14. August 2025

14. August 2025
UZ - Unsere Zeit

Miese Vorstellung

Übernommen von Unsere Zeit:

Seit der geplatzten Wahl für die Nachbesetzung des Bundesverfassungsgerichts wabern erschütternde Fragen durch die deutsche Medienlandschaft. Wurde die Demokratie beschädigt? Ist Jens Spahn (CDU) möglicherweise kein kluger Fraktionsvorsitzender? Hat die SPD mit ihrer Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf gar die Richterwahl „politisiert“?

Je schwieriger die Zeiten, desto dumpfsinniger das Sommerloch-Theater. Unter den Bedingungen von Krieg und Krise verkommt es endgültig zum Laienspiel. Nun soll ausgerechnet das Wahlverfahren für Verfassungsrichter, mit dem sich CDU und SPD über Jahrzehnte gegenseitig die wichtigsten Posten des deutschen Justizapparates zugeschustert haben, als Lackmustest für „die Demokratie“ herhalten. Wo soll man da anfangen?

Vielleicht bei der Kandidatin Brosius-Gersdorf, die sich schon für die Erhöhung des Renteneintrittsalters ausgesprochen hat und Gutachten für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung verfasste. Dennoch musste sich die Rechtswissenschaftlerin Anfang der Woche gegen Vorwürfe verteidigen, sie sei „ultralinks“ oder „linksradikal“ – was sie mit großer Überzeugung tat. Die neoliberale Allerweltsdemokratin Brosius-Gersdorf dürfte sich mit ihren nun vieldiskutierten Positionen zu Impfpflicht und AfD-Verbot stets als mutiges Rädchen im Getriebe der „bürgerlichen Mitte“ verortet haben. Die Angriffe auf sie, die auch die Unionsfraktion von ihrer Nicht-Wahl überzeugten, zielten aber vor allem auf ihre vermeintlich liberale Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen ab.

Der veröffentlichten Meinung war das weitgehend egal. Die mediale Debatte drehte sich nicht um die Verteidigung von Frauenrechten oder die Entkriminalisierung von Abtreibungen. Stattdessen wurde über parlamentarische Gepflogenheiten und Absprachen berichtet, deren Einhaltung für „die Demokratie“ notwendig seien.

Während in den großen Pressehäusern an tränenreichen Kommentaren über den bedauernswerten Zustand des bürgerlichen Staates geschrieben wurde, machte der tatsächliche Demokratieabbau große Fortschritte. „Rheinland-Pfalz stellt keine AfD-Mitglieder mehr ein“, frohlockte „tagesschau.de“ in der vergangenen Woche und zeigte damit die Sprachregelung auf. Überall war von einem AfD-Verbot für den Öffentlichen Dienst zu lesen. Dabei hatte das SPD-geführte Innenministerium einen klaren Ton angeschlagen: „Wer extremistische Bestrebungen unterstützt, sich in verfassungsfeindlichen Gruppen engagiert oder gar eine innere Abkehr von den Grundwerten unserer Verfassung erkennen lässt, hat im öffentlichen Dienst keinen Platz.“

Tatsächlich ging es nicht um den „Kampf gegen rechts“, sondern um „Extremismus“. Und weil der schwer zu definieren ist, half der Landesverfassungsschutz mit einer Liste aus, die von der „Wormser Zeitung“ veröffentlicht wurde. Darauf: zahlreiche linke Organisationen wie DKP, SDAJ oder die Rote Hilfe. Es werde „Schritt für Schritt an der Wiederauflage des Radikalenerlasses von 1972 gearbeitet, der schon damals zu 95 Prozent gegen Linke angewendet wurde“, reagierte der „Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote“ auf die Bekanntgabe der neuen Einstellungskriterien.

Am Dienstag ruderte das Innenministerium dann scheinbar zurück – nicht in der Sache, aber in der öffentlichen Kommunikation. „AfD-Mitglieder dürfen doch in Staatsdienst“, jubelte „Bild“. Grund für die Freude war die Ankündigung, dass bei jeder Einstellung eine „Einzelfallprüfung“ zu erfolgen habe. Wie solche Prüfungen ausgehen, kann man in Bayern beobachten, wo die Mitgliedschaft in „extremistischen Gruppen“ schon länger abgefragt wird und wo linken Gewerkschaftern wie Benjamin Ruß oder der kapitalismuskritischen Klimaaktivistin Lisa Poettinger die Anstellung verweigert wird.

Ob im Bundestag oder in der Mainzer Staatskanzlei: Der radikalisierten „Mitte“ geht es nicht um Demokratie, sondern um die ungestörte Fortsetzung der Kriegs- und Krisenpolitik. Dafür braucht es ein loyales Verfassungsgericht und einen auf Linie gebrachten Staatsapparat. Darüber sollten weder das verworrene Sommertheater noch „antifaschistischer“ Gestus hinwegtäuschen.

Quelle: Unsere Zeit