Das „Antiteuerungspaket“ der Regierung – It’s the government, stupid

Das von der Regierung vorgelegte sogenannte „Antiteuerungspaket“ weist, rein nominell, ein in der Tat beachtliches Volumen auf. Allerdings ist es auch eine immense Mogelpackung und weder sozial treffsicher noch zielgerichtet und darüber hinaus ein Federbett für Vermögende und Begüterte, das sich die sich die Werktätigen auch noch selbst finanzieren.

Die „Schieflage“ des österreichischen Steuersystems ist – auch im OECD-Vergleich – berüchtigt. Da das Land über die letzten Jahrzehnte für Unternehmen, Konzerne und Großvermögen Zug um Zug in ein Steuerparadies umgebaut wurde, speist sich das Steueraufkommen mittlerweile zu zwei Drittel allein aus den beiden Massensteuern (Lohn- und Mehrwertsteuer), sprich: zum Überwiegenden aus den Einkommen der Beschäftigten, die damit zu den „Melkkühen“ des österreichischen Fiskus avancierten.

Die Ummünzung eines Begriffs

Hinsichtlich des bis 2026 nominell 22 – 28 Milliarden Euro schweren „Antiteuerungspaket“, dem jedwede preisdämpfende Maßnahmen gegen die Teuerungswelle selbst fehlen (Energiepreisdeckel, staatliche Preisregulierung der Lebensmittel bzw. Güter des täglichen Bedarfs – deren Teuerung mit 14% zudem noch deutlich über der Durchschnittsinflation von 8% liegt (Stichwort: Miniwarenkorb) – Mietpreisstopp etc.), heißt das schlicht, dass sich die Beschäftigten das Paket selbst finanzieren. Die spärliche Umverteilungseffekte zugunsten der ärmsten Haushalte des untersten Einkommensfünftels und auf Sozialleistungen Angewiesenen (die allerdings für besonders Betroffene die Inflation mitnichten zu kompensieren vermögen) markieren sonach eine reine Umverteilung innerhalb der Werktätigen – nicht aber von oben nach unten oder in traditionell gesprochen keineswegs zwischen Kapital und Arbeit. Ja, stärker noch: während die untersten Arbeitseinkommen der NiedriglöhnerInnen, die Mindestsicherung, das Arbeitslosengeld und zahlreiche Pensionen dessen unberührt weiterhin unter der Armutsgefährdungsschwelle liegen (und das Arbeitslosengeld und die Sozialhilfe für Hunderttausende auch künftig nicht valorisiert und an die Inflation angepasst wird), schüttet die Regierung dafür auch an Begüterte und Vermögende Teuerungsausgleiche aus und werden – da neben einer Gegenfinanzierung etwa durch Vermögens- und Erbschaftssteuern selbst eine „Übergewinnsteuer“ vom Tisch ist –  die krisenbedingten Sonderprofite („Windfall profits“) auch noch staatlich alimentiert. Die Energiekonzerne & Co sahnen jetzt also staatlich garantiert und noch zusätzlich befeuert mit unseren Steuergeldern weiter kräftig ab.

Voodoo-Ökonomie mit ausgeprägtem Herz für Reiche

Darüber hinaus herrscht die Finanzierung des Pakets betreffend, von ÖVP-Finanzminister Brunner und grünen Vizekanzler Kogler gleich als selbstfinanzierend abgetan, reinste Voodoo-Ökonomie. Zur Hälfte soll es sich aus den inflationsbedingt erhöhten Mehrwertsteuereinnahmen des Fiskus finanzieren. Ein Drittel soll der durch die Entlastung geförderte höhere Konsum in die Staatskasse retour spülen. So die zugrunde gelegte, von einem Refinanzierungs-Optimismus durch die „Konsum-Melkkühe“ des Fiskus strotzende Annahme. Der jeweils offene Rest wird quasi aus Umschichtungen im Steuertopf zugeschossen, für den Finanzminister Brunner zufolge denn auch ein „Reformdruck“ (sprich: die Ansetzung des Rotstifts an anderen Stellen) entsteht. Dabei hatte selbst Kanzler Nehammer jüngst noch eine „Übergewinnsteuer“ zur Abschöpfung der Extragewinne der Krisenprofiteure in die Debatte gebracht, ‚musste‘ dann auf Rückpfiff des Kapitals sowie deren Wirtschaftsvertreter aber wieder in aller Öffentlichkeit zurückrudern. Auch die von WIFO-Chef Gabriel Felbermayr nachdrücklich ins Spiel gebrachte Erbschafts- und Schenkungssteuer (die mitnichten denviel herbeizitierten „Mittelstand“ träfe; knapp die Hälfte des Aufkommens der Erbschafts- und Schenkungssteuer entfiel bei ihrer letzten Einhebung vor Abschaffung 2008 auf 1,3% der Erbfälle) wurde als längst anstehende Steuer- und Finanzquelle verworfen. Dafür werden vielmehr umgekehrt durch die Senkung der sog. „Lohnnebenkosten“ (konkret: der UV-Beitrag und der Beitrag zum FLAF) die Unternehmer noch von Lohnbestandteilen bzw. Sozialstaatsbeiträgen entlastet und auf diesem Weg zusätzlich der Familienlastenausgleichsfonds ausgeräumt und die Unfallversicherung weiter ausgetrocknet wird.

Applaus der Wirtschaftsvertreter

Und da die Abgabengeschenke ans Kapital, im Gegensatz zu den überwiegenden Einmalzahlungen für die ArbeiterInnenhaushalte dauerhaft sind, sind diese hinkünftig auch Jahr für Jahr zu bedienen, während die Einmalzahlungen binnen Kurzen verpufft sein werden. So sehr sie in der jetzigen Akutsituation kurzfristig situativ aushelfen, sind sie als solches weder eine taugliche Antwort auf die Inflationswelle, noch ein Ersatz für dringend von Nöten gewesenen Eingriffen, strukturellen Maßnahmen und der Einführung zusätzlicher sowie umverteilender Steuerquellen.Aber sichtlich ist dieser Murks in der Tat „das Beste aus beiden Welten“ in schwarz-grün geprägtem Verständnis.Und während die Preise weiter ungebremst Rekordhöhen erklimmen und auf diesen beharren, wir uns den Teuerungsausgleich selbst finanzieren und die Konzerne, Vermögenden und Reichen nicht nur ungeschoren bleiben, sondern für sie demgegenüber vielmehr noch die Geldschleusen geöffnet wurden (so geht ja schon von den heuer schlagend werdenden 6 Milliarden Euro rund 1 Milliarde via Strompreiskompensation für Unternehmen und Standortgeldern ans Kapital), sahnen darüber hinaus selbst noch die Krisenprofiteure mit nunmehrigem staatlichen Garantiesiegel ihre krisenbedingten Extragewinne ab. Was Wunder, dass die Wirtschaftsvertreter in Person des WKO-Präsidenten Harald Mahrer sowie des IV-Präsidenten Georg Knill voll des Lobes sind.

Mogelpackung Volumen

Aber hat das Paket überhaupt das behauptete Volumen, oder in den regierungseigenen Superlativen ohne „Übertreibung und Zuspitzung“ (Nehammer) „Riesenvolumen“ (Kogler)? Schon am „Runden Tisch“ am Abend der Verkündung hielt SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer den Regierungsvertretern entgegen, das sei Firlefanz. Und vor nicht all zu langem hätte ihm der Grüne Sozialsprecher Markus Koza, der aus der Gewerkschaft ins Parlament gewechselt ist, taxfrei zugestimmt. Dass die (mit Ausnahme des ‚Sonder-‘Steuerspitzensatzes von 55% für Einkommensmillionäre) Abschaffung der Kalten Progression, also deren (zu 2/3 weitgehende) „automatische Abgeltung“ anstelle ihrer bisherigen Abgeltung durch regelmäßige Steuerreformen mit politischen Gestaltungsspielräumen, als Maßnahme ins „Antiteuerungspaket“ geschummelt wird, ist natürlich Humbug. Die Einnahmen aus der Kalten Progression wurden auch bisher vom Fiskus nicht einfach einbehalten. Diese Suggestion von Regierungsseite ist Stuss und die daraus entstammenden rund 16 Milliarden haben tatsächlich nichts mit dem Paket zu tun, weshalb Oliver Picek vom Momentum-Institut auch zurecht von einer „Fantasiezahl“ des Volumens des „Antiteuerungspakets“ spricht. Natürlich wissen das auch Kogler, Koza (ein bislang sogar ausgewiesener Gegner der„automatischen Inflationsabgeltung“), Nehammer oder Brunner. Aber es klingt halt pompöser – auch wenn die von Kurz bis zum Exzess betriebene „Message Control“ der schwarz-grünen Koalition schon länger abhandengekommen ist. Und dass die einfachhinnige „Abschaffung“ der Kalten Progression (von der vor allem mittlere und obere Einkommen profitieren), eine „sozial gerechte“ Rückverteilung oder „Abgeltung“ sei oder gar „sozial gerechter“ als der bisherige Usus via politisch zielgerichteterer Steuerreformen, mag im Verstande der neoliberalen NEOS gelten, in der luzideren wirtschaftspolitischen Debatte ist dem jedoch mitnichten so. Um es (bei einer angenommenen Jahresinflation von 6%) mit einer aktuellen Berechnung des Momentum-Institut zumindest einmal ein Stück weit anschaulich zu machen: Im untersten Fünftel der Einkommenshaushalte bringt die Abschaffung der Kalten Progression pro Kopf 84,- Euro im Jahr oder maue 7,- Euro im Monat, im obersten Fünftel hingegen schon 576,- Euro per annum.

Aber anstatt die um 14% in die Höhe geschossenen Preise der Lebensmittel bzw. Güter des täglichen Bedarfs zu regulieren (samt Betriebsprüfungen mit Einschau in die Kostenstruktur und Kalkulationen etc. nach der Preisgesetz), Preisdeckel einzuziehen und die Kalte Progression sozial treffsicher und zielgerichtet auszugleichen, sowie eine – an mindestens der Armutsgefährdungsgrenze nach EU-SILC ausgerichtete – armutsfeste Erhöhung der sozialen Absicherungen, gibt’s vielmehr Tamtam um Brotkrümel.

Quelle: KOMintern