EU-Aufrüstung auf Pump
Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:
Wer soll das bezahlen? Das war angesichts der immensen Kosten der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Rußland eine der zentralen Fragen, mit denen sich am Montag die 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten, der seit vergangenem Herbst amtierende NATO-Generalsekretär Mark Rutte sowie der britische Premier Keir Starmer auf ihrem informellen Gipfeltreffen in Brüssel befassen mußten. Schon die viele Munition und die Waffen sind extrem teuer, doch sie sind ja bei weitem nicht alles. Millionen ukrainische Flüchtlinge in der EU müssen versorgt, das Kiewer Staatsbudget muß mit gewaltigen Summen gestützt werden. Bis Ende übernächsten Jahres (!) sollen 50 Milliarden Euro nach Kiew fließen, hatte man vor einem Jahr mit Hängen und Würgen nach aufreibenden Auseinandersetzungen beschlossen.
Doch angesichts des drohenden Ausfalls der USA als Finanzier des Krieges in der Ukraine dürften die 50 Milliarden noch längst nicht reichen. Und nun? Was bleibt, sind Appelle an die Mitgliedstaaten, künftig »mehr, besser, gemeinsam und in Europa« in Rüstungsprojekte zu investieren – und das Schleifen von Tabus. So haben im Vorfeld des gestrigen Gipfels 19 von 27 Staats- und Regierungschefs die in Luxemburg ansässige Europäische Investitionsbank (EIB) in einem gemeinsamen Brief aufgefordert, künftig auch Geld für Rüstungsprojekte zur Verfügung zu stellen.
Noch ist die Aufrüstung der EU auf Pump mit EIB-Geldern nämlich verboten, weil es in ihrem Mandat heißt, die EU-Investitionsbank dürfe keine Waffen, Munition oder »zentrale militärische und polizeiliche Infrastruktur« finanzieren. Das wurde noch in Artikel 309 des Anfang Dezember 2009 in Kraft getretenen »Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union« (AEUV) bestätigt.
Der Brief, der der Zeitung in Kopie vorliegt, trägt auch die Unterschrift Luc Friedens, der sich – aus ökonomisch gutem Grund – bisher eher gegen eine Ausweitung des EIB-Mandats auf Rüstungsprojekte ausgesprochen hatte: Rüstung gilt nicht als besonders nachhaltig, weshalb nicht wenige Ökonomen und auch Regierungspolitiker um die Bonität der EIB fürchten. So hat sich der mittlerweile zur EU-Kommission gewechselte österreichische Konservative Magnus Brunner als Finanzminister seines Landes öffentlich Sorgen um das sogenannte ESG-Rating der EIB gemacht.
Dabei handelt es sich um ein Gütesiegel für angeblich »ökologische, soziale und nachhaltige« Investments, an dem »institutionelle Anleger« – vor allem Staats- und Pensionsfonds – ihre Investitionsentscheidungen ausrichten. Kreditvergaben für die EU-Aufrüstung auf Pump könnten zu einer Bonitätsherabstufung der EIB führen und so deren Refinanzierung verteuern. Wenn sich aber die Geldbeschaffung am Finanzmarkt verteuert, dann hat das immer negative Auswirkungen auf die eigene Kreditvergabe der EIB. Selbst die Briefschreiber kamen nicht umhin, anzuerkennen, daß die EIB »bei einer Ausweitung ihrer Aktivitäten mit den Finanzmärkten und Ratingagenturen Rücksprache halten muß«, um den »starken Kreditstatus« der EU-Investitionsbank »nicht zu gefährden«.
Einer Entscheidung über die geforderte Mandatserweiterung müßten alle Mitgliedstaaten zustimmen, doch die Staats- und Regierungschefs Polens, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, Österreichs, Irlands, Dänemarks, Portugals, Ungarns, Bulgariens und Maltas gehörten nicht zu den Unterzeichnern des Briefs an die EIB. Die hat übrigens am Donnerstag mitgeteilt, sie habe ihre Kreditvergaben für militärisch und zivil nutzbare Güter wie Hubschrauber oder Drohnen (Dual-Use) 2024 auf eine Milliarde Euro verdoppelt, 2025, so EIB-Präsidentin Nadia Calviño, sei eine weitere Verdopplung auf zwei Milliarden Euro zu erwarten.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek