Solidarität macht stark

ZLV Zeitung vum Letzeburger Vollek
Zeitung vum Letzeburger Vollek

Jedes Jahr um die besinnliche Weihnachtszeit werden wir immer wieder aufgefordert, unsere Geldbörsen zu öffnen und für Bedürftige zu spenden. In diesem Jahr fällt es allerdings vielen von uns schwerer, etwas abzugeben. Zu schwer wiegen die Auswirkungen der harten Inflation, der unsäglichen Erhöhungen der Preise für Lebensmittel, für die Dinge des täglichen Bedarfs. Viele Menschen müssen deutliche Abstriche machen bei Ausgaben für Kultur und Freizeit.

Aus Frankreich wird in dieser Woche gemeldet, daß der Verkauf von Champagner um zweistellige Prozentwerte zurückging, und selbst bei Weihnachtsschokolade um mehr als 9 Prozent. Unseren deutschen Nachbarn stehen deutliche Mehrausgaben bevor für Heizen und Benzin, was recht schnell Preiserhöhungen in so ziemlich allen Bereichen des Lebens zur Folge haben wird. Die Streichung von Subventionen in der Landwirtschaft hat bereits Tausende Bauern ihren Zorn auf den Straßen Berlins zum Ausdruck bringen lassen. Die Bundesregierung war zumindest so ehrlich, den Menschen im Land zu sagen, daß all das notwendig sei, um die Ukraine im Krieg gegen Rußland zu unterstützen. Mit anderen Worten, die Kriegskredite sind von den Bürgern zu bezahlen, vor allem von jenen, die ohnehin wenig in der Tasche haben.

Kein Wunder also, daß Umfragen in mehreren Ländern feststellen, daß die Spendenbereitschaft stark nachgelassen hat. Auch in Luxemburg ist das nicht anders. Es ist auch nicht leicht zu vermitteln, daß Spenden gesammelt werden, um Probleme lindern zu helfen, für deren Ursache der Staat verantwortlich ist.

Ein Ergebnis falscher Politik ist die immer mehr sichtbar werdende Armut hierzulande, die möglichst unter dem Teppich gehalten werden soll. Obdachlose, die trotz Hunderter leerstehender Gebäude in den Städten nur wenige Stellen finden, um sich bei Wind und Wetter aufzuwärmen, sind in Esch bereits vor das Rathaus gezogen, um den neuen Bürgermeister zu befragen, welche Maßnahmen die Gemeinde zu ergreifen gedenkt. Die Reaktion war alles andere als befriedigend, und auch in den jüngst vorgestellten Budgets der Regierung und der Gemeinden ist nicht zu erkennen, daß ernsthafte Pläne zur Linderung oder gar zur Abschaffung der Armut existieren. Das von der Gemeinde der Stadt Luxemburg erlassene Bettelverbot macht deutlich, daß in dieser Gesellschaft nicht die Armut bekämpft wird, sondern Restriktionen gegen Arme auf der Tagesordnung stehen.

Völlig anders ist hingegen die breite Solidarisierung mit den Beschäftigten von Ampacet Düdelingen, die in einen unbefristeten Streik traten, um gegen die faktische Aufkündigung ihres Kollektivvertrags zu protestieren, bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Erhöhung ihrer Löhne zu fordern. In diesem Land, in dem noch vor wenigen Jahren viele Funktionäre der Gewerkschaften sich scheuten, das Wort »Streik« überhaupt auszusprechen, entwickelte sich innerhalb von drei Wochen eine regelrechte Welle der Unterstützung mit denen, die um ihre Rechte kämpften.

Mehr als 85.000 Euro kamen in der Streik-Kasse zusammen, gespendet zumeist in Münzen und kleinen Scheinen, also oft von jenen, die selbst nicht viel haben, aber wissen, daß sie demnächst auch auf Streikposten um ihr Recht kämpfen müssen. Diese Solidarität macht Mut, und sie macht auch stark, wie der erfolgreiche Abschluß des Streiks bei Ampacet zeigt.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek