»Schicksalswahlen«

ZLV Zeitung vum Letzeburger Vollek
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Agenturen berichten, daß in diesem Jahr etwa die Hälfte der Menschheit aufgefordert wird, per Stimmabgabe neue Volksvertreter zu bestimmen. Einige dieser Wahlen werden bereits zu »Schicksalswahlen« hochstilisiert. Und es gibt bereits Einschätzungen über Ergebnisse von Wahlen, die noch gar nicht stattgefunden haben.

Das ist völlig normal unter den Bedingungen des Kapitalismus, denn es ist bekannt, daß die meisten Wahlen nichts an den wirklichen Machtverhältnissen ändern, auch wenn danach häufig von »Machtwechsel« die Rede ist. Wie albern dieser Begriff in seiner Anwendung ist, zeigte sich beim jüngsten »Machtwechsel« an diesem Wochenende in Dänemark, bei dem die nicht vom Volk gewählte Königin Zepter und Kutsche samt umfangreichen Schatzkammern und Grundbesitz an ihren ebensowenig vom Volk gewählten Sohn übergab…

Die jüngste »Schicksalswahl« gab es ebenfalls an diesem Wochenende in Taiwan, über sie wurde in westlichen Medien berichtet, als ginge es um eine Frage von Leben und Tod. Große Erleichterung machte sich breit, als gemeldet werden konnte, der »chinakritische« Kandidat habe gewonnen. Für die EU, die sich im Gefolge der USA die Volksrepublik China als einen der Hauptgegner erkoren hat, war das so wichtig, daß man aus Brüssel sogar Glückwünsche an die Wähler in Taiwan übermittelte.

In den Medien hieß es in diesem Zusammenhang, der Status Taiwans sei ungeklärt. Allerdings ist er längst geklärt und festgeschrieben. Die Resolution 2758 der UNO-Generalversammlung vom 25. Oktober 1971 besagt eindeutig, daß die Volksrepublik China der einzig rechtmäßige Vertreter des chinesischen Volkes ist, wodurch Taiwan als Teil Chinas anerkannt wurde. Die »Ein-China-Politik« ist auch die Grundlage der bilateralen Beziehungen zwischen der Volksrepublik und den USA, ungeachtet aller Versuche, diese Position in Frage zu stellen. Das gilt unabhängig vom politischen Kolorit jeglicher Regierung in Taipeh.

Am Montag begann das offizielle Vorgeplänkel für die »Schicksalswahl« in den USA, nämlich die Vorwahlen innerhalb der Republikanischen Partei. Dort stehen ein chancenloser rechter Politiker, dessen Namen man bald wieder vergessen haben wird, und die ebenso chancenlose frühere, von Donald Trump ernannte Botschafterin der USA bei der UNO, gegen Donald Trump himself, der auf seinem Weg zur finalen Kandidatur nur noch durch ein Gerichtsurteil aufgehalten werden könnte, falls sich die mehrheitlich von Präsident Trump ernannten Richter gegen ihn entscheiden sollten. Bei der Wahl zwischen den alten weißen Männern Trump und Biden müssen sich die Wähler zwischen schlecht für die USA und noch schlechter für die USA entscheiden, wobei Trump und Biden wahlweise sowohl für die eine als auch für die andere Tendenz stehen können.

Und dann schließlich die Wahl zum EU-Parlament. Dabei ist allein die Tatsache, daß ein Mandat für deutsche Abgeordnete für ein einziges Prozent der Stimmen zu haben ist, während in Luxemburg 14 Prozent aufgebracht werden müssen, ein markanter Ausdruck von Demokratie à la EU. Und das für ein Parlament, das mit lächerlich wenig Rechten ausgestattet und eigentlich nur dafür da ist, Entscheidungen der EU-Kommission abzunicken, die großteils unter direktem Einfluß einer Heerschar von Lobbyisten zustandekommen.

Bei all diesen »Schicksalswahlen« wird es den meisten Wählern wohl eher nicht gelingen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek