Das Märchen von der Überkompensierung

Die größte Gewerkschaft bleibt dabei: Der OGBL wird der im Tripartitegesetz vorgesehenen Indexmanipulation nicht zustimmen. Auf einer Pressekonferenz im Bonneweger Eisenbahnercasino räumte seine Präsidentin Nora Back am Mittwoch mit dem »Märchen von der Überkompensierung« des durch die Indexmanipulation drohenden Kaufkraftverlustes auf und appellierte an die Mehrheitsparteien DP, LSAP und Déi Gréng, ihr Gesetzesprojekt zurückzuziehen. An alle Parlamentsabgeordneten erging der Appell, »dieser sozialen Ungerechtigkeit nicht zuzustimmen«.

Schon während der Tripartiteverhandlungen mit Regierung und Patronat habe man eine »differenzierte Analyse« gefordert, doch nur zu hören bekommen, »allen Betrieben« gehe es schlecht, erinnerte Nora Back. Nach der Veröffentlichung ihrer Jahresbilanzen sei aber mittlerweile klar, »daß nicht nur Banken und der Finanzsektor Rekordprofite eingefahren haben, sondern auch andere Großbetriebe«. Auch seien die der Dreierrunde vorgelegten Inflationsprognosen des Statec »total irreführend« gewesen. Noch Mitte Februar sei das nationale Statistikamt von einer 1,3-prozentigen Preisteuerung im nächsten Jahr ausgegangen, um dann Anfang Mai 2,8 Prozent Inflation für 2023 vorauszusagen. Angesichts der »totalen Unkenntnis der Inflationsentwicklung in den kommenden Monaten« dürfe eine so tiefgreifende Weichenstellung für mehrere Jahre nicht übers Knie gebrochen werden.

Zumal angesichts der Rekordinflation längst klar sei, daß nicht nur eine Indextranche verschoben werden soll, und mehrere Patronatsvertreter bereits erklärt hätten, man werde im April nächsten Jahres nicht mehrere Tranchen auf einmal auszahlen. Andere Patronatsvertreter hätten gar erklärt, im April 2023 wieder bei null anfangen zu wollen, warnte die Gewerkschaftspräsidentin. Zwar habe der von der LSAP gestellte Wirtschaftsminister Franz Fayot versichert, keine Indextranche werde wegfallen, doch Gilles Baum, der Präsident der zuständigen Chamberkommission und Fraktionschef der den Premier stellenden DP, habe bereits von einer neuerlichen Verschiebung einer zweiten oder gar dritten Indextranche bis zum Jahr 2025 gesprochen.

Zur von der Dreierkoalition behaupteten »Überkompensierung« des durch die von ihr beabsichtigte Indexmanipulation drohenden Lohn- und Kaufkraftverlustes durch höhere Steuerkredite rechnete Nora Back vor, daß sich insbesondere Schaffende mit niedrigen Löhnen und Alleinerziehende auf Verluste einstellen müssen. Schaffende, die auf Überstunden-, Nacht- oder Sonn- und Feiertagszuschläge angewiesen sind, um mit ihren Familien über die Runden zu kommen, würden alle gegenüber einem normal funktionierenden Indexmechanismus verlieren. Die angebliche Überkompensierung »ist Quatsch«, sagte sie.

Wie Nora Back auf Nachfrage erklärte, ist das einst gute Verhältnis zwischen dem OGBL und den Regierungssozialisten mittlerweile »angespannt«. Die LSAP habe stets behauptet, mit ihr schaffe keiner den Index ab, und behaupte nun, sie habe das Indexsystem »gerettet«. »Der Index wäre tatsächlich gerettet, wenn keiner darangegangen wäre«, stellte die OGBL-Präsidentin klar. Es dürfe keine Grundsatzdiskussion über den Index geben in einer Zeit, in der er bitter nötig ist, um die Kaufkraft zu erhalten.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek