Transformation trifft auf Corona

Unmittelbar vor Ostern hat es in der Tarifrunde der Metall- und Elektro-Industrie doch noch einen Abschluss gegeben – nach zähem Ringen und vielen Warnstreiks. Diese waren aufgrund der Pandemie-Bedingungen kreativ wie nie und konnten trotz eben dieser Bedingungen eine sehr beachtliche Zahl an Teilnehmenden verbuchen. Der Pilotabschluss wurde nach bundesweit fast 30 Verhandlungsrunden zwischen der IG Metall NRW und dem Kapitalistenverband Metall NRW unterzeichnet. Die Laufzeit endet am 30. September 2022.

Die nackten Zahlen lesen sich im Vergleich zu anderen Tarifabschlüssen jüngerer Zeit relativ einfach: Im Juni 2021 soll es 500 Euro (brutto für netto) als Einmalzahlung direkt in die Taschen der Beschäftigten geben. Ab Juli werden für alle Beschäftigten monatlich 2,3 Prozent ihres Bruttos als Transformations-Geld (T-Geld) auf eine Art „Sonder-Konto“ eingezahlt. Sollte ein Unternehmen aufgrund der Belastungen durch den klimabedingten Umbau der Industrie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, dann kann mit dem angesparten Geld eine 4-Tage-Woche mit einem „gewissen“ Entgeltausgleich finanziert werden – sofern Arbeitgeber und Betriebsrat sich da einig sind. Dieses Instrument soll der Arbeitsplatzsicherung dienen. Steht das Unternehmen jedoch stabil da, wird das T-Geld jedes Jahr im Februar ausbezahlt. Im nächsten Jahr sind das 18,4 Prozent eines Monatsbruttos, ab 2023 27,6 Prozent eines Monatslohns.

Die Beschäftigten sparen also über 12 Monate Geld an und bekommen es entweder ausgezahlt oder federn damit ihren Einkommensverlust ab, wenn ihr Betrieb in eine wirtschaftliche Schieflage gerutscht ist und aufgrund von Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit das monatliche Einkommen sinkt.

Damit die oben beschriebene Situation gar nicht erst eintritt, wollte die IG Metall ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten im Zuge der Transformation ausbauen, um damit den Umbau der Industrie in Richtung einer klimagerechten Ausrichtung für die Zukunft mitzugestalten. Hier stehen nach wie vor viele Unternehmen erst am Anfang oder liegen gar weit hinter den politischen Anforderungen zurück. Daran gekoppelt ist die Frage um den Erhalt von tausenden von Arbeitsplätzen, die von der Transformation besonders betroffen sind. Vor diesem Hintergrund wurde im Pilotabschluss zudem der Tarifvertrag „Zukunft, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung“ vereinbart.

Dieser schreibt fest, dass die Betriebsparteien über die Herausforderungen der Transformation im Betrieb beraten müssen, wenn eine der Betriebsparteien – also Geschäftsleitung oder Betriebsrat – das wünscht. Dabei können die Tarifvertragsparteien – regionale Kapitalistenverbände oder die Gewerkschaft – hinzugezogen werden. Gegenstand der Gespräche und der Analyse könnten laut IG Metall NRW dann sein: „das Zielbild des Betriebes; das Veränderungsmanagement; die Wettbewerbsfähigkeit; die Beschäftigungsentwicklung, Personal- und Qualifizierungsplanung; Möglichkeiten zur Sicherung des Standorts und der Beschäftigung“. Den Betriebsparteien steht eine „Agentur Transformation“, die von Metallverbänden und IG Metall gegründet wird, beratend zur Seite. Dort will die Gewerkschaft ihre sozialpartnerschaftlichen Erfahrungen aus dem Betriebsanalyse-Projekt „Arbeit 2020plus“ einfließen lassen und ihre unzweifelhafte Kompetenz – zum Beispiel in Form des Tools „Betriebslandkarte“ – sinnvoll einbringen.

Der Verhandlungsführer der IG Metall, Knut Giesler, bewertet diese Neuerung verhalten optimistisch: „Wir hätten uns sicher an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Verbindlichkeit auf der Arbeitgeberseite gewünscht, aber wir haben die Tür zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft in den Betrieben aufgestoßen.“ Es scheint angebracht, nicht stärker in Euphorie auszubrechen. Denn auf der Gegenseite konstatiert Metall NRW: „Besteht keine Einigkeit über einen Regelungsbedarf, kann eine Moderation vereinbart werden. Kommt es nicht zu einer Einigung, werden die Handlungsbedarfe, die von den Betriebsparteien gesehen werden, schriftlich festgehalten. Damit endet der Prozess, so dass die unternehmerische Freiheit bei diesen Fragen bestehen bleibt. Weder der Prozess an sich noch die Erstellung einer Analyse oder die Einschaltung eines Moderators kann von einer Betriebspartei einseitig erzwungen werden.“ Alles kann also. Nichts muss hingegen. Erfolgreich schreibt sich anders.

Quelle: UZ – Unsere Zeit – Transformation trifft auf Corona