Intensivstationen: Politik muss bedarfsgerechte Personalvorgaben machen

Anlässlich einer heute (1. Juni 2022) veröffentlichten Studie zum Pflegepersonalbedarf auf Intensivstationen bekräftigt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ihre Forderung nach bedarfsgerechten und verbindlichen Personalvorgaben in allen Klinikbereichen. „Die Studie von Professor Michael Simon liefert einen weiteren Beleg für die unhaltbaren Zustände in deutschen Krankenhäusern“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Auf den Intensivstationen fehlen bis zu 50.000 Vollzeitkräfte – eine riesige Personallücke, die die intensivmedizinische Versorgung ebenso gefährdet wie die Gesundheit der beruflich Pflegenden.“

Der Gesundheitssystemforscher Michael Simon berechnet in seiner von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie anhand von Daten der Krankenhausstatistik, wie viel Pflegepersonal auf den Intensivstationen zusätzlich benötigt wird. Allein um die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung bei 21.000 durchschnittlich belegten Intensivbetten einzuhalten, müsste die Zahl der Vollzeitstellen von 28.000 (Stand: 2020) auf 50.800 steigen. Werden die Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zum Maßstab gemacht, sind sogar 78.200 Vollzeitkräfte nötig – nahezu eine Verdreifachung des aktuellen Personalbestands.

„Die Untersuchung macht die Dimension des seit Jahren bestehenden Missstands deutlich“, sagte Bühler. „Im Zuge der Pandemie hat sich die Arbeitsbelastung auf den Intensivstationen weiter verschärft. Die Folge ist, dass Pflegepersonen aus ihrem Beruf fliehen oder ihre Arbeitszeit auf eigene Kosten reduzieren, weil sie es nicht mehr aushalten.“ Laut der kürzlich veröffentlichten Studie „Ich pflege wieder wenn…“ arbeiten mehr als 860.000 examinierte Pflegepersonen nicht mehr in ihrem erlernten Beruf. Ein bedeutender Teil von ihnen wäre bereit zurückzukehren, falls sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Dadurch und durch die Aufstockung von Teilzeitverträgen könnten laut Studie mindestens 300.000 Vollzeitstellen in der Kranken- und Altenpflege zusätzlich besetzt werden.

„Es gibt keinen Mangel an qualifizierten Pflegepersonen, aber sehr viele sind nicht mehr bereit, unter den derzeitigen Bedingungen zu arbeiten“, brachte Bühler die Situation auf den Punkt. „Der Handlungsauftrag an die politisch Verantwortlichen ist klar: Der Teufelskreis aus schlechten Arbeitsbedingungen, Berufsflucht und noch höherer Belastung muss durchbrochen werden. Das zentrale Mittel dafür sind bedarfsgerechte und verbindliche Personalvorgaben.“

Seit über zwei Jahren liege die PPR 2.0 vor, das von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem Deutschen Pflegerat und ver.di entwickelte Instrument für eine bedarfsorientierte Personalbemessung in der Krankenhauspflege. „Erst hat der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Lösung verschleppt und die PPR 2.0 ignoriert. Und nun kommt auch sein Nachfolger Karl Lauterbach nicht recht in die Gänge, obwohl die Einführung der PPR 2.0 im Koalitionsvertrag steht“, kritisierte Bühler. „Den Krankenhausbeschäftigten, die jeden Tag an ihre Leistungsgrenze und darüber hinaus gehen, fehlt dafür jedes Verständnis. Statt Sonntagsreden wollen sie endlich Taten sehen. Die sofortige Umsetzung der PPR 2.0 steht dabei ganz oben auf der Agenda.“

Link zur Studie „Pflegenotstand auf Intensivstationen“ von Professor Michael Simon: https://www.boeckler.de/pdf/Study_474_Simon_Intensivpflege_.pdf

Quelle: ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft