75 Jahre “Het Achterhuis” – “Tagebuch der Anne Frank”

Grab von Anne Frank. Foto: bernswaelz / Pixabay
Grab von Anne Frank. Foto: bernswaelz / Pixabay

Wir dokumentieren eine  Stellungnahme der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer – Bund der Antifaschisten (FIR) zum 75. Jahrestag des Erscheinens des „Tagebuchs der Anne Frank“

Vor 75 Jahren erschien unter dem Titel „Het Achterhuis“ das wohl bekannteste Buch über die Verfolgung jüdischen Menschen im Zweiten Weltkrieg, das in deutscher Sprache als „Tagebuch der Anne Frank“ bekannt ist. Es enthält die Aufzeichnungen eines jungen Mädchens in Form von Tagebucheintragungen vom 12. Juni 1942 bis zum 1. August 1944, wobei sie ab dem 6. Juli 1942 mit ihrer Familie im Hinterhaus des Gebäudes Prinsengracht 263 (heutiges „Anne-Frank-Haus“) in Amsterdam versteckt lebte, um der Deportation und Ermordung zu entgehen. Am 4. August 1944 wurde das Versteck entdeckt, die Familie verhaftet und nach Deutschland verschleppt.

Nach der Verhaftung der Familie Frank rettete deren Helferin Miep Gies das Tagebuch vor dem Zugriff der Gestapo. Nach dem Krieg übergab sie es an Annes Vater Otto Frank, der als einziger seiner Familie Krieg und Holocaust überlebt hatte. Eine erste Fassung wurde am 25. Juni 1947 veröffentlicht. In späteren Ausgaben wurden Auslassungen, die Otto Frank aus persönlichen Gründen vorgenommen hat, wieder eingefügt. 1986 veröffentlichte das Niederländische Institut für Kriegsdokumentation (Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie, NIOD), dem Otto Frank die Rechte vermacht hatte, sogar eine historisch-kritische Ausgabe. Das Buch erreichte weltweite Anerkennung. Es wurde in über 70 Sprachen übersetzt.

Von besonderem Interesse ist das Tagebuch ab dem 6. Juli 1942, an dem sich die Familie Frank in dem Hinterhaus in der Prinsengracht 263 versteckte, wo Otto Frank zuvor die niederländische Niederlassung der Firma Opekta leitete. Je länger der Aufenthalt im Versteck dauerte, desto angespannter wurde die Situation. Die Monotonie des Alltags und Beschränkungen verursachten immer intensivere Konflikte untereinander. Da Anne nun keinen Kontakt zu ihren eigentlichen Freunden haben durfte, entwickelte sich das Tagebuch als Medium, dem sie alles anvertraute. Es wurde eine wichtige Begleitung in der schweren Zeit.

Zunächst schrieb Anne über Erlebnisse in ihrem ungewöhnlichen Alltag – die Enge des Verstecks, schöne Überraschungen wie beim Chanukka-Fest und die Konflikte mit den Mitbewohnern, vor allem mit Fritz Pfeffer und ihrer Mutter. Sie fühlte sich oft missverstanden, wenn die anderen sie als vorlaut und unbescheiden kritisierten. In der überarbeiteten Einleitung brachte sie ihren Wunsch nach einem wahren Freund zum Ausdruck, einer Person, der sie ihre intimsten Gedanken und Gefühle anvertrauen könnte. Sie stellte fest, dass sie mehrere „Freunde“ und ebenso viele Verehrer habe, aber (nach ihrer eigenen Definition) keinen echten Freund. So blieb ihr Tagebuch der engste Vertraute. Während der 25 Monate im Versteck vertraute sie dem Tagebuch alle Ängste und Hoffnungen an. So wird deutlich, wie das Mädchen, das sich manchmal in seinen Träumen verlor, zu innerer Festigkeit heranreifte. Anne Franks letzter Tagebucheintrag stammt vom 1. August 1944, drei Tage vor ihrer Verhaftung. Miep Gies, die den Versteckten immer geholfen hatte, fand die Blätter in die Prinsengracht und versteckte sie, um sie nach dem Krieg an Anne oder ihre Familie zurückzugeben.

Neofaschistische Geschichtsrevisionisten begannen schon in den 1950er Jahren, die Echtheit des Tagesbuches zu leugnen. Solche Angriffe erfolgten zumeist im Kontext der Holocaust-Leugnung Als 1991 Robert Faurisson und Siegfried Verbeke ein Pamphlet mit dem Titel The Diary of Anne Frank: A Critical Approach herausgaben, in dem sie behaupteten, Otto Frank habe das Tagebuch selbst geschrieben, kam es zu einem Prozess. Am 9. Dezember 1998 bestätigte ein Amsterdamer Gericht die Echtheit des Tagebuchs und stellte die Leugnung unter Strafe. Der Amsterdamer Gerichtshof bestätigte dies am 27. April 2000 in letzter Instanz.

Dennoch bleibt das Buch ein Hass-Objekt der Neonazis. 2006 verbrannten in Deutschland mehrere Männer bei einer Sonnenwendfeier öffentlich ein Exemplar. Zum Skandal wurde der Vorgang, als Polizisten keine Anzeige wegen Volksverhetzung aufnehmen wollten, weil ihnen angeblich das „Tagebuch der Anne Frank“ unbekannt sei.

Die FIR erinnert an dieses eindrucksvolle literarische Zeugnis der versuchten Rettung jüdischer Menschen in den Niederlanden und begrüßt, dass dieses Buch im Jahr 2009 von der UNESCO in das Weltdokumentenerbe aufgenommen worden ist.