18. Juli 2025

18. Juli 2025
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Die „Normalisierung“ imperialistischer Kriege und die Innenpolitik

Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:

Yücel Demirer

US-Präsident Trump, hatte sich nach dem israelischen Angriff auf den Iran am 13. Juni erwartungsgemäß auf die Seite des Aggressors gestellt und konnte bei seinem ersten Versuch keinen Waffenstillstand herbeiführen. Mit seiner darauf folgenden, von Beschimpfungen begleiteten Warnung endete der als „12-Tage-Krieg“ in die Geschichte eingegangene, mit Langstreckenwaffen geführte Kampf vorerst. Wir wissen nicht, ob der derzeitige Waffenstillstand Bestand haben wird, ob es sich bei der Waffenruhe um eine Falle Trumps handelt, die Israel eine Atempause verschaffen soll und wie es derzeit um das iranische Atomprogramm steht. Was wir wissen, ist, dass die imperialistische Aggression an dieser Stelle nicht aufhören wird.

Unter diesen Umständen war der NATO-Gipfel, der letzte Woche in Den Haag stattfand, Schauplatz der härtesten Verhandlungen seit dem Ende des Kalten Krieges. Das Hauptthema des Gipfels war die Erhöhung der Verteidigungsbudgets aller NATO-Staaten. Als Ergebnis und auf Druck der USA wurde mit Ausnahme Spaniens eine Einigung darüber erzielt, das im Jahr 2014 beschlossene Ziel der jährlichen Verteidigungsausgaben von 2 % des BIP der jeweiligen Länder auf 5 % anzuheben. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez hatte erklärt, dass Verteidigungsausgaben in Höhe von 2,1 % ausreichend seien, um die militärischen Verpflichtungen gegenüber der NATO zu erfüllen, und dass sein Land diesen Prozentsatz nicht überschreiten werde.

Unterdessen kündigte Donald Trump persönlich an, dass Vertreter der USA und des Iran zu Verhandlungen über das iranische Atomprogramm zusammenkommen werden. Es gibt jedoch wenig Grund zur Hoffnung, dass der verkündete Waffenstillstand von Dauer sein wird. In einer Zeit, in der die kapitalistischen Abläufe und Marktdynamiken weltweit einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen, die hegemonialen Grenzen neu gezeichnet werden und der imperialistische Kampf um die Vorherrschaft in seiner nacktesten Form der einzige bestimmende Faktor politischer Prozesse ist, ist es offensichtlich, dass insbesondere regionale Zermürbungskriege weitergehen und leider zur „Normalität“ werden.

Die kleinen Kriege, an denen die weltweit führenden Länder, allen voran die USA, nicht direkt beteiligt sind, sondern sie aus der Ferne steuern, dienen einerseits als „Waffenausstellung“ und andererseits dazu, Konkurrenten zu isolieren und in Gewinn garantierende Sektoren und Regionen zu expandieren.

Diejenigen, die internationale Konflikte aus der Perspektive der Arbeiterklasse betrachten, konzentrieren sich auf die wirtschaftliche Struktur und Beziehungen. Der grundlegende Ansatzpunkt dieser Herangehensweise ist die Tatsache, dass die ungerechte Verteilung der Ressourcen im kapitalistischen System zu Überproduktion, unzureichenden Binneninvestitionen und stagnierenden Volkswirtschaften führt. Dieser aus der Natur der kapitalistischen Produktion resultierende Stillstand führt zu imperialistischer Expansion, Wettbewerb um neue Märkte und Rohstoffquellen und – wenn die Prozesse ins Stocken geraten – zu Kriegen. Die Konfliktspirale nährt neben ihrer Funktion der Expansion und Festigung der Vorherrschaft durch die damit einhergehenden hohen Militärausgaben und Kriegswirtschaften auch die kapitalistische Ausbeutung.

Wer sich dem Thema aus der Perspektive des kapitalistischen Systems nähert, sieht das nicht so. Wie während des Angriffs Israels und der USA auf den Iran in den offiziellen Propagandainstrumenten und den regierungsnahen Medien der Türkei zu sehen war, wird statt des Gesamtbildes nur ein Teilaspekt betrachtet und es werden Ansätze verfolgt, die auf punktuelle politische Vorteile abzielen. Es dominieren Ansätze, die Vorurteile bedienen, Diskriminierung gutheißen und mit Sündenböcken die Konflikte personalisieren, um die Wut von den wahren Ursachen des Problems abzulenken. Das Hauptziel dabei ist es, die Interessen derjenigen an der Spitze der kapitalistischen Herrschaft zu schützen und ihre politische Lebensdauer zu verlängern. Der Krieg, an dem man beteiligt ist oder der in der Nachbarschaft stattfindet, wird genutzt, um Probleme zu vertuschen, die Aufmerksamkeit auf andere Themen zu lenken und die „innere Front” durch Übertreibung der äußeren Bedrohung zu stärken.

Falsche Vorstellungen, die auf der Idee basieren, dass sich der Machtbegriff zunehmend von einer nationalen, zentralisierten und staatsorientierten Ausrichtung entfernt, werden durch die regionalen Zermürbungskriege, die nacheinander in unserer Nachbarschaft und unserer Region ausbrechen, widerlegt. Diese Kriege widerlegen einmal mehr die These, dass transnationale Finanz- und nichtstaatliche Akteure den Nationalstaat in den Schatten stellen und dass Imperialismus ein Konzept aus vergangenen Jahrhunderten sei. Sie zeigen auch, dass wir in eine Ära eingetreten sind, in der Verhandlungen über Kapitalverkehr und Handelsquoten mit Drohnen und Raketen geführt werden.

Während im imperialistischen Wettbewerb zunehmend auf heiße Kriege zurückgegriffen wird, muss unermüdlich wiederholt werden, dass es nicht um Netanjahu oder Trump geht, sondern dass der Krieg untrennbar mit imperialistischen Herrschaftsstrategien verbunden ist, und dass die Entscheidung zur Aufstockung des Kriegsbudgets, die letzte Woche in Den Haag getroffen wurde, und ähnliche Maßnahmen das Problem nicht lösen, sondern verschärfen werden.

Gegen das Kriegs- und „Verteidigungs“-Geschrei, das das Potenzial hat, die Aufmerksamkeit der Arbeiter abzulenken, muss die innenpolitische Agenda der Arbeiterklasse verteidigt und der Zusammenhang zwischen den Bombardierungen auf den Bildschirmen und dem Krieg an den Esstischen sichtbar gemacht werden.

Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben