24. Juni 2025

24. Juni 2025
KlassenkampfRepressionYeni Hayat

Schwörst du auf diese Verhältnisse?

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst wurde mit der Befragung der Mitglieder der Gewerkschaft ver.di beendet. Während die Diskussionen um den Abschluss in Teilen noch weitergehen, findet eine Klausel im neuen Tarifvertrag nicht so viel Beachtung. Im Absatz zu der Übernahme der Azubis findet sich auch Folgendes wieder: „Voraussetzung für die Übernahme ist, dass Auszubildende und dual Studierende des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“

Das was verargumentiert wird als „Schutz vor antidemokratischen Kräften“, „Gemeinsam gegen Rechtsradikalismus“ etc. erinnert an die Zeit der Berufsverbote. Doch dazu später mehr.

Demir Yildirim

Doch welche freiheitliche demokratische Grundordnung?

Ist es gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, sich mit dem palästinensischen Volk zu solidarisieren oder gehört die deutsche Staatsräson schon zu dieser Ordnung? Kann es die Übernahme kosten, wenn man beim nächsten Naziaufmarsch die Straße blockiert? Oder den strukturellen Rassismus kritisiert und beispielsweise Gerechtigkeit für Lorenz fordert? Was ist mit den Klimaaktivisten, die immer wieder mit den Vorwürfen der Gründung einer terroristischen Vereinigung konfrontiert sind? Wir sehen anhand der Beispiele auch, wo sich dieser Staat besonders hart durchsetzen möchte. Das alles kann im Einzelfall auch als Verstoß gegen ein Verhalten im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung gesehen werden.

Die Geschichte zeigt, wen solche Maßnahmen betreffen

Im Jahre 1972 beschlossen die Länder gemeinsam mit dem damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt den Radikalenerlass. Daraufhin mussten sich Bewerber im öffentlichen Dienst der Gesinnungsprüfung unterziehen, ob sie den wirklich die freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen. Schätzungsweise sollen 3,5 Millionen Regelabfragen beim Verfassungsschutz vorgenommen worden sein, um Beschäftigte oder Bewerber beim öffentlichen Dienst zu überprüfen. Auch damals schon gab man vor, gegen “den Rechtsradikalismus” vorzugehen, doch schnell stellte sich heraus, dass das tatsächliche Ziel dieser Überprüfungen Kommunisten im öffentlichen Dienst waren. Tausende konnten ihren Beruf nicht ausüben oder wurden schon im Bewerbungsprozess abgewiesen.

Staatsräson, Klimakleber & Polizeigewalt

Das Revival der Gesinnungsprüfung im öffentlichen Dienst ist Grund für Sorge. Denn es möchte ganz systematisch verhindern, dass Auszubildende im öffentlichen Dienst überhaupt auf die Idee kommen, diese Gesellschaft und diese Verhältnisse zu hinterfragen, geschweige denn, zu bekämpfen. Heute muss man nicht mal mehr Kommunist sein, um von diesen Maßnahmen betroffen zu sein. Es kann schon genügen, den Vernichtungskrieg gegen das palästinensische Volk zu kritisieren und die Verantwortung Deutschlands herauszustellen.

Die Mitglieder der Gewerkschaft verdi sind hier gefragt, diese Klausel bei der Übernahme der Auszubildenden zu bekämpfen. Denn heute sind es erstmal nur die Auszubildenden, doch morgen, wenn die Verhältnisse für die Herrschenden unbequemer werden, kann es schon wieder alle treffen. Eine Unterschriftenkampagne dagegen wurde bereits von Gewerkschaftsmitgliedern ins Leben gerufen.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben