Nervenspiel Mobilität in der Krise

ZLV Zeitung vum Letzeburger Vollek
Zeitung vum Letzeburger Vollek

Viel Polemik gab es in den vergangenen Wochen um den Ausbau der Tram in der Hauptstadt. Das ging so weit, daß sich Transportminister Bausch genötigt sah, dazu Stellung zu nehmen. Kann man den Minister für eine Reihe von Entscheidungen kritisieren, steckt in seinem Unmut über das »Zerreden einzelner Projekte« allerdings viel luxemburgische Wahrheit. Daß die Hauptstadt völlig im Verkehrschaos versinkt, daran wird kein Ausbau von Radwegen etwas ändern, denn bei weitem nicht jeder Berufspendler oder Tourist ist in der Lage, auf den Drahtesel umzusteigen und nicht jede Fahrt zum Einkaufen ist mit einem solchen Gefährt machbar.

Die neue Tram ist zweifellos ein Fortschritt in der hauptstädtischen Mobilität, wo sich Busse gegenseitig im Stau blockieren. Einziges großes Manko ist, daß die Arbeitsbedingungen und Gehälter für die Beschäftigten nicht vermuten lassen, daß es sich um ein Unternehmen mit Staatsbeteiligung handelt. Was die Mobilität im Rest des Landes betrifft, bleibt viel zu tun. Halb Luxemburg besteht aktuell gefühlt aus Baustellen und mit dem öffentlichen Transport hapert es ebenfalls. Wochenlang Schienenersatzverkehr und vermeintlich praktische Überland-Busverbindungen, die unbrauchbar werden, wenn die Umstiege aufgrund horrender Verspätungen verpaßt werden. Pendler brauchen noch eine Weile starke Nerven.

Abseits der Stoßzeiten der Hauptstrecken, etwa an Wochenenden und Feiertagen, oder gar abseits der Hauptschienen generell sieht das Bild noch trübe aus. Wenn die Regierung über Finanzministerin Backes auf eine parlamentarische Anfrage hin erklären läßt, die Kilometerpauschale bliebe unangetastet, es würde schließlich in die Transportinfrastruktur investiert, gleichzeitig die Kraftstoffpauschale endet und die Energiekonzerne drastische Erhöhungen von unter anderem den Strompreisen ankündigen, wird sich der inländische Berufspendler, der nicht an einer der Hauptachsen wohnt, vermutlich ein Stirnrunzeln nicht verkneifen können, wenn der Transportminister immer wieder erwähnt, wie sehr Luxemburg im Ausland für seinen gratis ÖPNV gelobt werde.

Gratis ist aber eben nicht alles. Dieser Tage lief in Deutschland nicht nur der Tankrabatt, sondern auch das 9-Euro-Ticket für die Bahn aus, welches zeitlich begrenzt eingeführt wurde, um den Menschen zu ermöglichen, wegen hoher Kraftstoffkosten auf den öffentlichen Transport umzusteigen und vielleicht dabei zu bleiben. Eine rezente Studie, deren Zusammenfassung am Dienstag in der »Zeitung« zu finden war, kommt jedoch zu dem Schluß, daß insbesondere Menschen aus ländlichen  Regionen weniger Gebrauch von dieser Fahrkarte machten. Die Experten fanden heraus, daß der Preis des Tickets nicht das wichtigste Argument für den Kauf war und kommentierten dies so: »Ein billiges Ticket taugt nichts, wenn das Angebot schlecht ist«.

Dies läßt sich, abgesehen davon daß es in Luxemburg nicht billig sondern gratis ist, auch auf hiesige Verhältnisse anwenden. Zwar kann die aktuelle Regierung nichts dafür, daß 30 Jahre lang nicht in Straßen- und Transportinfrastruktur investiert wurde und es geht hier bei der Bahninfrastruktur deutlich mehr voran, als in Deutschland, doch sind die Alternativen zum Individualverkehr aktuell eben noch nicht auf dem Niveau, in jedem Fall die attraktive Alternative darzustellen.

Da helfen auch überhebliche Hinweise, der öffentliche Transport sei gratis nichts, wenn die Bürger unter den Kraftstoffpreisen ächzen. Dazu kommt, daß der durch die Rußland-Sanktionen, welche in erster Linie die EU-Bevölkerung treffen, ausgelöste Anstieg der Strompreise auch die Attraktivität der Elektromobilität bremsen wird.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek