Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:
Die politische Lage auf dem europäischen Kontinent hat sich in den letzten Jahren drastisch zugespitzt. Wir erleben heute eine historische Phase globaler Konfrontation, wachsender militärischer Eskalation und gefährlicher Rückkehr von Machtblocklogik – einer Logik, die in erster Linie von Seiten des kapitalistischen Westens ausgeht, d.h. den USA und ihren europäischen NATO-Satelliten sowie der EU, die sich als neuer Militärblock gegen Russland positionieren möchte. Luxemburg spielt als NATO- und EU-Mitglied eine aktive Rolle, indem es für die zurzeit besonders bellizistischen Staaten aus der Koalition der Willigen, bestehend aus Britannien, Frankreich, Deutschland und einer Reihe skandinavischer sowie baltischer Staaten, als Steigbügelhalter fungiert. Die Regierung verfolgt derzeit ein ambitioniertes Programm militärischer Aufrüstung und bindet sich eng an die strategischen Zielsetzungen der NATO und der Europäischen Union. Dies markiert einen Bruch mit der zwar moderaten – wenngleich in den Augen der Kommunisten: auch damals schon zu hohen – Investitionspolitik Luxemburgs auf militärischer Ebene und bedeutet einen tiefen Einschnitt in den Haushalt und letztlich in die ökonomisch-gesellschaftliche Struktur des Staates.
Doch bevor wir diese Entwicklung bewerten, müssen wir der grundlegenden Frage nachgehen: Warum findet diese Rekordaufrüstung statt? Was sind die ökonomischen, politischen und ideologischen Ursachen? Und wohin führt dieser Weg?
Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus – und als Ursache für Kriege
Wenn wir die aktuelle Lage verstehen wollen, dürfen wir nicht bei oberflächlichen Erklärungen stehenbleiben. Lenin beschrieb den Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus: ein Stadium, in dem monopolistische Konzerne und finanzkapitalistische Konsortien über nationale Grenzen hinaus agieren und sich in globaler Konkurrenz um Märkte, Rohstoffe, Transportwege, Investitionsräume und geopolitische Einflusszonen gegenüberstehen.
Lenin kristallisierte fünf Kernmerkmale heraus:
1) Konzentration von Kapital in wenigen Monopolen;
2) Verschmelzung von Industriekapital und Finanzkapital;
3) Bedeutung des Exports von Kapital gegenüber dem Export von Waren;
4) Bildung internationaler Kapitalverbände zur Aufteilung der Welt;
5) Territoriale Aufteilung der Welt durch imperialistische Großmächte.
Diese Analyse beschreibt erschreckend präzise die heutige Weltordnung: Internationale Konzerne, Rohstoffgiganten, digitale Monopolkonzerne, Rüstungsindustrien und Finanzoligarchien dominieren die globale Ökonomie. Staaten fungieren dort nicht als neutrale Akteure, sondern als politisch-militärische Apparate zur Durchsetzung ökonomischer Interessen. Kriege entstehen nicht aus moralischen Differenzen oder aus humanitär-demokratischer Hilfsbereitschaft zwecks Durchsetzung der universalen Menschenrechte – so die westliche Argumentation bei den völkerrechtswidrigen Kriegen und Operationen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, in Afghanistan, gegen den Irak, Libyen, Syrien, um nur einige sogenannte »Interventionen« zu nennen –, sondern aus dem inneren Widerspruch eines kapitalistischen Systems, das permanent neue Profitquellen erzwingen muss und damit nur durch Expansion überlebensfähig ist. Angesichts der Entstehung einer multipolaren Welt mit neuen Akteuren wie China, Indien, den südostasiatischen Staaten und der BRICS-Organisation befindet sich dieses System in der Defensive, was zu einer besonders aggressiven Aufrüstungs- und Bedrohungsspirale geführt hat.
Der nun aufflammende Militarismus ist daher nicht ein zufälliger Irrweg, sondern ein notwendiges Herrschaftsinstrument, um die auf Ausbeutung sowie auf westliche Dominanz bestehende ökonomische Ordnung wieder herzustellen und den Einflussverlust mit Gewalt zu verhindern, jene Hegemonie, die von NATO- und EU-Politikern als »regelbasierte Ordnung« bezeichnet wird und die im Wesentlichen nichts gemein hat mit den friedensorientierten Grundsätzen der UNO.
Die Rolle der NATO und die Eskalation gegen Russland und China
Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 hat sich die NATO systematisch nach Osten ausgedehnt. Zwölf osteuropäische Staaten traten seitdem bei. Gleichzeitig wurden Verträge zur Abrüstung einseitig von Seiten der USA gekündigt: der ABM-Vertrag über Raketenabwehrsysteme, der INF-Vertrag über Mittelstreckenraketen, der Open-Skies-Vertrag usw. Die militärische Infrastruktur der NATO rückt immer näher an Russland heran, riesige Aufmarschplätze zu Land, zur Luft und auf der See entstehen an der sogenannten Ostflanke, zehntausende Truppen werden stationiert, Rüstungsprogramme werden massiv ausgeweitet.
Parallel dazu wächst die Konfrontation mit China – im Pazifik bilden sich Kriegskoalitionen, Taiwan wird zum strategischen Zündfunken aufgebaut, und immer mehr westliche Militärstrategen sprechen offen von einem unvermeidlichen Krieg. Wir erleben die Vorbereitung eines globalen Konflikts um wirtschaftliche Vorherrschaft, technologische Kontrolle und geopolitische Dominanz.
Der verstorbene Papst Franziskus – und es kommt nicht oft vor, dass sich Kommunisten auf ein katholisches Oberhaupt beziehen können – sprach in diesem Kontext von einem „Dritten Weltkrieg in Raten“, der bereits begonnen habe.
Kommen wir nun zum Kernproblem: der Rekordaufrüstung Luxemburgs und der Einbindung in die um sich greifende Kriegslogik der NATO und der EU.
Umfang und Geschwindigkeit der Aufrüstung in Luxemburg
Im Mai 2025 präsentierte Armeeministerin Yuriko Backes den »Effort de défense 2025«. Darin verpflichtet sich Luxemburg, seine »Verteidigungsausgaben« auf 2 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu erhöhen. Das bedeutet für 2025 einen Sprung auf rund 1,18 Milliarden Euro, während im Jahr zuvor der Haushalt bereits bei etwa 780 Millionen Euro lag. Zur Erinnerung: Im Jahr 2014 lag das Militärbudget in Luxemburg bei rund 190 Millionen Euro, das heißt 0,2 Prozent (!) des Bruttonationaleinkommens.
Innerhalb von zehn Jahren sind die Ausgaben also um mehr als das Sechsfache gestiegen, womit Luxemburg zu den prozentual am schnellsten aufrüstenden Staaten der EU gehört. Für Luxemburg bedeutet das NATO-Fünfprozentziel, dass spätestens ab 2035 Jahr für Jahr rund drei Milliarden Euro für Militärzwecke verpulvert werden sollen. Das wären nach Berechnungen der Handelskammer mehr als zehn Prozent des Staatsbudgets.
Die Ministerin betont, die »Friedensdividende« sei aufgebraucht, »Resilienz« sei das Gebot der Stunde, Luxemburg müsse »verlässlicher Bündnispartner« in der NATO sein und seine militärischen Kapazitäten »spürbar ausbauen«, auch auf dem Gebiet der Rüstungsindustrie. Auch wenn das Vokabular oftmals euphemistischer Natur ist, so zeigt es doch deutlich: Die militärische Einsatz- und Interventionsfähigkeit im Rahmen der NATO-Politik muss in bisher nie dagewesenem Ausmaß – also auch nicht zu den Hochzeiten des Kalten Krieges – hochgeschraubt werden. Friedensrhetorik sieht anders aus.
Struktureller Umbau des Staates und Aufbau militärischer Infrastruktur
Diese Aufrüstung umfasst weit mehr als einen höheren Haushalt. Sie beinhaltet:
● den Aufbau einer nationalen sogenannten „Defence“-Industrie, also einer eigenen Rüstungs- und Kriegswirtschaft;
● Investitionen in Forschung und Entwicklung militärtechnologischer Innovationen;
● »Defence«-Bonds und Finanzinstrumente zur Kapitalmarktfinanzierung von Rüstungsprojekten;
● Programme für militärisch nutzbare Technologiepartnerschaften mit privaten Unternehmen;
● sowie den massiven Ausbau militärischer Personal- und Logistikkapazitäten.
Damit verschiebt sich Luxemburg von einem Land ohne nennenswerte militärische Produktionsbasis zu einem Akteur, der systematisch militärisch-ökonomische Strukturen aufbaut. Eine sich in Planung befindliche Gesetzesänderung soll diesen Prozess noch beschleunigen. Damit wären die allerletzten Reste der alten Luxemburger Neutralität, die es de facto und de jure seit dem NATO-Beitritt ja schon seit Langem nicht mehr gibt, weggefegt.
Militarisierung der Wirtschaft
Dieser Aspekt wird in der öffentlichen Debatte meist ausgeblendet, ist aber zentral: Die luxemburgische Wirtschaft wird bewusst militarisiert. Es findet ein breiter Umbau der Wirtschafts- und Technologiepolitik zugunsten militärrelevanter Sektoren statt.
Was bedeutet das konkret?
1) Hochschulen, Start-ups, Digital- und Cybersicherheitsfirmen sowie Raumfahrt- und Satellitenunternehmen werden systematisch in militärische Beschaffungs- und Kooperationsprogramme eingebunden.
2) Forschungsgelder verschieben sich weg von ziviler Innovation hin zu zweckgebundener militärtechnischer Entwicklung.
3) Der Staat tritt als strategischer Investor in militärisch verwertbare Technologie ein, mit dem Argument »Wettbewerbsfähigkeit«.
4) Öffentliche Gelder werden eingesetzt, um privates Kapital in Rüstung und Verteidigung zu lenken.
5) Damit entsteht im Rahmen von EU- und NATO-Vorgaben auch in einem kleinen Land wie Luxemburg eine symbiotische Beziehung zwischen Staat, Finanzsektor und Rüstungssektor – ein klassisches Muster, das Lenin in seiner Analyse des Imperialismus beschrieb: die Verschmelzung von Finanzkapital, Industrie und Staatsmacht zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen.
Diese Entwicklung hat weitreichende Folgen: Wenn Wirtschaft und Wissenschaft in militärische Zielsetzungen eingebunden werden, wird Krieg zur wirtschaftlichen Option, nicht zur moralisch-humanitären Katastrophe.
Gesellschaftliche Konsequenzen
Während Milliarden für Rüstung verfügbar sind, bleiben zentrale Probleme ungelöst:
Wohnungsnot, Engpässe in Schulen und Krankenhäusern, steigende Lebenshaltungskosten, sozialer Druck auf arbeitende Familien.
Dem Volk wird verlautbart, es sei »kein Geld da«. Aber für Militarisierung ist plötzlich Geld im Überfluss vorhanden. Hierbei handelt es sich um klare Klassenpolitik: Profite für Konzerne, Lasten für Beschäftigte und Steuerzahler.
Militarisierung des Denkens und Unterdrückung von Friedensstimmen
Aufrüstung findet nicht nur materiell statt, sondern auch ideologisch. Medien propagieren direkt oder indirekt eine Form der Kriegsrhetorik, Friedenspositionen werden diffamiert, kritische Stimmen mundtot gemacht. Sicherheit wird ausschließlich militärisch gedacht, Diplomatie als Schwäche dargestellt. Jugendliche werden militärisch rekrutiert, indem militärische Berufswege romantisiert werden; Krieg wird als Möglichkeit »europäischer Verantwortung« verklärt.
Doch die Wahrheit bleibt: Krieg bedeutet immer Leid, Zerstörung, Entmenschlichung. Und die Opfer sind niemals die Banken, Konzerne und Kriegstreiber – sondern die arbeitenden Menschen. Krieg ist immer auch Klassenkrieg von oben, der Menschen gegeneinander hetzt, um Profite zu sichern.
Die Gefahr eines großen Krieges in Europa
Wenn wir die Fakten nüchtern betrachten, sehen wir eine gefährliche Realität:
Leitende EU-Politiker und offizielle NATO-Lautsprecher werden nicht müde, davon zu sprechen, dass ein direkter Krieg mit Russland möglich sei, sie scheinen ihn geradezu heraufbeschwören zu wollen – das lässt tief blicken;
● Die EU fordert »Kriegstüchtigkeit«;
● Militärische Infrastruktur wird ausgebaut, um eine Massenmobilisierung vorzubereiten;
● Atomwaffen werden direkt oder indirekt wieder salonfähig gemacht;
● Diplomatie bleibt aus, wird als »Schwäche« im Umgang mit »autoritären Staaten« und »Diktaturen« – die eurozentristische Sichtweise erlaubt keine Differenzierung – deklariert, Waffenlieferungen ersetzen konkrete Verhandlungen.
Der westlich-kapitalistische Machtblock – dessen innere Widersprüche man freilich nicht außer Acht lassen darf, denn auch hier stehen verschiedene Imperialismen in Konkurrenz zueinander – befindet sich auf einer schiefen Ebene. Es reicht ein Funke, und der europäische Kontinent kann in Brand geraten. Die Geschichte zeigt: Kriege beginnen nicht im Moment des ersten Schusses, sondern bereits in jener Phase, in der die Wirtschaft materiell und die Menschen psychologisch darauf vorbereitet werden. In einer solchen leben wir gerade, es gilt, diese Spirale des Todes zu durchbrechen.
Für Frieden und soziale Entwicklung
Die Alternative existiert. Sie ist keine Utopie, sondern erweist sich als realistisch. Sie lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
● Abrüstung statt Rüstungswettlauf;
● Diplomatische Entspannung statt Konfrontation;
● Internationale Zusammenarbeit statt Blocklogik;
● Investitionen in Gesundheit, Bildung, Wohnraum und Klima statt in Rüstungsproduktion.
Frieden ist keine naive Hoffnung, sondern eine politische Notwendigkeit. Frieden und globale Kooperation sind im 21. Jahrhundert die Voraussetzungen jeder zivilisatorisch-kulturellen Entwicklung.
Wenn Europa aufgrund der imperialistischen Logik von EU und NATO wieder in einen großen Krieg stürzen sollte, wird es keine Sieger geben – nur Asche und Ruinen. Unsere Aufgabe besteht darin, aufzustehen gegen den neuen, sich modern gebenden, im Kern jedoch wie eh und je gefährlichen Militarismus, gegen die Propaganda der »Kriegstüchtigkeit«, gegen den Irrationalismus der Rekordaufrüstung und nicht zuletzt gegen die kapitalistische Expansionslogik – frei nach Bertolt Brecht: »Man hat gesagt, die Freiheit entsteht dadurch, dass man sie sich nimmt. Nehmen wir uns also zuallererst die Freiheit, für den Frieden zu arbeiten.«
Die Kommunisten fordern deshalb:
Nein zu Rekordaufrüstung, ja zu sozialem Fortschritt.
Nein zu Kriegslogik, ja zu internationaler Solidarität.
Nein zu imperialistischer Konfrontation, ja zu friedlicher Koexistenz der Völker.
Alain Herman
Vortrag auf der
Landeskonferenz der KPL, am 16. November 2025
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

