Österreichs Auslieferung an Golfstaaten, USA, alte Bekannte und neue Freunde

Übernommen von KOMintern – Kommunistische Gewerkschaftsinitiative International:

Die EU hat angekündigt, die Erdgasimporte aus Russland binnen eines Jahres um zwei Drittel zu reduzieren und bis spätestens 2030 auf Null zu fahren. Hurra, wir zwingen den Russischen Bären in die Knie! – tönte es lautstark durch den euphorisierten Blätterwald. Nun ist zwar geschichtlich kein Fall bekannt, in dem Wirtschaftssanktionen einen Krieg beendet hätten, aber das ist auch nicht wirklich Zweck der Übung. Der Kriegsgang Moskaus gegen die Ukraine dient diesbezüglich mehr als Katalysator einer bereits länger betriebenen „Zeitenwende“, denn als Anlass „ehrlicher Makler“. Allerdings mit teils geradezu bizarr-skurrilen Noten.

So weilte Umweltministerin Leonore Gewessler eben gerade im stockreaktionären Emirat Katar, um aus „humanitären Gründen“ gerade aus dem berüchtigten modernen Sklavenhändler- und Sklavenarbeiterstaat zumal extrem umweltverschmutzendes Flüssiggas zu ordern. Dass der heurige Gastgeber der Fußball WM-Endrunde, für deren Boykott sich nicht wenig seit Jahren ungehört stark machen, unter den kolportierten Maßstäben für „sauberes“ Gas eigentlich von vornherein ausscheidet und zudem auch der Größenordnung nach die europäische Gasnachfrage nicht ausgleichen oder zuverlässig decken kann, schert da wenig. Genauso wie die 6.500 Toten der Bauarbeiten für die heurige Fußball-Weltmeisterschaft. Immerhin hat Monarch Tamim bin Hamad Al Thani vor gut einem Jahr erstmals zumindest einen Schura-Rat wählen lassen bzw. ernannt, der ihn bei seiner Politik beraten darf. Die Entscheidungen liegen freilich ebenso weiterhin in seinen alleinigen Händen, wie Parteien verboten blieben und sich auch keine Frau im Rat des Emirs wiederfindet. Dafür bietet die Annäherung an den Al-Kaida Finanzier allerdings die Möglichkeit, in der VIP-Longe mit dem Emir über den weltweit mit am höchsten liegenden CO2-Ausstoß des Landes pro Kopf der Bevölkerung zu konferieren.

Gleichzeitig vermag – wie wir bereits betonten und nun nochmals eigens ausführen – näher besehen den Umbruch auf den Energiemärkten und die geostrategische (nicht ökologische!) Wende der EU generell nicht so recht zu begründen, blickt man nüchternen Auges auf die Gasversorgungsalternativen insgesamt.

Das reaktionäre Scheichtum Saudi-Arabien, neben Öl- auch Gasgroßproduzent, bombardiert als Anführer einer Militärallianz – freilich weitgehend unbeachtet von der medialen Weltöffentlichkeit – seinerseits wiederum seit 2015 den Jemen, in dem heute die größte humanitäre Katastrophe der Welt herrscht. Nach aktuellem Narrativ müssten gegen Riad daher eigentlich ebenfalls schon lange der Ausschluss aus dem globalen Zahlungssystem SWIFT als „kommerzielles Äquivalent“ zu „Nuklearwaffen“ gezündet, die internationalen Notenbankreserven und Petrodollar-Rücklagen sowie die Auslandsvermögen der Königsfamilie und ihres Orbits eingefroren und rigorose Sanktionen verhängt sein. Wie um sein Wissen um die doppelten Maßstäbe des Westens nochmals nachdrücklich zur Schau zu stellen, ließ das Scheichtum (mit den zuletzt sogar drittgrößten Rüstungsausgaben der Welt, noch vor Ländern wie Russland oder Indien, und im aktuellen SIPRI-Bericht abermals als Hochrüstungsstaubsauger im Nahen und Mittleren Osten ausgewiesen) gerade 81 Hinrichtungen an nur einem Tag vollziehen – was im alles überlagernden Kriegsmodus gegen Russland für Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck kein Hindernis ist, nun eine mehrtätige Visite in Saudi Arabien anzutreten um mit dem Siegel der „westlichen Wertegemeinschaft“ zertifizierte Gaslieferungen einzufädeln. Aber wem die im Langzeitkrieg um den Jemen seit 2015 knapp 380.000 getöteten JemenitInnen nicht mehr als ein Achselzucken verursachen, der und die können auch über die saudische Rekordmassenexekution mit ein paar Sprachschablonen übergehen und die insgesamt 13 Millionen von akutem Hunger, darunter 5 Millionen unmittelbar vom Hungertod bedrohten jemenitischen Männer, Frauen, Kinder und Alte nicht aus der geopolitischen Reserve locken. So sind heute zwar rund 80% der EinwohnerInnen des kriegsgebeutelten Landes auf humanitäre Hilfe angewiesen, gleichzeitig musste das UN-Welternährungsprogramm jüngst allerdings wegen fehlender Finanzierung eine Kürzung ankündigen.

Gegen den heute global drittplatzierten Gasproduzent Iran wiederum sind aktuell selbst (noch) Sanktionen verhängt und gilt das Land dem Westen (seit 1979) bislang als Paria- und „Schurkenstaat“ par excellence, das seit 2018 denn auch seinesteils aus dem SWIFT ausgeschlossen ist. Dass die USA im übergeordneten Kampf gegen Russland aktuell die Sanktionen für iranisches Öl und Gas zu lockern gewillt sind und Teheran, mit nun verschobenem Bannstrahl, zum Ausgleich für russische Lieferungen ein Revival am Weltmarkt eröffnen möchten, spießt sich vorerst noch an den gerade pausierenden Atom-Verhandlungen. Ansonsten mag es als Lehrbeispiel auf dem geopolitischen „Schachbrett“ (Zbigniew Brzezinski) des Westens um die Weltvorherrschaft dienen. Stand das „Mullah-Regime“ die letzte Dekade ganz oben auf der „US-Regime-change-Liste“, bemüht sich Washington plötzlich es (nach dem bewusst in Kauf genommenen „Bauernopfer“ Ukraine) in seine forcierten Spielzüge zum Mattangriff auf „Putin“ strategisch einzubinden.

Auf analoger taktischer Gabel beruhen auch die nunmehrigen Gespräche und neue Dialogbereitschaft mit Venezuela. Trachteten die USA und die EU bis unlängst noch auf den Sturz Nicolás Maduros, ist der Präsident des seit der „bolivarischen Revolution“ ebenfalls zu Pariastaat erklärten Landes aufgrund dessen achtgrößten Weltgasreserven kurzerhand wieder ein respektabler Geselle. Die mit Hilfe des Westens für einen „Regime change“ kurzfristig in den Sattel geputschte Contra-Figur Juan Gaidó, von Biden noch vor einem Jahr steif und fest als „rechtmäßiger“ Übergangspräsident tituliert, wurde zwischenzeitlich von Washington, über Brüssel bis Wien still und leise in irgendeine Rumpelkammer verräumt.

Die „Führungsnation“ des „Westens“ wiederum, die USA, 1982 zunächst von der Sowjetunion als Gaswirtschafts-Weltführer abgelöst, errang erst durch Forcierung des besonders umweltschädlichen Fracking-Verfahren 2009 auch in Punkto Erdgas die Position des weltgrößten Erdgasförderers wieder zurück und stünde als Großexporteur bereit. Allerdings, so selbst die offiziellen Daten des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses (2018), hat das Land seine Streitkräfte allein seit der weltpolitischen Zäsur 1989/91 den Befehl zu 152 Auslandseinsätzen erteilt, eine ganze Batterie völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt, souveräne Länder überfallen, besetzt, verheert und in „failed states“ verwandelt. Die bekanntesten Kriege und Militäreinsätze darunter, um nur die wichtigsten zu nennen, sind zweifellos jene gegen Jugoslawien, den Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien, Liberia und in Somalia, Haiti, Uganda. Dass die USA zudem den fast 13fachen Rüstungsetat von Russland aufweisen, sei dabei des Näheren ebenso geschenkt, wie der Tatbestand seiner an die 1.000 Militärbasen rund um den Globus und bis in die letzten Winkel der Weltmeere verteilten Seestreitkräfte. Auch wenn es den transatlantischen Vasallen diverser Couleurs nicht ins Bild passt, für jeden mit nur etwas unbestechlichem Gedächtnis und Nachdenklichkeit kann „God’s Own Country“ vielmehr nur als einziger Offenbarungseid für The West Against the Rest dienen.

Das alles rechtfertigt freilich mitnichten den Angriff auf und Einmarsch Russlands in die Ukraine oder lindert die daraus resultierte humanitäre Katastrophe. Es disqualifiziert aber, bedient man sich keiner doppelten rein interessensgeleiteter Maßstäbe, ebenso die USA wie Saudi-Arabien oder Katar als alternative „saubere“ Gaslieferanten.

Selbes ließe sich auch für die „Five Eyes“-Klubmitglieder Kanada und Australien (mit einem Rüstungsimportanstieg von 62% von 2017 auf 2021) demonstrieren oder für das nun nach seinem Status als Land mit den höchsten Rüstungsausgaben Afrikas allem voran von Spanien und Portugal auch als neue Gastankstelle Europas protegierte Algerien. Und auch letzteres, immerhin den elften Platz der globalen Weltgasreserven einnehmend, wäre nicht imstande die Gasnachfrage der EU ausgleichen oder zuverlässig zu decken.

Dennoch läuft alles darauf hinaus, der zuletzt global auf breiter Front bis in Mark und Bein diskreditierten USA in ihrem ausgerufenen „Kampf der Systeme“ des Westens gegen dessen „systemische Rivalen“ (China und Russland) unter Washingtons Führung nun mit Hurra! „Gewehr bei Fuß“ zu stehen, und sich die Juniorpartnerschaft im neuen Wirtschaftskrieg mit einem noch größeren Vasallenstatuts gegenüber dem US-Imperialismus und neuen Abhängigkeiten von Regimen wie dem Emirat Katar, als Land mit den drittgrößten Weltgasreserven (allerdings auch bereits langfristigen Lieferverträgen), zu erkaufen. So dieses im aktuellen weltwirtschaftlichen Umbruch und der voranschreitenden neuen weltpolitischen Aufspaltung des Globus dafür überhaupt zu haben ist. Die vorschnellen Eilmeldungen über erhöhte Förderquoten der Vereinigten Arabischen Emirate sowie die kalte Schulter der „OPEC plus“ auf das westliche Geheiß doch endlich „die Hähne stärker aufzudrehen“ zeugt vielmehr von einer viel widersprüchlicheren politischen Weltlage als es unsere Mainstream-Medien zeichnen. Ein bezeichnendes Indiz dafür markierte natürlich schon das Abstimmungsverhalten der Golfstaaten in den UN-Vollversammlung zur US-Resolution zum Ukraine-Krieg. Aber das steht, wie das die beschleunigte De-Dollarisierung verkennende neoliberale Credo: Russland könne dem allmächtigen Sanktionsregime selbst auf Rubelbasis und Devisenbewirtschaftung nichts entgegensetzten, auf einem anderen Blatt. Im Kleingedruckten aber bereits lesen lässt sich, wer dazu auserkoren ist, die damit einhergehenden Preisschübe mit ihren Arbeitseinkommen sowie per Rotstiftpolitik im sozialen Netz zu zahlen.

Quelle: KOMintern – Kommunistische Gewerkschaftsinitiative International – Österreichs Auslieferung an Golfstaaten, USA, alte Bekannte und neue Freunde