Bewegung ist nötig, es kommt was in Bewegung

Zum Aufruf „Zero Covid“ erklärt Patrik Köbele, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP):

Noch vor wenigen Wochen standen Kommunistinnen und Kommunisten relativ allein mit ihrer Aussage, dass ein konsequentes Vorgehen gegen die Corona-Pandemie ohne Eingriffe in die Verfügungsgewalt der Banken und Konzerne über Fabriken und Produktionsmittel nicht möglich ist. Nun nimmt die Debatte Fahrt auf. Selbst in Parteien des Monopolkapitals mehren sich Stimmen, denen der Widersinn auffällt, dass die Freizeit der Menschen drastisch reglementiert wird, während die Bedrohung durch das Virus in Fabrikhallen, Packzentren und Großraumbüros, in überfüllten Bussen und Klassenzimmern übergangen wird.

Der Aufruf „Zero Covid“, der bereits von Tausenden, auch aus dem gewerkschaftlichen Spektrum, unterzeichnet wurde,  verstärkt die Debatte. Um die Zahl der Ansteckungen mit dem Virus auf Null zu bringen, sollen Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen und Schulen für mehrere Wochen geschlossen werden. Die Forderungen von „Zero Covid“ sind logisch und  orientieren sich an den Maßnahmen, die einen erfolgreichen Kampf gegen die Pandemie in der Volksrepublik China, in Vietnam und Kuba möglich machten: Drastische Einschränkungen der Kontakte nicht nur in der Freizeit, sondern auch auf der Arbeit, schnelle und regelmäßige Tests für alle, konsequente Pflege der Betroffenen und Ausbau der Ressourcen des Gesundheitswesens.

Im Aufruf wird verlangt, dass die Folgen des Shutdowns nicht auf die Massen und Beschäftigten abgewälzt werden dürfen, dass keiner zurückgelassen werden darf. Die Reichen, die Krisengewinnler, die Banken und Konzerne müssen zahlen. Gewerkschaften stehen ihrem Auftrag gemäß in der Pflicht, sich entschlossen für die Gesundheit der Beschäftigten einzusetzen und eine „solidarische Pause von einigen Wochen“ zu organisieren.

Wir brauchen diese Debatte in Gewerkschaften, Betrieben, Schulen, Universitäten und in der Nachbarschaft. Wir brauchen sie vor allem, um Bewusstsein dafür zu schaffen, dass nicht die Pandemie allein das Problem ist, sondern das Gefährlichste die Kombination aus Pandemie, Kapitalismus und seiner Krise ist. Wir brauchen sie, um Bewegung und Kämpfe zu initiieren, denn ohne sie ist die Forderung nach einer – noch dazu europaweiten – „solidarischen Pause“ illusionär.

Wir erleben gerade, wie sich imperialistische Dominanz der wirtschaftlich führenden Länder und ökonomische Ungleichheit in Europa in Unrecht und Kämpfe bei der Impfstoffverteilung niederschlagen. Dies gilt noch mehr für die Europa dominierende EU. Von diesem imperialistischen Konstrukt unter deutscher Vorherrschaft ist eine Strategie im Interesse der Menschen nicht zu erwarten, ohne dass es Massenkämpfe, Klassenkämpfe von unten in allen EU-Ländern gibt. Davon sind wir heute meilenweit entfernt.

Wir brauchen Bewegung, um das Abwälzen der Lasten der Wirtschaftskrise auf die Bevölkerung, für das die Pandemie genutzt wird, abzuwehren und um gegen eine neue Privatisierungswelle in den Kommunen und für ein Gesundheitswesen in öffentlicher Hand mit genügend Personal zu kämpfen. Nur so kann ein Kräfteverhältnis entstehen, in dem nicht jede neue Strategie im Kampf gegen das Virus letztlich Kapitalinteressen dient und von den Werktätigen bezahlt wird. Diese Gefahr besteht auch dann, wenn tatsächlich Wirtschaftsbereiche stillgelegt werden. Die Automobilindustrie zum Beispiel steckt immer noch weltweit in einer Überproduktionskrise. Ein Shutdown, den Beschäftigte und Steuerzahler zahlen, käme dem Kapital möglicherweise sogar gelegen.

„Wir wissen, dass wir den Schutz unserer Gesundheit gegen kurzfristige Profitinteressen und große Teile der Politik erkämpfen müssen“, diese Aussage des Aufrufs „Zero Covid“ muss Leitlinie einer Strategie gegen die Pandemie und ihre Instrumentalisierung durch die Herrschenden sein. Wird der Aufruf allein als Appell an die Regierenden oder gar „an Europa“  verstanden, wird er wenig helfen. Wird er als Instrument zur Entwicklung dieser Kämpfe genutzt, kann er von riesiger Bedeutung sein. Daran wollen wir Kommunistinnen und Kommunisten mitarbeiten.