In die Offensive, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und den Handel zu stärken

Gegenwärtig ist die Situation im Handel kompliziert, und es gibt eine Vielzahl von Problemen. Bereits vor der Corona-Krise war das der Fall, zum Beispiel wegen der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitszeiten, einer regelrechten Explosion der Zahl der Supermärkte und Geschäftsgalerien und einer verschärften Konkurrenz zu Lasten der kleineren Geschäfte, aber auch wegen der horrenden Mieten, welche für viele Geschäftslokale bezahlt werden müssen, so dass beim Personal eingespart wird oder es zu Schließungen und Konkursen kommt. Dies sehen wir gegenwärtig zum Beispiel verstärkt im Texil- und Modebereich.

Die Corona-Krise hat diese Entwicklung noch deutlich verschärft, so dass sich die Schwierigkeiten für viele Geschäftsinhaber häufen und negative Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsplätze zu befürchten sind, um so mehr sechs von zehn Beschäftigten im Einzelhandel nicht durch einen Kollektivvertrag geschützt sind. In kleinen Betrieben ist das noch ausgeprägter, die Arbeitszeiten sind oft sehr flexibel und die Löhne sehr niedrig.

Über diese und weitere Fragen stand David Angel, Zentralsekretär des OGBL im Bereich Handel, der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« Rede und Antwort.

Wie will der OGBL auf die schwierige Situation im Handel reagieren?

Wir haben trotz der komplizierten Bedingungen entschieden, in die Offensive zu gehen, denn es ist höchste Zeit zu handeln, um Verschlechterungen zu verhindern und Verbesserungen durchzusetzen, welche im Interesse der Beschäftigten, der Absicherung der Arbeitsplätze und des Handels insgesamt sind.

Um das möglich zu machen und die Beschäftigten zu mobilisieren hat die Gewerkschaft sechs Vorschläge für die Zukunft des Handels ausgearbeitet, die dazu führen sollen, dass sich die Situation für die Beschäftigten verbessert, parallel dazu aber auch dazu beitragen soll, dass sich die Bedingungen für den Einzelhandel und die vielen Geschäftsinhaber, die gegenwärtig mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, konsolidieren.

Welches sind die die Vorschläge, mit denen der OGBL in die Offensive gehen will?

Wie wollen uns dafür einsetzen, dass es zu einem Branchenkollektivvertrag kommt, der alle Unternehmen im Handel einschließt, die weniger als 50 Beschäftigte zählen. In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass es mehr als 3.000 Betriebe im Einzelhandel gibt, von denen drei Viertel weniger als fünf Personen beschäftigen. Deren Arbeitsbedingungen sind besonders kompliziert und oft sehr schwierig, weshalb wir eine Harmonisierung anstreben.

Um das durchsetzen zu können, wird eine Reform des Kollektivvertragsgesetzes unumgänglich sein. Erfordert ist, eine Verhandlungspflicht im Gesetz einzuschreiben, damit es überhaupt zu Verhandlungen über einen Branchen-Kollektivvertrag kommen kann.

Auch fordert der OGBL, um die negativen Auswirkungen der Krise auf die Beschäftigten und die Unternehmen einzuschränken und Entlassungen zu verhindern, Verhandlungen über einen sektoriellen Plan zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung im Einzelhandel. Ein solcher Plan würde es Unternehmen zum Beispiel ermöglichen, Beschäftigte auszuleihen oder ihnen Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, was den Betrieb entlasten würde, ohne dass es zu Entlassungen kommt.

Im gleichen Zusammenhang will ich auch darauf hinweisen, dass dem OGBL vorschwebt, einen »Plan de maintien dans l’emploi« für den gesamten Textil- und Modesektor auszuhandeln, wo die Situation sehr ernst ist und bereits eine Reihe Schließungen und Konkurse erfolgten.

Weiter fordern wir klar geregelte Arbeitszeiten, denn gegenwärtig haben immer mehr Beschäftigte große Schwierigkeiten, ihr Privat- und Familienleben mit ihrer Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Gegen eine weitere Liberalisierung der Öffnungszeiten und eine zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeiten werden wir uns jedenfalls mit aller Kraft wehren.

Auch für die Teilzeitbeschäftigten, die gegenwärtig teilweise ultra-flexibel sein müssen, was nicht legal ist, fordern wir geregelte Arbeitszeiten. Die bestehenden Gesetze müssen eingehalten werden und die Beschäftigten dürfen nicht zu Teilzeitarbeit gezwungen werden.

Das alles sind Forderungen, die direkt im Sinne der Beschäftigten sind. Welche Vorschläge hat der OGBL denn, um gegen die Schieflage in der Geschäftswelt vorzugehen?

Auch da haben wir gleich drei Vorschläge, für die wir uns stark machen wollen.

Inzwischen gibt es rund 1,2 Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche und 20 große Einkaufszentren im Land. Das hat dazu geführt, dass viele kleinere Geschäfte aufgeben mussten oder sich in großen Schwierigkeiten befinden und führt dazu, dass die Stadtzentren ausgeblutet werden. Denn parallel zur Zahl der Supermärkte und Verkaufsgalerien ist die Kaufkraft der Schaffenden nicht gestiegen.

Um zu verhindern, dass diese Entwicklung noch dramatischere Auswirkungen für die Geschäftswelt und die Arbeitsplätze im Handel bekommt, fordert der OGBL ein Moratorium von drei Jahren für Einkaufszentren, was bedeutet, dass während dieser Zeitspanne keine Genehmigungen für den Bau von Supermärkten und Geschäftsgalerien erteilt werden.

Weiter fordert die Gewerkschaft, dass die Mieten für Geschäftsflächen für die nächsten drei Jahre eingefroren werden, so dass es nicht zu weiteren Mieterhöhungen kommen kann, denn die horrenden Mieten sind einer der Gründe für Geschäftsschließungen.

Schlußendlich schlägt der OGBL im Interesse der Geschäftswelt auch vor, dass von der Regierung öffentliche Konsumgutscheine an die Lohnabhängigen und Rentner ausgegeben werden sollten, um den Konsum in den Bereichen zu stützen, die gezwungen wurden, ihre Aktivitäten während der Covid-Krise einzuschränken, beziehungsweise ganz einzustellen.

Wie will der OGBL vorgehen, um dieses Aktionsprogramm durchzusetzen?

Inzwischen hatten wir er­ste Gespräche mit der Handelskonföderation CLC, mit der wir einzelne unserer Vorschläge diskutierten. Auch stellten wir Arbeitsminister Kersch unsere sechs Forderungen vor, der großes Interesse zeigte und uns zum Beispiel versicherte, dass er die Gewerbeinspektion einschalten wolle, um zu erreichen, dass das Gesetz im Bereich der Teilzeitbeschäftigung beachtet wird, so dass verhindert werden kann, dass Teilzeitbeschäftigte über ultra-flexible Arbeitszeiten überausgebeutet werden. Auch mit Mittelstandsminister Lex Delles werden wir zusammenkommen, um ihm unsere Vorschläge zu erläutern.

2021 wollen wir einerseits mit der Handelskonföderation CLC ernsthafte Verhandlungen führen und andererseits uns dafür einsetzen, dass es zu einem »Zukunftsdësch Commerce« zwischen den zuständigen Ministerien, dem Patronat und den Gewerkschaften kommt, um auszuloten, welche Initiativen ergriffen werden können, um den Handel zu stärken.

Vor allem wollen wir allerdings in den Betrieben mobilisieren, um die Rechte der Beschäftigten durchzusetzen, und bessere Arbeits- und Lohnbedingungen durchzusetzen.

Uns schwebt vor, zeitgleich in einer ganzen Reihe von Betrieben Kollektivvertragsverhandlungen aufzunehmen und die Beschäftigten aufzurufen, sich, zusammen mit dem OGBL, solidarisch für ihre eigenen Interessen einzusetzen und sich, sofern das noch nicht der Fall ist, in der Gewerkschaft zu engagieren.

Das Gespräch führte Ali Ruckert

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – In die Offensive, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und den Handel zu stärken