D’Regierung mat der Kierbiischt

Die Regierung hat wenig Lust, sich mit den Gewerkschaften an einen Tisch zu setzen, um über die Folgen der Gesundheits- und Wirtschaftskrise zu diskutieren, sondern nimmt seit Monaten die Covid-Krise als Vorwand, um ein solches Treffen »mat der Kierbiicht« vor sich her zu schieben.

Aus der Sicht der Regierenden ist das verständlich, denn wer will sich schon anhören, nicht genug getan zu haben, um die Löhne und die Kaufkraft der Schaffenden vor negativen Auswirkungen der Krise zu schützen und seit langem überfällige Reformen zu verzögern? Genau das trifft aber zu.

Es stimmt wohl, dass der gesetzliche Mindestlohn ab dem 1. Januar dieses Jahres um 2,8 Prozent angehoben wurde, aber das entspricht nur einem kleinen Teil des großen Nachholbedarfs, der seit Jahren fortbesteht und deutlich höher als 10 Prozent ist.

Gleiches gilt für die Teuerungszulage, die ab Jahresbeginn wohl um 10 Prozent angehoben wurde, die aber seit 2009 nicht mehr erhöht wurde, so dass ihr realer Wert seither stark gesunken ist. Dass die Regierung dann auch noch erklärt, die Anpassung der Teuerungszulage sei als sozialer Ausgleich für die Kohlenstoffdioxidsteuer zu verstehen, schlägt dem Fass den Boden aus.

Wo aber bleiben die Kompensationen für die Bezieher von kleinen Löhnen und die seit 2014 versprochene Anpassung der Familienzulagen?

Da gäbe es immerhin den degressiven Steuerkredit, sagt man uns, aber davon haben die Lohnbezieher, die keine Steuern zahlen, ebenso wenig, wie die Lohnabhängigen, die etwas mehr als den Durchschnittslohn verdienen, ganz zu schweigen davon, dass die Schaffenden, die zur Kurzarbeit gezwungen werden, in den meisten Fällen ein Fünftel ihres Monatseinkommens einbüßen. Wo bleiben da die Kompensationen, die OGBL und KPL fordern, damit die Kurzarbeiter ihren vollen Lohn bekommen und damit keinem zusätzlichen Kaufkraftverlust ausgesetzt sind.

Dass die Regierung keine Lust hat, Gespräche mit den Gewerkschaften zu führen, selbst dann, wenn daran Patronatsvertreter teilnehmen sollten, hat auch damit zu tun, dass sie angesichts wachsender wirtschaftlicher und sozialer Probleme Farbe bekennen müsste, zum Beispiel, wenn es darum geht, dringend notwendige Reformen im Arbeitsrecht umzusetzen, vor allem im Bereich des »Plan de maintien dans l’emploi« und des Sozialplans, beziehungsweise hinsichtlich eines verstärkten Schutzes der Beschäftigten bei Konkursen.

So aber bleibt alles beim Alten, was natürlich auch dem Patronat in die Hände spielt, das über genug Kanäle verfügt, um sich Gehör bei der Regierung zu verschaffen und zu erreichen, dass die Folgen der Krise auf die Lohnabhängigen abgewälzt werden und die Politik der Umverteilung von unten nach oben fortgesetzt wird.

Genau um diese Umverteilung und die Richtung, in der sie erfolgt, wird es in Zukunft gehen, so dass die Schaffenden und ihre Gewerkschaften alles daran setzen müssen, um ihren Forderungen nicht nur Gehör zu verschaffen, sondern sie durchzusetzen.
Darüber Gespräche mit der Regierung und dem Patronat zu führen, kann nützlich sein, aber entscheidend sein wird die gewerkschaftliche Mobilisierung, die es möglich machen wird, ein Kräfteverhältnis zugunsten der Lohnabhängigen zu schaffen.

Ali Ruckert

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel: <br/>D’Regierung mat der Kierbiischt