Anleger ausgenommen, Oligarchen nach Dubai

Anne Rieger über die Russland-Sanktionen

Immer noch erreichen uns täglich Schreckens-Bilder aus der Ukraine. Wir wollen etwas tun, etwas beitragen, um den Krieg zu beenden, um die russische Regierung unter Druck zu setzen, damit sie einlenkt. Entsprechend groß ist die Zustimmung zu Wirtschaftssanktionen, die, wie Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock stolz verkündete, „Russland ruinieren“ sollen.

Oligarchen, Politiker, Unternehmen, Banken sollen von der internationalen Geschäftemacherei ausgeschlossen werden, ihre Profite gekürzt oder gänzlich verschwinden. Dann, so die mediale Erzählung, würden sie Druck auf Putin machen, und dieser den Krieg beenden.

Was bewirken die Sanktionen?

„Die wirtschaftlichen ‘Strafmaßnahmen’ treffen die russische Bevölkerung und exportorientierte Unternehmen hart“, so der Chefökonom Peter Fischer kürzlich in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Doch ob und wie die Machtelite um Putin leide sei fraglich. Er bleibe skeptisch, ob die Maßnahmen tatsächlich ein Ende der Kampfhandlungen bewirken. Die Wohlfahrt der Russinnen und Russen sowie der Reichtum von Wirtschaftsmagnaten würden sich zweifelsfrei verringern.

Offensichtlich ist, dass die Sanktionen zuallererst einfache Menschen in Russland, in Deutschland, in der EU und vielen Ländern der Welt ruinieren. In Russland werden nahezu alle Waren teurer – von Babynahrung bis zu Medikamenten. Grundnahrungsmittel wie Zucker und Zwiebeln kosteten über 13 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Ökonomen gehen davon aus, dass die Inflationsrate in Richtung der 20-Prozent-Marke steigen wird. Menschen stehen Schlange vor Läden und Geldautomaten. Bei uns steigen Energiepreise, der Preis für Sprit. Den Weg zur Arbeit können sich bald viele nicht mehr leisten. Die Lebensmittelpreise eskalieren – werden für viele zu Luxusgütern. Die Wohnungen werden kalt. „Frieren für den Frieden“?

Die Reichen und gut Betuchten, die Politiker*innen aber, die uns das vorschlagen, leben in gut gewärmten Wohnungen. Teurere Energie, Benzin und Lebensmittel zahlen sie locker von ihren hohen Einkommen. Oligarchen wie Abramowitsch, der unter anderem Villen und Luxusjachten besitzt, treffen diese unfreundlichen Akte zwar, so musste Abramowitsch seinen Fußballklub verkaufen, auch Melnitschenkos Jacht liegt fest in Triest, aber weder frieren die Oligarchen noch müssen sie im Sozialmarkt einkaufen. Auch die Besetzung von Deripaskas Villa, macht diesen nicht obdachlos. Die Oligarchen ziehen nach Dubai, den Krieg in der Ukraine beendet das nicht.

Wohl aber profitieren die Reichen, vor allem aber die in den USA. „Die neuen Sanktionen der USA gegen Russland zielen vor allem auf europäische und deutsche Unternehmen“, schrieb Sarah Wagenknecht im August 2017. „Gerade die Gaspipelines und die Leitung Nord Stream 2 will man damit treffen. Statt mit russischem Gas soll Europa künftig vorrangig mit teurem und dem ökologisch katastrophalen Fracking-Gas aus den USA versorgt werden. Die US-Sanktionen sind daher nichts weiter als die Anbahnung eines Riesengeschäfts für die US-Fracking-Konzerne“.

Wirtschaftskrieg

Man könnte auch Wirtschaftskrieg dazu sagen. Flugverbote für russische Maschinen, Stopp von Hightech-Lieferungen, russische Banken werden teilweise aus dem internationalen Finanzsystem Swift ausgeschlossen, Transaktionen mit der Russischen Notenbank werden verboten, Vermögenswerte eingefroren. Finanzielle Umgehungen funktionieren trotzdem. Forderungen nach einem Importstopp für russisches Öl und Gas wurden lauter. Indes geht der Krieg weiter. Die bereits durchgeführten Sanktionen haben zu keinem Stopp des Kriegsgeschehens geführt.

Im Rahmen des G7- und des EU-Gipfels, mit US-Präsident Biden als Gast, ging es um weitere Verschärfungen der Sanktionen. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien gaben jeweils neue Strafmaßnahmen gegen russische Politiker, Wirtschaftsfunktionäre und Unternehmen bekannt. Der Druck auf die EU, sich dem US-Ölembargo gegen Russland anzuschließen und womöglich auch die Erdgaseinfuhr auf null zu reduzieren, stieg, nachdem Moskau angekündigt hatte, es werde für seine Lieferungen nur noch eine Bezahlung in Rubel akzeptieren

Mauern für Gespräche

Bei Sanktionen gibt es oft zwei Probleme: Erstens schaden sich die Länder, die die Strafen verhängen selbst – schließlich bekommt Österreich weniger Gas aus Russland, das brauchen wir aber für die Industrie und zum Heizen. Die stark gestiegenen Energie- und Agrarrohstoffpreise aufgrund des Krieges setzen die heimische Lebensmittelindustrie unter Druck. Österreichs Agrar- und Lebensmittelimporte aus Russland und der Ukraine sind vergleichsweise nicht hoch.

Aber die beiden Länder, als große Agrarexporteure bei Getreide, Obst, Ölsaaten und Soja, bestimmen die Preisbildung in Europa mit, so die WKÖ-Vertreterin Koßdorff. Russland habe auch indirekt große Bedeutung für die heimische Lebensmittelindustrie, weil Österreich von Erdgas aus Russland stark abhängig sei. Wenn Rohstoffe und Transportkapazitäten weltweit knapp sind, „dann steigen auch die Preise für Unternehmen über die gesamte Wertschöpfungskette“.

Und zweitens muss man solche Sanktionen lange aushalten, bis dadurch ein spürbarer Nachteil entsteht. Und bis dahin treffen sie eben die einfachen Menschen. Sanktionen haben in der Vergangenheit noch nirgends auf der Welt etwas bewirkt. Außer dass man dadurch Mauern für Gespräche und Verhandlungen weiter erhöht, so NZZ-Chefökonom Fischer. Wir brauchen Lösungen für die Menschen statt weiterer Eskalation.

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten Bundesvorstand des GLB

Quelle: GLB – Gewerkschaftlicher Linksblock