst und sind damit flexibel und prinzipiell umgegangen, dass es eine Dialektik aus Grundkonsens des Bündnisses und sich davon unterscheidenden Positionen der verschiedenen Bündnispartner gibt, auch dies natürlich ein Feld des Widerspruchs. Aus unserer gesamten Geschichte können wir aber lernen, dass Nachtrabpolitik für niemanden gut ist, weder für das Bündnis, noch für uns selbst. Deswegen waren kritische Fragen und Anmerkungen zum „Frankfurter Appell“ legitim und ein notwendiger Beitrag zu notwendigen Diskussionen in der Friedensbewegung.

Liebe Genossinnen und Genossen,

in den Bundesländern, in denen wir zu den Bundestagswahlen antreten wollen, kämpfen wir um die Unterstützungsunterschriften. Die Pandemiesituation im Allgemeinen führt dazu, dass weniger Menschen auf der Straße sind und auch die Ansprache wesentlich schwieriger ist. Teilweise verbieten uns rechtliche und behördliche Restriktionen Wahlkampfaktivitäten. Ist der Zwang zur Sammlung von Unterschriften für Parteien, die nicht in den Parlamenten sind, in normalen Zeiten schon undemokratisch, so ist es unter den jetzigen Bedingungen ein Skandal. Über unsere Bemühungen, rechtlich dagegen vorzugehen, haben wir bereits informiert.

Für diese komplizierten Rahmenbedingungen sind die bislang erzielten Ergebnisse gar nicht so schlecht. Es lässt sich aber heute schon absehen, dass sicherlich die Bundesländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen Hilfe benötigen werden, um die Chance zu haben, die Absicherung von Landeslisten zu erreichen. Hier sind die anderen Landesverbände gefordert und das heißt auch, darum zu kämpfen, möglichst frühzeitig die benötigte Anzahl an Unterschriften zu haben, um in der verbleibenden Zeit helfen zu können. Das muss jetzt auf Ebene der Bezirke und Landesverbände geplant werden, wir müssen die Diskussion um Urlaubsspenden und mögliche Wahlkampfeinsätze beginnen, genauso wie die drei betroffenen Landesorganisationen beginnen sollten, Terminvorschläge für solche Einsätze zu erarbeiten.

Wir schlagen die Übernahme von Patenschaften vor, und zwar für Mecklenburg-Vorpommern durch die Länder Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Hessen, für Sachsen durch Thüringen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland und für Schleswig-Holstein durch Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Ruhr.
Zur Unterstützung der Unterschriftensammlung werden wir einen Einleger für die UZ und in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Sachsen möglichst auch in der „jungen Welt“ machen, der sowohl das Formular als auch eine Argumentation für unseren Wahlantritt enthält. Dieses Material kann natürlich auch für Steckaktionen oder für Rundbriefe an Freunde und Bündnispartner vor Ort verwendet werden. Wir bitten euch, bis Ende der kommenden Woche zu definieren, welchen Bedarf ihr für dieses Material habt.

Auf Bundesebene werden wir uns mit einem Brief an Bündnispartner wenden und sie um Unterstützung bitten. An die Partei „Die Linke“ werden wir uns mit der Bitte wenden, parlamentarisch für die Veränderung des Wahlgesetzes aktiv zu werden. Beide Briefe werden wir euch zur Verfügung stellen, so dass ihr dementsprechend auch regional oder die Gruppen lokal aktiv werden könnt.

Was wir jetzt brauchen, sind kreative Überlegungen zum Umgang mit der Situation in den Gruppen. Was immer geht, auch wenn das für manche eine zu hohe Hemmschwelle ist, ist ein Nachbarschaftsbrief oder ein Brief an Bekannte und Freunde. Etwas anonymer ist die Form, anzukündigen, dass man an einem bestimmten Punkt zu einer bestimmten Zeit mit einer Box zum Einstecken der Unterschriftenformulare steht. Bei der LL-Demo hatten die Genossen ein großes Transparent und Tische, an denen man mit Abstand unterschrieben konnte – sicher eine Aktionsform für belebtere Orte. Teilweise kann man auch günstige Anzeigen in den kostenlosen Wochenblättern schalten.

Es geht jetzt darum, Kollektivität zu entwickeln, wenn Präsenzsitzungen nicht gehen, dann über Video- oder Telefonkonferenzen. Es geht darum, in den Gruppen zu planen, wie wir mit unseren Nachbarn, mit Freunden und Bekannten in die Diskussion über eine Unterstützungsunterschrift für unsere Kandidatur kommen. Es geht darum, gemeinsam Aktivitäten zu planen, uns gegenseitig zu helfen, uns Kraft zu geben. Es geht darum, dass wir uns keinesfalls an die Hoffnung klammern, dass es die bürgerlichen Gerichte schon richten werden.

 

Quelle: UZ – Unsere Zeit – Zu aktuellen Fragen und den Aufgaben der DKP im Kampf gegen Krieg und Hochrüstung