Über 5.000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen den Völkermord in Gaza
Übernommen von Yeni Hayat / Neues Leben:
Eren Gültekin
Unter dem Motto „Stoppt den Völkermord, das Aushungern und die Vertreibung der Palästinenser!“ versammelten sich mehr als 5.000 Menschen wenige hundert Meter vor dem Brandenburger Tor zu einer Protestkundgebung. Trotz starker Hitze kamen Menschen aller Altersgruppen zusammen, um ihrer Solidarität mit dem palästinensischen Volk Ausdruck zu verleihen. Aufgerufen hatten die Initiative „Nie wieder Krieg – die Waffen nieder“, die Friedenskoordination Berlin (Friko), das Palästinensische Nationalkomitee, Eye4Palestine, sowie die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost. Über 60 Organisationen unterstützten den Aufruf, darunter der Bundesmigrationsausschuss von ver.di, die Palästinensische Gemeinde Deutschland, die Initiative „Gewerkschaft gegen Aufrüstung und Krieg!“, DIDF und DKP.
Die Veranstalter stellten bereits im Vorfeld klare politische Forderungen: ein sofortiger Stopp aller Waffenlieferungen nach Israel, ein Ende jeglicher militärischer Zusammenarbeit, die Ablehnung einer „Staatsräson“, die die völkerrechtswidrige Politik Israels rechtfertigt – nicht nur in Gaza – sowie das Ende der Kriminalisierung der Palästina-Solidarität und der Friedensbewegung in Deutschland. Auf der Kundgebung wurden diese Forderungen durch laute Sprechchöre wie „Hoch die internationale Solidarität!“ und „Free, Free Palestine!“ begleitet.
Moderiert wurde die Kundgebung von Wiebke Diehl und Jutta Kausch-Henken. In den Redebeiträgen machten zahlreiche Rednerinnen und Redner auf die dramatische Lage in Gaza und im Westjordanland aufmerksam. Ibrahim Ibrahim vom Vereinigten Palästinensischen Nationalkomitee betonte, dass Gaza – das „größte Freiluftgefängnis der Welt“ – systematisch zerstört werde. Diese Angriffe seien ohne die militärische und politische Unterstützung vor allem aus den USA und Deutschland nicht möglich. Deutschland mache sich mit seinen Waffenlieferungen mitschuldig an der Zerstörung eines Volkes. Amal Hamad von der Palästinensischen Gemeinde Deutschland wies darauf hin, dass überall in Europa Solidaritätskundgebungen stattfinden und Aktivistinnen und Aktivisten teils hohe persönliche Risiken tragen – sei es durch Studienabbrüche, Jobverluste oder Repression. Der Angriff auf Gaza sei nicht durch den 7. Oktober zu rechtfertigen, sondern ein Genozid, der sich auch auf das Westjordanland und den Libanon auswirke. Israel ignoriere die internationale Kritik, gestützt durch bedingungslose Unterstützung aus den USA und Deutschland.
Yusuf As vom ver.di Migrationsausschuss sprach für die gewerkschaftliche Basis und kritisierte die zunehmenden Repressionen gegen palästinasolidarische Stimmen sowie Antisemitismusvorwürfe gegen kritische Stimmen. Er verurteilte die Doppelmoral der Bundesregierung, die im Umgang mit Russland harte Maßnahmen ergreife, während sie gegenüber Israel Waffen liefere und die Politik Netanyahus unterstütze. Er grüßte Arbeiterinnen und Arbeiter in europäischen Häfen, etwa in Marseille, die sich aktiv gegen Waffenlieferungen an Israel stellen.
Auch Udi Raz (Jüdische Stimme), Basem Said (Aktivist der arabisch-palästinensischen Community) sowie Sophie Asmus von Amnesty International hielten Reden. Über Live-Videoschaltungen kamen zudem weitere Stimmen zu Wort, darunter Dr. Michael Lüders (Nahostexperte), Bischof Atallah Hanna (Erzbischof von Sebastia in Jerusalem) sowie Dr. Mohammed Salha, Direktor des al-Awda-Krankenhauses in Gaza, der über die katastrophale humanitäre Lage berichtete.
Musikalisch begleitet wurde die Kundgebung von Mahmoud Fayoumi (Nay-Spieler), Pablo Miró und Gizem Gözüaçık. Die starke Beteiligung trotz Hitze und politischer Gegenwinde zeigte: Die Forderung nach einem Ende der Gewalt gegen Palästinenser und nach politischer Verantwortung findet weiterhin breite Unterstützung in der deutschen Bevölkerung.
Statement von Basem Said (Pädagoge und Aktivist der arabisch-palästinensischen Community):
Palästinensische Kinder und Jugendliche sind extrem enttäuscht. Sie fühlen sich nicht mehr zu Hause, nicht mitgenommen, nicht ernst genommen. Ihr Leid wird nicht thematisiert, und wenn doch, dann heißt es: „Das ist verboten.“ Es gibt eine Doppelmoral – zum Beispiel im Vergleich dazu, wie selbstverständlich wir ukrainische Kinder aufgenommen und unterstützt haben. Jetzt erleben palästinensische und arabische Jugendliche das Gegenteil. Viele haben Familie in Gaza oder anderen Krisengebieten und sehen das Leid täglich – über Social Media, Livestreams oder direkte Kontakte. Es ist unmöglich, einfach ruhig dazusitzen. Sie gehen auf die Straße, nicht weil sie provozieren wollen, sondern weil sie betroffen sind. Trotzdem erleben sie Kriminalisierung. Für mich zählt das Zusammenleben – dass Menschen sich in Deutschland frei bewegen können, unabhängig von Herkunft, Religion etc. Ich achte besonders darauf, Menschenrechtsverletzungen zu thematisieren – egal woher jemand kommt. Wir arbeiten daran, große Aktionen in Berlin zu planen, die alle Stimmen zusammenbringen. Als Deutsch-Palästinenser tut es mir weh, dass meine Regierung diesen Krieg immer noch unterstützt, Waffen liefert und einseitig agiert. Ich sehe leider kaum eine Veränderung in der deutschen Politik – auch unter der aktuellen Regierung mit Merz. Das tut unserer Community weh. Wir sind Teil dieser Gesellschaft und wollen, dass unsere Regierung an einer friedlichen Lösung arbeitet.
Statement von Udi Raz (Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost):
Der israelische Angriff auf den Iran ist ein weiteres Beispiel für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Israel wiederholt begeht – nicht nur im Iran, sondern auch in Syrien, im Libanon, im Jemen und vor allem in Palästina. In Gaza sind Menschen seit über 20 Monaten einem Genozid ausgesetzt. Das hat nichts mit Selbstverteidigung zu tun, und immer mehr Menschen stellen genau das in Frage. Viele erkennen, dass solche Handlungen gegen den Willen der Bevölkerung geschehen. Die große Mehrheit in Deutschland ist gegen militärische Unterstützung für Israel – gegen Waffenlieferungen und finanzielle Hilfe. Lange haben sich viele nicht getraut, öffentlich dagegen zu sprechen – das ändert sich jetzt. Wir sehen eine breite Bewegung: Hunderte, Tausende versammeln sich für Menschenrechte, internationales Recht und gegen Kriegsverbrechen. Die Kriminalisierung der Proteste ist real und ein ernstes Problem. Eine große gemeinsame Demo wäre wirksam, aber auch die vielen regelmäßigen Demonstrationen zeigen die Entschlossenheit der Menschen. Vielleicht scheitern wir in manchen Strategien – aber wir scheitern immer besser. Und wir lernen. Das Ende dieses Genozids wird kommen – jeder Genozid hat ein Ende, auch dieser.
Quelle: Yeni Hayat / Neues Leben